Ausbildung Wenn die Lehre an der Einstellung scheitert

Von Midia Nuri
Auf dem Ausbildungsmarkt hat sich vieles gebessert, auch die Lehrstellenlücke klaffte 2007 nicht so weit wie erwartet. Doch beim Sprung in die Berufsausbildung scheitern die Jugendlichen oft an einer anderen Hürde - an sich selbst.

Manchmal geht es im Bewerbungsgespräch zu, wie in der Fernsehwerbung eines großen IT-Konzerns. Da antwortet die 17-jährige Realschulabsolventin auf die Frage der Personalverantwortlichen, warum sie sich ausgerechnet hier bewirbt: "Meine Freundin hat gesagt, ich soll mich hier bewerben." "Und dann habe ich natürlich gefragt, warum?", erinnert sich Katrin Tremel, beim Bereich Grundsatz Ausbildung der Deutschen Post in Bonn für die Rekrutierung zuständig. "Dann kam: Das hat sie nicht gesagt."

Doch die nackten Zahlen sehen gut aus: Ende September zählte die Bundesagentur für Arbeit (BA) 626.000 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge - 8,6 Prozent mehr als im Vorjahr (plus 49.800 Neuverträge). Neu eingeworben haben Kammern und Verbände im Rahmen des Ausbildungspakts in den vergangenen vier Jahren 88.900 neue Ausbildungsplätze, und 53.600 Betriebe haben erstmals ausgebildet.

Selbst die schwer zufrieden zu stellenden Experten vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) lobten die Fortschritte. Die jährlich errechnete Lehrstellenlücke klaffte dem BIBB zufolge 2007 nicht so weit wie sonst: Zum Ende des Berichtsjahres standen den rund 18.400 bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldeten, noch offenen Ausbildungsplätzen 99.500 dort registrierte Lehrstellenbewerber und -bewerberinnen gegenüber, die noch eine Lehrstelle suchten. 29.100 waren Ende September noch unversorgt. Von den leer ausgegangenen Bewerbern kam laut BA die Hälfte der Einladung zu einer der zahlreichen Nachvermittlungsaktionen der Kammern nach. Immerhin 88 Prozent bekamen so eine Lehrstelle oder zumindest einen Platz für eine Einstiegsqualifikation. Von der werden Teile auf eine Ausbildung angerechnet, und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, gleich in der nächsten Runde als Lehrling im Unternehmen bleiben zu können. Doch Zahlen sind nicht alles auf dem Ausbildungsmarkt.

Soft skills gehören in den Lebenslauf

Die in jedem Bewerbungsgespräch anwesenden drei Postler sind kulant. Bei ihnen wird kein Bewerbungsgespräch abgebrochen. "Schon gar nicht wegen einer Äußerung am Anfang des Gesprächs, wo die Jugendlichen natürlich nervös sind", sagt Tremel. Doch es ging weiter, wie es begonnen hatte. In kurzen, oft unvollständigen Sätzen brachte die Bewerberin hervor, sie wolle Bürokauffrau werden, weil man da mit Kunden reden könne. Was sie denn über die Post wisse? Dass sie Briefe austrägt. "Im Nachhinein ist es fast lustig, aber eigentlich ist es tragisch", findet Tremel. Denn das Mädchen hatte keine schlechten Voraussetzungen. Ihre Noten auf der Realschule waren gut. Keine Fehlzeiten. Gut beim vorgeschalteten Einstellungstest in Mathe und Deutsch. Beste Chancen auf einen Ausbildungsvertrag, beteuert Tremel. Doch das Mädchen hat ihn nicht bekommen.

"Wir brauchen Mitarbeiter, die kommunizieren können, die über den Tellerrand hinausgucken und nicht vor einem Problem hocken, wie das Kaninchen vor der Schlange, sondern es aktiv lösen", begründet Tremel. Wenn die viel beschworene Sozialkompetenz fehlt, ist das häufig schlimmer, als mäßige Noten in Mathe oder Deutsch. "Es ist leichter, den Azubis Rechnen und Schreiben besser beizubringen, als aus einem Muffel einen freundlichen Angestellten eines Dienstleistungskonzerns zu machen", erklärt Olaf Stieper, Leiter der Abteilung Berufsbildung bei der Metro AG in Düsseldorf.

Jugendliche sollten ihre Sozialkompetenz in der schriftlichen Bewerbung hervorheben. "Indem sie in den Lebenslauf reinschreiben, dass sie seit Jahren in einer Fußballmannschaft spielen oder ehrenamtlich in der freiwilligen Feuerwehr mitarbeiten", schlägt Stieper vor. "Streitschlichterposten, Schülerlotsentätigkeit - das vergessen die meisten Bewerber reinzuschreiben", pflichtet Tremel bei. "Dabei ist das fast interessanter als der Rest."

Erfolgreiche Bewerber sind engagierter

"Ob groß oder klein - durch die Bank wünschen sich unsere Unternehmen von Ausbildungsplatzbewerbern die klassischen bürgerlichen Tugenden", hält Bernd Engelhardt, Vize-Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Stuttgart, fest. Von seinen Bewerbern wünscht er sich Ehrlichkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. "Ich schaue nach, wie viele unentschuldigte Fehlstunden ein Bewerber hat", bestätigt Stieper. Das lasse ahnen, wie verlässlich der Bewerber sein wird.

"Natürlich sind Jugendliche von vielleicht 17 Jahren oft noch etwas verpeilt", räumt Engelhardt ein. Doch was hilft es, wenn die Anforderungen gewachsen sind und auch die Konkurrenz unter den Bewerbern nach wie vor groß ist? Jugendliche sollten sich aktiv um Praxiserfahrung bemühen. Die allein bringt es. "Ich bin immer wieder verwundert, wie sich junge Leute in der Ausbildung binnen kurzer Zeit zu echten Leistungsträgern entwickeln", erzählt Stieper. Im Betriebsalltag entwickelten sich die meisten Jugendlichen sehr schnell positiv.

Daher sollten sie auch lieber das ein oder andere Praktikum zusätzlich machen - in jedem Fall aber eines in dem Bereich, in dem sie sich um einen Ausbildungsplatz bemühen. "Viele probieren erst die Traumberufe durch: Tierpark oder Kindergarten", so Stieper. "Wenn sie dann feststellen, dass beides nichts für sie ist, sagen sie sich: Dann eben Büro - ohne ein zusätzliches Praktikum von zwei oder besser drei Wochen." Genau dieses freiwillige, zusätzliche Engagement ist es aber, das erfolgreiche Bewerber um eine Lehrstelle vom Rest unterscheidet, da sind sich die Personalverantwortlichen einig.

Jugendliche wirken satt

"Auch in einem Bereich, für den sie sich nicht so geeignet fühlen, sollten Jugendliche mal ein Praktikum machen", empfiehlt Elvira Gemmer, Berufsbildungsreferentin der Handwerkskammer Rheinhessen (HWK). Gerade Mädchen sollten den technischen Bereich ausprobieren, statt stur in Richtung Friseurin oder Bürokauffrau zu laufen. "Einigen wird das besser gefallen als sie dachten", ist Gemmer überzeugt. Die Aussichten seien bestens. "Sie können übernommen werden und später den Meisterlehrgang oder sogar ein Ingenieursstudium absolvieren, sich selbstständig machen oder in die Industrie gehen mit Aussicht auf eine Führungsposition", schwärmt sie. Was sie vermisst, ist schon das Interesse an solchen Aussichten. "Die Jugendlichen wirken satt."

Welchen Experten auch immer man nach seinen Erfahrungen mit Lehrstellenbewerbern fragt: Jeder bringt sein Unverständnis zum Ausdruck, wie wenig junge Leute sich für ihre Berufsplanung zu interessieren scheinen. Vor kurzem reiste Stieper mit Metro-Vorstandschef Eckhard Cordes zu einer Veranstaltung mit Schülern, die gerade in den Abiturprüfungen stecken. "Zwei Drittel von denen wussten im Februar noch nicht, was sie im Sommer beruflich machen werden", stellte Stieper entsetzt fest. "Da können Sie Turbo-Abitur noch und nöcher einführen - wenn die Zeit dann bei der beruflichen Orientierung versäumt wird, bringt das nicht viel."

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