Liebe Frau Peirano,
ich bin 52, Yogalehrerin und in meinem "zweiten" Leben sehr glücklich und fühle mich angekommen. Mein erstes Leben bedeutete: eine unglückliche Beziehung, in der ich mich ausgenutzt fühlte und zum Schluss auch betrogen wurde, eine Tochter (heute 21 und sehr selbstständig), ein stressiger Job in einer Agentur, der mir nicht das Gefühl gab, etwas Sinnvolles zu tun.
Dann, mit 42 Jahren die Scheidung, nach einem Burn-Out eine berufliche Neuorientierung als Yogalehrerin und ein kleineres, aber zufriedeneres Leben. Mit 45 lernte ich meinen neuen Partner Jonas kennen. Ich bin kurz darauf bei ihm und seinem Sohn (jetzt 17) eingezogen. Unser Leben entspricht genau der Traumvorstellung, die ich von einer Beziehung hatte.
Außer in einem Punkt, der mir Sorgen bereitet. Durch meinen Lebenslauf hatte ich nie die Möglichkeit, Geld zurückzulegen und für das Alter vorzusorgen. Ich habe eine kleine Rente aus der Agenturzeit, aber die würde hinten und vorne nicht zum Leben reichen. Als Yogalehrerin habe ich durch Corona große finanzielle Einbußen, aber auch diese Arbeit reicht nicht für eine Rente. Mehr arbeiten ist durch die Gefahr eines neuen Burn-Outs nicht wirklich möglich, ich habe es probiert und bin rückfällig geworden. Und erben werde ich auch nichts nennenswertes.
Ich muss mir eingestehen, dass ich in einer Situation bin, in die ich als selbstständige Frau nie kommen wollte: Ich bin von Jonas finanziell abhängig. Solange wir in seiner Eigentumswohnung leben (er nimmt mir keine Miete ab), komme ich wunderbar klar. Manchmal spendiert er mir einen Urlaub, und für das tägliche Leben reichen meine Einnahmen. Jonas ist angestellt und verdient recht gut.
Aber was ist im Alter? Liege ich ihm dann auf der Tasche? Und noch schlimmer: Was passiert, wenn er einen Unfall hat oder früh stirbt? Ich müsste dann wahrscheinlich sofort ausziehen, weil sein Sohn die Wohnung erbt.
Ich fühle mich auch schlecht dabei, ihn offen zu fragen, ob er mich versorgt, weil es so einseitig ist. Ich kann ihm nicht anbieten, dass ich für ihn sorge, weil ich einfach nichts habe. Wir haben keine gemeinsamen Kinder, und den Haushalt teilen wir uns. Da wäre ich wie eine Bittstellerin, wenn ich ihn frage.
Haben Sie einen Rat für mich?
Herzliche Grüße
Karina T.
Liebe Karina T.,
ich kann Ihre Sorgen gut verstehen, sie beruhen ja auf realen Sachverhalten. Ich kann mir gut vorstellen, dass Ihnen mulmig wird, wenn Sie auf Ihren Rentenbescheid schauen. Und um noch etwas mehr drückende Realität aufzuzeigen, ist den meisten Menschen nicht klar, wie viel Geld sie als Selbstständige für die Rente zurücklegen müssen.
Wer z.B. 1500 Euro monatlich haben möchte, braucht im Jahr 18.000 Euro. In 10 Jahren sind das schon 180.000 Euro, und wenn man den Renteneintritt um 20 oder 30 Jahre überlebt, kommt locker eine halbe Million Euro zusammen. Dabei sind Notlagen und die Inflation noch nicht eingerechnet. Aller Voraussicht nach sind 1500 Euro in 25 Jahren viel weniger wert - und es könnte knapp werden.
Es gibt insbesondere viele Frauen, die aufgrund von Trennungen, Kindererziehung und anderen Care-Tätigkeiten nicht genug verdienen oder Lücken in ihrer Berufstätigkeit haben und deswegen nicht annähernd für das Alter vorsorgen können.
Sie brauchen Übersicht über Ihren Bedarf, und Sie brauchen eine vernünftige Strategie, wie Sie sich absichern können. Ich kann Ihre Bedenken und Zurückhaltung verstehen, als finanziell schwächerer Part um Hilfe zu bitten. Aber vielleicht gibt es auch einen geschickteren Weg. Anscheinend kennt Jonas sich ganz gut mit seinen Finanzen aus und legt Wert auf finanzielle Absicherung (Eigentumswohnung, guter Job). Können Sie sich vorstellen, ihn erst einmal nur als Berater um Hilfe zu bitten? Das heißt, ihm Ihre voraussichtliche Rente und Ihre Einkünfte offen zu legen und ihn zu fragen, wie Sie sich vor Rentenbeginn noch besser absichern können. Wahrscheinlich wird Jonas in dem Gespräch deutlich vor Augen geführt, wie Ihre Situation aussieht. Vielleicht könnten Sie in dem Gespräch noch andere Themen ansprechen, die in einer Lebenspartnerschaft geregelt werden sollten, z.B. eine Patientenverfügung. Ohne eine Patientenverfügung werden Sie als Partnerin ohne Trauschein nicht zu ihm ins Krankenhaus gelassen. Das kann bitter sein.

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe
Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben.
Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.
Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.
Es könnte sein, dass Ihr Partner von sich aus anbietet, Ihnen zu helfen oder Sie abzusichern. Andernfalls könnten Sie ihm zumindest einen Vorschlag machen, der Sie nicht als Bittstellerin dastehen lässt. Eine wichtige Absicherung der Lebenspartnerin oder der Kinder ist eine Risiko-Lebensversicherung. Diese recht kostengünstige Versicherung zahlt im Vertrag festgelegten Personen (in dem Fall wären das Sie) eine bestimmte Summe im Todesfall. Informieren Sie sich doch einmal im Internet, Sie finden Vergleichsrechner.
Damit wären Sie abgesichert, falls Ihr Partner stirbt. Außerdem empfehle ich Ihnen, sich mit einer (möglichst unabhängigen) Finanzberaterin für Frauen zusammen zu setzen, um weitere Versicherungen zu überprüfen.
Aus meiner therapeutischen Erfahrung ist eine Krankentagegeldversicherung eine wichtige Absicherung und hat vielen meiner Patient*innen während einer längeren Krankschreibung das finanzielle Auskommen gesichert.
Es ist bestimmt erst einmal erschreckend, wenn Sie sich die Zahlen und Fakten vor Augen führen. Aber nach dem ersten Schreck können Sie dann auch handeln und sich Möglichkeiten überlegen. Und da bleiben Ihnen bis Renteneintritt noch einige Jahre, in denen Sie handeln können. Wenn Jonas Ihnen finanziell keine Zugeständnisse macht, könnten Sie sich auch überlegen, wie Sie ggf. wohnen wollen, falls Sie sich trennen oder Ihr Partner vor Ihnen verstirbt. Hier gibt es diverse Wohnprojekte auch für gering Verdienende (z.B. Genossenschaftswohnung), um die man sich frühzeitig kümmern sollte.
Das waren jetzt die realistischen und praktischen Tipps. Ich würde als Psychotherapeutin gerne noch einige Fragen für den seelischen und partnerschaftlichen Bereich mitgeben.

Was haben Sie in Ihrer Ursprungsfamilie über das Thema Eigenständigkeit gelernt? Hatten Ihre Eltern z.B. getrennte Konten oder ein gemeinsames? War ein Elternteil vom anderen abhängig? Hat ein Elternteil für den anderen gesorgt - und wenn ja, wie hat er oder sie das empfunden? Oder hat ein Elternteil den anderen vielleicht auch im Stich gelassen und Sie haben die Botschaft mitbekommen: Sorge für dich selbst. Mach dich bloß nicht abhängig!
Wie denkt Jonas über Eigenständigkeit? Ist er solidarisch und hilfsbereit oder eher auf sich bezogen? Was für ein Rollenbild hat er in einer Beziehung? Wäre es für ihn in Ordnung, Sie als Partnerin abzusichern oder fände er das unpassend? Wie sieht es bei Ihnen damit aus?
Würde es Ihrer Beziehung vielleicht auch gut tun, wenn Sie sich zusammen eine gemeinsame Strategie überlegen, wie Sie beide im Alter abgesichert sind? Oder wäre es eher schädlich in Ihrer Beziehung, wenn Sie sich von Jonas helfen lassen - und warum wäre das so? Mal Hand aufs Herz: Wären Sie innerlich gekränkt, wenn Jonas Sie finanziell nicht unterstützt? Hätten Sie das Gefühl, er würde Sie "im Regen stehen lassen?"
Ich wünsche Ihnen den Mut, dieses schwierige Thema gründlich anzuschauen und Strategien zu entwickeln. Auch wenn Sie aufgrund Ihrer Lebensgeschichte nicht praktisch genug vorsorgen konnten, so würde es doch Ihrem Anspruch als selbstbewusste Frau gerecht werden, wenn Sie das Thema beherzt anpacken.
Herzliche Grüße
Julia Peirano