J. Peirano: Der geheime Code der Liebe Ich fühle mich sehr zu einem ehemaligen Liebhaber hingezogen – aber wie bekomme ich die Zustimmung meines Mannes zu der Affäre?

Paar mit Kinderwagen im Park, Frau guckt gedankenverloren
Im Kopf hat schon die Affäre begonnen, aber wie sollen Ehe und Familie das heil überstehen?
© martin-dm / Getty Images
Eigentlich läuft die Ehe von Lydia A. im Moment ganz gut, aber nun hat sie zufällig einen Ex wiedergetroffen und spürt große physische Anziehung. Dieser lebt eine offene Beziehung – sie aber nicht. Was kann sie tun, um ihre Familie, zu der auch eine kleine Tochter gehört, nicht zu gefährden – aber trotzdem außerehelichen Sex zu haben? Ein sensibles Thema, weiß Julia Peirano.

Liebe Frau Peirano! 

Ich bin verheiratet und habe ein Kind, 3. Mein Mann und ich haben eigentlich eine ganz gute Phase unserer Beziehung, die nicht immer einfach ist, dennoch bin ich kurz davor, eine Affäre mit einem ehemaligen Liebhaber zu beginnen. 

Dazu kam es, weil ich ihn nach vielen Jahren durch einen Zufall wiedergetroffen habe und wir uns nun regelmäßig (beruflich) sehen. Mit dem Ex führe ich sehr offene Gespräche, wir beide sehnen uns danach, diese Episode wieder aufleben zu lassen. Es ist nach all den Jahren einfach immer noch eine enorme körperliche Anziehung zwischen uns. Wir sind uns einig, dass wir beide unsere Partner lieben und nicht verlieren wollen. Das ist der einzige Grund, warum wir es beim Reden belassen. Er führt eine offene Beziehung, deshalb ist von seiner Seite aus nichts dagegen einzuwenden. 

Nun ist meine Situation etwas anders: mein Mann ist seit vielen Jahren substanzabhängig, ich hab dies erst nach der Geburt unserer Tochter und der Hochzeit erfahren. Abgesehen von den Kosten für die Sucht belasten seine Stimmungsschwankungen unsere Beziehung enorm. Er befindet sich auf meinen Druck hin in Therapie, aber ich merke jetzt, dass diese jahrelange Heimlichkeit tiefe Risse bei mir hinterlassen hat. 

Ich bin ständig dabei, seine Launen unserer Tochter zuliebe auszugleichen oder zu ertragen. Aufgrund seiner Suchtgeschichte ist es nun aber auch so, dass er den größten Teil seiner Jugend nicht so ausgelebt hat wie ich es in meinen 20ern getan habe. Ich bin und war die einzige Frau für ihn. Ich habe Bedenken, ob das wirklich ausreicht. Ich selbst denke schon lange darüber nach, ob ich wirklich für immer monogam leben kann. 

Ich weiß nicht, was ich machen soll – bleibe ich treu, werde ich wahrscheinlich bereuen, nicht noch mal die Leidenschaft zu fühlen, die zwischen meinem Ex und mir herrscht. Ich werde weiter unglücklich darüber sein, dass ich mich so lange nicht mehr begehrt gefühlt habe und nun diese Sehnsucht unerfüllt bliebe. Abgesehen davon kann ich mittlerweile kaum noch schlafen oder essen, weil ich ständig daran denke, mit meinem Ex zu schlafen. Wenn ich es tue, bekomme ich vielleicht doch ein schlechtes Gewissen, weil ich Angst habe, es könnte meinen Mann mehr verletzen, als es sollte. 

Ich weiß, dass ich mit meinem Mann darüber sprechen sollte, doch ich weiß einfach nicht wie. Haben Sie einen Rat für mich?

Viele Grüße
Lydia A.

Porträt Dr. Julia Peirano
© Kirsten Nijhof

Dr. Julia Peirano: Der geheime Code der Liebe

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht, anschließend habe ich zwei Bücher über die Liebe geschrieben. 

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Liebe Lydia A.,

es hört sich so an, als wenn Sie gerade sehr zerrissen sind. Sie haben das starke Verlangen danach, mit Ihrem Ex-Freund zu schlafen, und gleichzeitig möchten Sie Ihren Partner nicht verlieren oder verletzen. Durch das körperliche Begehren, das natürlich auch einen entsprechenden Hormonschub mit sich bringt, sind Sie unruhig, können kaum noch schlafen oder essen. Es herrscht also gefühlter Zeitdruck.

Genau hier sehe ich eines der wesentlichen Probleme Ihrer Situation. Wenn man in einer festen Beziehung lebt (in Ihrem Fall sogar mit einem kleinen Kind) und den Wunsch hat, etwas an den Spielregeln dieser Beziehung zu ändern, sollte man sich dabei Zeit nehmen, um den/die Partner:in ins Boot zu holen und ganz sorgfältig darauf zu achten, dass er/sie mit den neuen Spielregeln wirklich einverstanden ist. Sonst gefährden Sie Ihre Beziehung.

Sie haben anscheinend schon länger etwas vermisst und damit geliebäugelt, Ihre Sehnsucht außerhalb der Beziehung auszuleben. Ihr Mann ist, wie es klingt, mit ganz anderen Themen beschäftigt, wahrscheinlich mit seiner Tablettensucht und den Ursachen dafür. Wenn Sie Ihren Mann jetzt also dazu drängen würden, schnell einer Öffnung der Beziehung zuzustimmen, weil Sie es nicht mehr aushalten und möglichst bald mit Ihrem Ex-Freund schlafen wollen, dann bedeutet das eine Gefährdung Ihrer Beziehung.

Es braucht in der Regel Zeit, oft Monate oder sogar Jahre, bis beide Partner sich dazu entschließen, die Beziehung zu öffnen. Es müssen Bedenken geäußert, Vorstellungen abgeglichen, Ängste durchlebt werden – das braucht Zeit. Und dabei ist es auch wichtig, dass beide sich mit der Vorstellung anfreunden, dass der/die andere mit anderen Menschen Sex hat. Und man muss klären, ob man davon erfahren wollen würde, ob man ein Mitspracherecht haben möchte (z.B. nicht im Freundeskreis; keine Affären, sondern nur kürzere sexuelle Abenteuer) oder dem anderen völlig freie Bahn lässt.

Das alles muss erst einmal in der Vorstellung stimmen, und dann kann man sich zusammen dahin bewegen, erste Experimente zu starten und sorgfältig zu prüfen, ob der/die Partner:in sich damit wohlfühlt. Wenn nicht, muss man neu verhandeln oder es ganz lassen.

Ihre Situation ist anders. Sie verspüren den großen Wunsch, möglichst bald mit Ihrem Ex-Freund zu schlafen und wollen davon auch nicht abweichen. Und wohin das führt, steht in den Sternen bzw. hängt davon ab, wie Sie und Ihr Ex-Freund sich verstehen. Ihr Mann hätte dabei wahrscheinlich kein Mitspracherecht, sondern müsste es ertragen, ob es ihm gefällt oder nicht. Sie setzen ihm sozusagen die Pistole auf die Brust, wenn Sie es jetzt schnell ansprechen, um eine Absolution zu bekommen.

Damit begehen Sie eine große Beziehungsverletzung: Sie ziehen die Außenmauern der Beziehung neu. Eigentlich sollten Sie und Ihr Mann zusammen in einem inneren Raum sein und Grenzen nach außen haben, die Sie gemeinsam festlegen. Jetzt haben Sie in Gedanken schon sich und Ihren Ex-Freund zusammen eingemauert und dabei Ihren Mann ausgesperrt.

Wie würden Sie sich fühlen, wenn Ihr Mann Sie in diese Situation bringen würde? Wenn er sagen würde: Ich habe da eine Frau getroffen, mit der ich unbedingt schlafen will. Ich brauche schnell deine Zustimmung! Was würden Sie sich von ihm wünschen, wenn er in dieser Situation wäre? Wahrscheinlich wäre Ihre Antwort, dass Sie sich Rücksichtnahme und Respekt wünschen, und dass Sie die Freiheit haben wollen, in Ruhe Ja oder Nein dazu zu sagen und beides wäre in Ordnung.

Insofern würde ich Ihnen, auch in Bezug auf Ihre kleine Tochter, raten, den Druck rauszunehmen und Ihren Ex-Freund erst einmal sozusagen auf Eis zu legen. Sie haben viele Themen für eine Paartherapie, und zwar die Sucht, die Stimmungsschwankungen Ihres Mannes, Ihre fehlende sexuelle Anziehung ihm gegenüber und Ihr Wunsch nach Zärtlichkeit und Nähe.

Bringen Sie das am Besten in einer Paartherapie auf den Tisch und nehmen Sie sich Zeit, gründlich daran zu arbeiten. Und wenn es in der Paartherapie deutlich wurde, was Ihnen fehlt, könnten Sie zu einem passenden Zeitpunkt auch Ihren Wunsch äußern, die Beziehung zu öffnen und sehen, wie Ihr Partner reagiert.

Zwei Buchtipps

Ich hoffe sehr, dass Sie sich zu einem besonnenen und verantwortungsbewussten Umgang mit der Situation entschließen können, auch wenn die Leidenschaft gerade mit Ihnen durchgeht. Das ist keine einfache Aufgabe, aber Sie selbst, das zukünftige Verhältnis mit Ihrem Mann und Ihre Tochter werden es Ihnen danken.

Herzliche Grüße
Julia Peirano

 

*Dieser Artikel enthält sogenannte Affiliate-Links zu Produkten in Online-Shops. Klickt ein Nutzer darauf und kauft etwas, erhält der Verlag eine Provision vom Händler, nicht vom Hersteller. Wo und wann Sie ein Produkt kaufen, bleibt natürlich Ihnen überlassen.

PRODUKTE & TIPPS