Bochumer Film- und Fernsehwissenschaftler analysieren Pornofilme
Was haben eigentlich Platons Höhlengleichnis und ein Pornofilm gemeinsam? Beide versetzen den Zuschauenden in einen narzisstischen Zustand, in dem nicht mehr zwischen Vorstellung und Wahrnehmung differenziert werden kann und der Körper des Betrachters keine Grenze mehr hat. Der Zuschauer lässt sich viel mehr vom Lustprinzip des Unbewussten steuern. Klingt ziemlich wissenschaftlich? Ist es auch - und beweist, dass man sich dem Thema Pornographie auch anders nähern kann, als mit geöffneter Hose vor dem heimischen Fernseher.
Auch die letzte Sitzung des Hauptseminars »Pornographischer Film« ist sehr gut besucht -trotz Semesterferien. »Besonders die ersten Sitzungen waren rappelvoll«, weiß Volker Arndt, der in Bochum Film- und Fernsehwissenschaften (FFW) studiert. Den Studi wundert's nicht, das fast 70 Leute den Weg ins Seminar fanden: »Da haben wir nämlich das Material angeguckt.« Doch als Fleischbeschau war das Seminar nicht geplant. Arndt vertritt eher eine nüchterne Betrachtungsweise: »Was ist denn schon dabei, einen Porno zu analysieren? Das ist doch nichts anderes, als wenn ich mir einen Streifen a la ,Die Hard' anschaue und den dann auseinander pflücke.« Fast immer rein wissenschaftlich näherten sich die FFW'ler einem Phänomen, das ebenso alt ist wie das der bewegten Bilder. Vor allem die historische Komponente rief bei den Studenten ein wenig Erstaunen hervor. »Das hätte ich nicht gedacht. Für die damalige Zeit verdammt gewagt. Das wurde sogar draußen gedreht«, kommentiert Birgitt Kaffke das Gesehene. Auch schon damals war ein Pornofilm eben ein Pornofilm, ohne dabei auf »Genitalien im Vollzug« zu verzichten.
Ein anthropologisches Grundbedürfnis
Nach der Empirie folgte die Analyse. »Was macht eigentlich den Pornofilm aus? Wurde er nachvertont? Ist der Film nur eine Aneinanderreihung nicht zusammenhängender Sexszenen oder ist auch eine Handlung erkennbar?«, waren nur einige Fragen, mit denen sich die Film- und Fernsehwissenschaftler im Laufe des Blockseminars beschäftigten. Doch auch die öffentliche Diskussion über Pornofilme und ihre Wirkung auf die Gesellschaft thematisierten die Bochumer Studenten in zahlreichen Referaten. Dozentin Dr. Eva Hohenberger bringt es auf den Punkt: »Ist es vielleicht ein anthropologisches Grundbedürfnis, anderen beim Ficken zuzusehen?« Die Wissenschaftlerin hat ihre eigene Erklärung für die öffentliche Diskussion über die unverblümte maximale Sichtbarkeit: »Wir reden über Pornographie, um uns davon zu vergewissern, ob wir überhaupt noch Werte haben.«
In der Abschlusssitzung des Hauptseminars wird eines allerdings sehr deutlich: Endgültige Ergebnisse über die Auswirkungen von Pornographie auf die Verrohung der Gesellschaft, wie sie viele sozialwissenschaftliche Studien herausgefunden haben wollen, lassen sich nicht ausmachen. Vielleicht hilft da eine viel nüchternere Betrachtungsweise. »Männer schauen zwar Pornos, gucken aber auch Fußball«, will einer der Seminarteilnehmer für sich herausgefunden haben. Auf die Frage, ob das auch für Frauen gilt, weiß er allerdings keine Antwort. (sf)