diplomand Diplomand des Monats: Christian Sprute

geb. geb.17.01.1969

Universität Oldenburg

Sozialwissenschaften

christian.sprute@gmx.de

Zur Person:

Alles in der Welt ist doch Theater, oder? Unternehmensberater haben ständig mit sehr verschiedenen Leuten in Ihren Projekten zu tun und benötigen ein gehöriges Maß an schauspielerischen Fähigkeiten. Da ist es doch naheliegend, wenn einige Theaterleute den umgekehrten Weg gehen und Berater werden.

So auch ich. Nach meiner Geburt am 17.01.1969 habe ich früh angefangen zuerst meinen Eltern eine gehörige Portion »Theater zu machen«. Danach konnte ich meine schauspielerischen Qualitäten in der Schule soweit weiter entwickeln, dass mir 1988 die Allgemeine Hochschulreife erteilt wurde. Bei der Marine (1988-1990) konnte ich den obersten Offizier meiner Einheit davon überzeugen, mich zum Segeln auf die Gorch Fock zu versetzen. Während meiner Ausbildung zum Industriemechaniker (1990 - 1993) und zeitgleichem jugendpolitischen Engagement entschloss ich mich Bildungsreferent zu werden.

Ich kostete für sieben Lebensjahre alle Vorteile eines Doppelstudiums der Diplom-Sozialwissenschaften und Diplom-Pädagogik in vollen Zügen aus. Meine Studienschwerpunkte waren die Systemische Organisationsberatung, Betriebliche Weiterbildung, Jugendbildungsarbeit sowie Theaterpädagogik. Meinen Traum, in Kanada Ski zu fahren, zu wandern und am Loose Moose Theatre von Keith Johnstone mitzuarbeiten, erfüllte ich mir während eines Auslandsstudiums. Die gesamte Studienzeit wurde mir durch ein Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung finanziell erleichtert.

Gegenwärtig arbeite ich als Assistant Consultant bei der Unternehmensberatung Dr. Meyer & Partner GmbH in Hannover und wirke u.a. bei der Eventplanung der Gründungsveranstaltung einer Multimediagesellschaft für Niedersachsen/ Bremen mit. Mein Wunsch ist, ein engagierter Unternehmensberater zu werden, der imstande ist, eine nachhaltige und sozialverträgliche Unternehmensentwicklung zu entwickeln und zu implementieren, die wirtschaftliche Ziele und gesellschaftliche Strukturen berücksichtigt. Ein Einstieg bei einer renommierten weltweit agierenden Unternehmensberatung ist mein Berufswunsch.

Das Interventionspotential des Unternehmenstheater in der Organisationsberatung

Seit einigen Jahren gibt es eine ungewöhnliche Liason zwischen der Wirtschaft und der Kunst, die sich in dem Begriff Unternehmenstheater manifestiert. Mit dem Terminus Unternehmenstheater bezeichne ich den Einsatz aller Theaterformen in Organisationen, bei denen es zu einer Aufführung kommt. Das Unternehmenstheater umfasst den Theatereinsatz in Wirtschaftsunternehmen, aber auch in Verbänden wie z.B. dem Arbeitgeberverband zur (gezielten) Unternehmenskommunikation nach innen. Organisationsmitglieder schauen sich das Theater auf Betriebsfesten, Betriebsversammlungen, Jahrestagungen, Fortbildungen, Konferenzen oder speziellen Tagesveranstaltungen (z.B. zur Unternehmenskultur) an. Die Theaterveranstaltung gehört zur Arbeitszeit und ist für die Organisationsmitglieder eine Pflichtveranstaltung. Mit den Theateraufführungen sollen organisationsbezogene Themen wie z.B. bevorstehende Fusionen, Probleme wie die Marktsättigung, Konflikte und Latenzen oder neue Herausforderungen wie z.B. die Deregulierung des Strommarktes der Organisationsumwelt für alle zuschauenden Organisationsmitglieder sichtbar dargestellt werden. Ziel ist es, die Organisationsmitglieder auf die Thematik einzustimmen, damit Veränderungsprozesse in Organisationen besser umgesetzt werden können. Fast alle in Deutschland operierenden internationalen Unternehmen und Unternehmensberatungen haben inzwischen das Unternehmenstheater als Instrument zur Einleitung bzw. Unterstützung von Organisationsveränderungen bedient, wenn man sich die Referenzlisten der Anbieter anschaut.

Unternehmenstheaterstücke werden für einen bestimmten Bedarf geschrieben, inszeniert und in der Regel nur einmalig aufgeführt. Meistens stehen professionelle Schauspieler auf der Bühne, die in fiktiven Rollen Unternehmenscharaktere oder abstrakte Figuren wie den Markt, den Return on Investment oder Unternehmenshierarchien darstellen. Manchmal stehen ausgewählte Mitarbeiter selbst auf der Bühne. Neben dieser Art des schauspielerischen Unternehmenstheaters gibt es sozusagen partizipative Formen des Unternehmenstheaters, bei dem Mitarbeiter nach einer bestimmten theaterpädagogischen Methode ein vorher festgelegtes Ziel wie z.B. das Konfliktmanagement oder die Teamarbeit bearbeiten und anschließend für die Betriebsöffentlichkeit szenisch aufführen.

Meine Diplomarbeit ist der Versuch eines »Spagats« zwischen abstrakter Theorie und konkreter Empirie. Sie hat den Anspruch, sowohl das Interventionspotential bzw. die Wirkungsweisen des Unternehmenstheaters theoretisch zu begründen, als auch einen empirischen und geordneten Überblick über alle Anbieter und Produkte des Unternehmenstheaters im deutschsprachigen Raum zu geben und dabei zwei wesentliche Theatermethoden (Boal, Moreno) des Unternehmenstheaters in Kapitel 4 beschreibe.

Ein Schwerpunkt meiner Diplomarbeit bezieht sich auf die Frage, welche Bedeutung das Unternehmenstheater als Interventionsmittel in Organisationsberatungsprozessen hat. In Kapitel 1 untersuche ich deshalb, welche Definition von Theater zugrunde gelegt werden muss, wenn Theater als Interventionsmaßnahme fungieren soll.

Dem Unternehmenstheater als künstlerisch-ästhetischem Interventionsinstrument wird von Natur aus insbesondere ein Einwirken auf die Emotionen von Organisationsmitgliedern zugeschrieben (Schreyögg 1999c: 23f). In Kapitel 2 beschäftige ich mich deshalb mit der Bedeutung von Emotionen in Organisationen auf den drei Ebenen Individuum, Gruppe und Organisation, um zu prüfen, ob Gefühle nur personenbezogen sind, oder ob emotionale Wertegefüge auch sozialen Systemen wie Organisationen zugeschrieben werden können. Eine zentrale Frage ist dabei, ob die Handlungs- und Entscheidungsmuster von Personen und Organisationen vorrangig gefühlsdominiert sind oder eher vermeintlich »vernünftigen« Kriterien unterliegen. Man denke nur an Unternehmenskulturen, die mit kollektiven Schuld- und Schamgefühlen die organisatorische Kontrolle regeln oder an Begriffe wie Mitarbeiteridentifikation und Corporate Identity, die eine emotionale Basis haben. Das Unternehmenstheater, könnte dann nicht nur in die psychischen Systeme der Mitglieder, sondern auch in das kollektive Gefühlsleben der Organisation intervenieren. Theoretische Modelle zur emotionalen Wirkungsweise liefert sowohl die Gruppendynamik nach Kurt Lewin, die ich in Kapitel 3 anhand seines Modells des Unfreezing-Moving-Refreezing vorstelle, als auch die Theaterwissenschaft mit verschiedenen Katharsiskonzepten, die ich in Kapitel 4 anhand der Zuschauerkatharsis der aristotelischen Tragödie, Morenos Aktionskatharsis und Boals dynamisierenden Katharsis darstelle.

Inwieweit das Unternehmenstheater nicht nur präventiv auf bevorstehende Veränderungsprozesse einzustimmen vermag, sondern auch reflexiv als »Reparaturwerkstatt« für »emotionale Wunden« im sozialen Gefüge der Organisationsmitglieder fungieren kann, wird von mir im Anschluss untersucht.

In Kapitel 5 beschäftige ich mich aus systemtheoretischer Perspektive mit dem kognitiven Interventionspotential des Unternehmenstheaters, indem z.B. das Bühnengeschehen Informationen geben kann, die für die psychischen Systeme als Mitglieder, und das soziale System als Organisation, neu sind und somit irritierend wirken. Unternehmenstheater verstanden als Beobachtungsprodukt zweiter Ordnung könnte zuschauenden Systemen somit einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn über sich selbst und ihre Umwelt bringen.

In Deutschland gibt es derzeit etwa 36 Anbieter (vgl. die Adressenliste im Anhang G) von denen ich im ersten Anhangsteil (A) 21 Anbieter ausführlich mit ihren Beratungskonzepten und Unternehmenstheater-Produkten beschrieben habe. Die auf den Webseiten angegebenen Leistungen der Anbieter reichen von maßgeschneiderten Theaterstücken, Mitarbeitertheater, Stegreifkabarett, prozessorientierte Improvisation, Sketchen und Produktpräsentationen bis hin zu Präsentations- und Rhetorikseminaren mittels Rollenspiele. Den Oberbegriff Unternehmenstheater gliedere ich in Kapitel 6 auf in sechs Formen des Unternehmenstheaters. Die Typologisierung richtet sich weitestgehend nach der von Georg Schreyögg (1999: 16-18). Allerdings habe ich die Kategorien Repertoiretheater und Businesskabarett hinzugefügt. Zum Businesskabarett gibt es mittlerweile drei Anbieter, die ausschließlich Unternehmenstheater in der Kabarettform anbieten, sodass sich eine neue Klassifikation rechtfertigen lässt.

Besonders wichtig ist mir ein Interview in englischer Sprache mit dem bekannten Theaterlehrer Keith Johnstone in Kanada, bei dem ich für ein Jahr in Calgary am Jugendtheater mitgewirkt habe. Das Interview kam zustande, als ich Keith während einer Workshopserie in Norddeutschland im Februar 2000 als freier Übersetzer begleitete. Allgemeine theoretische Fragestellungen wie »Was ist Theater?« und »Was bedeutet Katharsis für das Theater?« als auch spezielle Fragen zu dem von ihm begründeten Improvisationstheater bilden den Schwerpunkt des Interviews. Teile des Interviews habe ich in die Diplomarbeit mit eingebaut. Es soll jedoch für sich stehen und lohnt sich meines Erachtens zu lesen, da Keith einer der letzten lebenden großen Theatermacher des 20. Jh. ist.

Einleitung1. Kapitel: Theater als Intervention

1.1 Was ist Theater?

1.2 Was sind Interventionen?

1.3 Theater zur Überbrückung von Kommunikationssperren in Beratungsprozessen

1.4 Systemische Interventionsformen in der Organisationsberatung und Möglichkeiten des Theatereinsatzes

2. Die Bedeutung von Emotionen in Organisationen

2.1 Emotionale Kompetenz und Lernen bei Individuen

2.2 Emotion und Teamarbeit

2.3 Emotionaler Widerstand in Organisationen

2.4 Kommunikationen in sozialen Systemen

2.5 Fazit zu Emotionen in Organisationen

3. Unternehmenstheater zur Einleitung von Veränderungs- und Lernprozessen4. Die Modelle der Katharsis

4.1 Aristotelische Observationskatharsis

4.2 Jakob Levy Morenos therapeutische Aktions- und Integrationskatharsis

4.2.1 Die Bedeutung von Morenos Psychodrama für Lernprozesse auf der Interaktionsebene

4.2.2 Die Bedeutung von Morenos Psychodrama für Lernprozesse auf der Organisationsebene

4.3 Augusto Boals Theater der Unterdrückten

4.3.1 Boals Konzept der dynamisierenden Katharsis

4.3.2 Die Bedeutung des Theaters der Unterdrückten für Organisationslernen

4.3.3 Die Praxis des Theater der Unterdrückten im Unternehmenstheater

5. Unternehmenstheater als Beobachtung zweiter Ordnung

5.1 Unternehmenstheater mit Schauspielern als Beobachtungsprodukt zweiter Ordnung

5.2 Partizipatives Unternehmenstheater als reflexive Selbstbeobachtung

6. Typen des bedarfsorientierten Unternehmenstheaters

6.1 Bedarfsorientierter Theatereinsatz in Unternehmen

6.2 Formen des Unternehmenstheaters in Frankreich

6.3 Die sechs Grundtypen des Unternehmenstheaters in Deutschland

6.3.1 Unternehmenstheater mit professionellen Schauspielern

6.3.2 Repertoire-Theater

6.3.3 Mitarbeiter- und Managertheater

6.3.4 Business-Kabarett

6.3.5 Improvisiertes Unternehmenstheater

6.3.6 Mitspiel- und Werkstatt-Theater

7. Unternehmenstheater als Interventionsmittel - ein abschließender Blick

7.1 Unternehmenstheater im Change-Management aus Sicht der Empirie

7.2 Unternehmenstheater in der Organisationsberatung aus systemtheoretischer Sicht

LiteraturAbbildungsverzeichnis

ANHANG

A. Anbieter und Produkte von Unternehmenstheater im deutschsprachigen Raum

A.1 Quellengrundlage

A.2 Unternehmenstheater mit professionellen Schauspielern

A.3 Repertoiretheater

A.4 Mitarbeiter- und Managertheater

A.5 Business-Kabarett

A.6 Improvisiertes Unternehmenstheater

A.7 Mitspiel- und Werkstatt-Theater

B. Leitfragebogen für Anbieter des UnternehmenstheatersC. Interviews

C.1 Interview mit Malte Leyhausen vom Kabarett der Wirtschaft am 19. Nov. 1999

C.2 Interview mit Christian Hoffmann dem Leiter von SpielPlan am 01. Dez. 1999

C.3 Interview mit Frau Engel vom Dein-Theater am 19. Dez. 1999

C.4 Interview mit Hannes Eimert, dem künstlerischen Leiter des Unternehmenstheaters am Dein-Theater am 05. Jan. 2000

C.5 Interview mit Andreas Ebbers und Stefan Höslinger von der Unternehmensberatung Peter Peters & Freunde aus Münster am 21. Dez. 1999

C.6 Interview mit Gosia Schnelle am 20. Dez. 1999

C.7 Interview mit Gustav Klötzl, dem Leiter der 3P-Beratungsgruppe am 15. Jan. 2000

D. Anschreiben an alle AnbieterE. Interview mit Keith Johnstone am 21./22. Feb. 2000F. Medien zum UnternehmenstheaterG. Adressenliste von Anbietern des Unternehmenstheaters

Diplomarbeit: Das Interventionspotential des Unternehmenstheater in der Organisationsberatung

Hochschule: Universität Oldenburg

Institut: Soziologie und Sozialforschung

Fachbereich: Sozialwissenschaften

Art der Arbeit: Diplom

Abgabe: August 2000

Bearbeitungsdauer: 6 Monate

Seitenzahl: 343

Note: 1

Preis: 423,72 ?

Preis für Studierende: 211,86 ?

Bestellnr.: 70402687

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