Henriette Hell: Was ich über Sex gelernt habe In Miami gilt: Sexy sein - oder du bist unsichtbar

  • von Henriette Hell
Es gibt Orte auf der Welt, wo die inneren Werte eben doch erst an zweiter Stelle kommen. Eine besondere Erfahrung machte Henriette Hell damit in South Beach, Miami.

Kürzlich urlaubte ich an einem der oberflächlichsten und sexiesten Orte der Welt: South Beach, Miami. The City where the Heat is on. Sang schon Will Smith. Ich war also voller Vorfreude auf heiße Nächte in aufregenden Bars, Flirts am Strand und Flanieren in irgendeinem viel zu kurzen Fummel auf der mondänen Lincoln Road. Das Leben genießen. Und die Blicke der Männer. Aber daraus wurde leider nichts! American Airlines verbummelte mein Gepäck und hielt es fünf (!) Tage lang als Geisel am Flughafen fest. Meinen ersten Urlaubstag verbrachte ich also nicht in einem bitchigen Dress am Beach – so wie es sich gehört – sondern in denselben Sachen, die ich bereits auf meiner 16-stündigen Hinreise getragen hatte: eine rote, ausgebeulte Pluderhose und ein graues Schlabbershirt. Ich war die Lisa Plenske von Miami.

Dennoch beschloss ich, den Abend in einer schicken Cocktailbar ausklingen zu lassen. Immerhin war ich in Miami! Das war jedoch leichter gesagt als getan – denn irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass meine ungeilen Klamotten eine Art Tarnkappe waren, die mich für "Miamianer" unsichtbar machten.

Unsichtbar

Am Eingang der schicken Hotelbar hielt mir beispielsweise niemand die Tür auf. Auch der Türsteher ignorierte mich komplett – zwischen all den braungebrannten, topgestylten, mitunter auch operierten Damen im Kim-Kardashian-Gedächnislook erschien ich überhaupt nicht auf ihrem Radar. Während also die "normalen" weiblichen Besucherinnen (die alle aussahen, als wären sie gerade dem "Sports Illustrated"-Katalog entstiegen) vor Clubs minutenlang gefilzt und angeflirtet wurden, konnte ich einfach so durchgehen. 

Tja, und drinnen? Zwischen all den heißen Babes in ihren Killer-Heels hätte ich vermutlich einen Striptease an der Stange hinlegen können – niemand hätte mich bemerkt. Ich blieb unsichtbar! Erst, als ich den Barkeeper am Ärmel zog, bemerkte er mich – und verlangte prompt meinen Personalausweis: "Bist du schon 21?", wollte er wissen. "Du siehst aus wie 16!" Meinen Perso, in dem steht, dass ich 1985 geboren wwurde, hielt er für eine Fälschung und weigerte sich glatt, mir einen Mojito zuzubereiten. Also zog ich von dannen. Und gönnte mir unterwegs eine Sprite bei Burger King. Kleine Info am Rande: In Miami Beach ist Burger King sowas wie der Obdachlosen-Hotspot. Hier war ich DER Hingucker.

Es hilft nur eins: shoppen – und zwar richtig

Auch am nächsten Tag war mein Koffer noch nicht in Sicht. Trotzdem hatte ich – immer noch in Turnschuhen, langer Hose und ohne Sonnenbrille unterwegs – Lust auf einen Strandspaziergang. Die Sonne brannte. Ich band mir daher einen Turban aus einem Halstuch, um keinen Sonnenstich zu bekommen. Damit sah ich nun endgültig aus wie ein Freak. Eine Mischung aus Hippie, Taliban und Guru. Es hagelte mitleidige Blicke von allen Seiten. So ging es den ganzen Tag weiter: Taxifahrer übersahen mich. Verkäuferinnen in Boutiquen ignorierten mich. Kellner schnitten mich. Ich konnte meinen Frust nicht mal in Alkohol ertränken – mir verkaufte ja keiner was.

Nachdem mein Gepäck auch nach vier Tagen weiterhin verschollen blieb, sah ich mich gezwungen, mir eine komplett neue Garderobe zuzulegen. Und die fiel aufgrund der sehr speziellen Auswahl, der Verkäufer, die einen geradezu anfeuern ("Oh my god – you look awesome in this dress. You have to wear it with heels!") sowie der Hitze ziemlich gewagt aus. Ganz ehrlich? Etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können. Ich hatte mich mal eben komplett neu erfunden, war eine neue, sexiere Version meiner selbst geworden – und liebte es!

Mein Tipp: Wenn Sie demnächst Mal nach South Beach reisen, nehmen Sie nur das Nötigste mit. Bikini, Sonnenbrille, Strandtuch, das genügt. Kommen Sie unter gar keinen Umständen auf die Idee, Ihre öde Sommergarderobe aus deutschen Landen einzupacken. Gehen Sie vor Ort shoppen – und zwar richtig! T-Shirts mit Aufdrucken wie "I pooped today" oder "I love Miami" zählen nicht. Schlendern Sie durch die schicke Lincoln Road. Setzen Sie sich in eine Bar, trinken Sie Champagner (egal wie pervers hoch die Rechnung ist – man lebt nur einmal!) und lassen Sie sich von den vorbeilaufenden Leuten inspirieren. Wundern Sie sich nicht, wenn Sie Frauen sehen, die im durchsichtigen Spitzen-BH spazieren gehen oder Wuchtbrummen in ultrakurzen Minikleidern. In South Beach zeigt jeder, was er hat – egal, wie viel es ist. Orientieren Sie sich an Stars wie Gigi Hadid oder Rihanna. Vergewaltigen Sie Ihre Kreditkarte und geben Sie richtig Gas. Alles, was Ihnen als braver Deutscher als zu gewagt, übertrieben, gewollt, freizügig oder gar billig erscheint, ist hier goldrichtig. Das werden Sie merken, wenn Sie abends in ihrem neuen Outfit (Merke: Immer zwei sexy Zonen gleichzeitig betonen, also Bein und Dekolleté oder Bein und Bauch usw.) an einer fancy Bar Platz nehmen und den gesamten Abend über keinen Cent für "Sex on the Beach" zahlen. Das übernehmen Ihre Verehrer. So wie es sich gehört.  

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