Streit um das neue Gesicht des Leipziger Campus
Noch prangt sein Kopf am Leipziger Universitätsgebäude, obwohl sein Geist längst nicht mehr den wissenschaftlichen Betrieb regiert: Karl Marx. Das meterhohe Profil mit wehendem Haupthaar war zu Beginn der 70er Jahre das Wahrzeichen der sozialistischen Universität. Heute ist Marx nur noch Fassade und auch das nicht mehr lange.
Marx verschwindet im Hinterstübchen
Die Leipziger Alma Mater will sich zu ihrem 600. Geburtstag im Jahr 2009 in neuem architektonischen Gewand zeigen. Das ist beschlossene Sache. Und Marx wird dann im Hinterstübchen verschwinden. Zerstört werden soll das Relief aber nicht, hat Rektor Volker Bigl versprochen. Denn dann wäre man heute nicht besser als zu Zeiten Walter Ulbrichts.
Der SED-Machtapparat - mit Staatschef Ulbricht - hatte vor 33 Jahren die Sprengung der Paulinerkirche angeordnet. Am 30. Mai 1968 flog das Gotteshaus durch 700 Kilogramm Dynamit in die Luft. Als Hort Andersdenkender, als Brutstätte potenzieller Oppositioneller, war gerade diese Kirche der SED ein Dorn im Auge. An ihre Stelle trat der Nachfolgebau mit dem Marxkopf, und der zeigte deutlich an, welcher Wind in den Vorlesungssälen wehte.
So weit die Vorstellungen für den Neubau der Unifront am Augustusplatz gediehen sind, die Kirche stellt die Bauplaner vor große Probleme. Denn neben der versprochenen neuen Mensa für 900 hungrige Studentenmägen, attraktiven Institutsgebäuden und einer Ladenzone, benötigt die Leipziger Universität dringend eine Aula. Mit der Paulinerkirche besaß sie bis 1968 nicht nur einen sakralen Raum für beide christliche Konfessionen, sondern eben auch einen Versammlungs- und Promotionsraum sowie eine Begräbnisstätte für Professoren.
Warum also die Kirche nicht wieder aufbauen?
Das fragt vor allem der Paulinerverein, in dem sich zahlreiche ehemalige Studenten der 60er Jahre versammelt haben. Laut Satzung ist das Ziel des Paulinervereins, die ehemalige Universitätskirche wieder aufzubauen. Einige von ihnen - wie der Vorsitzende Wolfram Behrend - haben 1968 selbst gegen die Sprengung protestiert und geholfen, Kunstschätze aus der 1240 geweihten Kirche zu bergen. So konnte der Paulineraltar gerettet werden, der nun einige Meter weiter in der Thomaskirche steht.
Allerdings ist man sich im Verein uneins, wie das Vorhaben verwirklicht werden soll. So riefen ohne Wissen des Vorsitzenden vor kurzem einige Mitglieder in der lokalen Presse dazu auf, das Bauwerk originalgetreu wieder aufzubauen. Der Vorsitzende Behrend hält diese Forderung für unrealistisch. Ebenso Unirektor Bigl: »Man kann heute keine Kirche wieder erstehen lassen und dort akademische Feiern abhalten, da die Kirche in unserer multikulturellen Gesellschaft nicht mehr geistiger Mittelpunkt ist«, sagte er kürzlich vor der Presse. Eine Aula, die Elemente der Paulinerkirche aufnimmt, befürwortet er jedoch.
Leipziger Studenten ist Heckmeck ziemlich egal
Die Studenten wollen vor allem einen ansehnlichen und zweckmäßigen Campus. Auch die beiden Studentengemeinden haben eine Unterkunft gefunden. Das Hauptproblem dürfte somit das liebe Geld bleiben. 180 Millionen Mark aus dem Hochschulbauförderungsgesetz fließen in den gesamten Bau, dessen kleiner Teil die Aula ist. Für einen Wiederaufbau der Kirche würde mindestens noch einmal soviel gebraucht, heißt es. Die 25.000 Mark Grundvermögen plus weitere Spenden, die der Paulinerverein in Aussicht stellt, sind da ein Tropfen auf den heißen Stein.
Rektor Bigl wartet erst einmal die Entwürfe des internationalen Architekturwettbewerbs zur Campusgestaltung ab, der im September ausgelobt wird. Ende des Jahres sollen dann die Ergebnisse präsentiert werden. (ahei)