muenster Jugendgefährdende Schweinereien im Institut

Soziologen präsentieren Ausstellung zum Thema Zensur

Soziologen präsentieren Ausstellung zum Thema Zensur

»Dr. Korff erklärt, was andere verschweigen: Die schärfsten Wörter der Liebe.« Nein, die Jugendlichen im Jahr 1971 mussten trotz dieser Ankündigung leider noch ein wenig länger auf die Verbalerotik von Dr. Korff warten. Auch wenn die Bravo, damals noch Sprachrohr einer turbulenten Jugendbewegung, sie mit einer großen Schlagzeile ankündigte - auf den Markt kam diese Ausgabe nie. Für uns heute kaum verständlich, damals ein Aufschrei der Sittenwächter. Das Titelbild der Bravo Nr. 18 ist nur eines von rund 15.000 Medienobjekten, das seit den frühen 50-er Jahren auf dem Index gelandet ist.

»Ab 18 - zweimal«, lautet der Titel einer Ausstellung im Institut für Soziologie, die noch bis zum 20. Februar zu sehen ist. In Zusammenarbeit mit der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen hat der Kunsthistoriker und Soziologe Dr. Roland Seim in einem Seminar das Thema Zensur zum Gegenstand der wissenschaftlichen Betrachtung gemacht. Das Ergebnis: Ein eindrucksvoller Beweis für ein Phänomen, das es so in Deutschland laut Gesetz eigentlich nicht geben dürfe. »Meines Erachtens führt eine logische Entwicklungslinie vom 1559 geschaffenen, berühmt-berüchtigten Index librorum prohibotorum der katholischen Kirche zum Gesamtverzeichnis der indizierten Schriften der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und Medieninhalte in Bonn«, so Seim provokant.

Schon diese Aussage macht deutlich, welche moralische Aussage hinter der Ausstellung liegt. Dabei vermeiden es die Organisatoren, den Zeigefinger zu erheben, vielmehr sprechen die Exponate der Ausstellung für sich. Filmplakate, Werbefotos, Buchcover, Comics und Plattenhüllen werden in ihrer originalen und der zensierten, veränderten Fassung gezeigt. In Sütterlin skandierende Soldaten aus Asterix-Heften sind ebenso zu sehen wie lächelnde Nackedeis aus der RTL II-Werbung. Es soll »ein Gespür für die mehr oder weniger dezenten Eingriffe bestimmter Interessengruppen in Toleranz und Freiheiten« erschaffen werden, betont Seim.

Zensur bedeutet für Seim und seine Mistreiter aber nicht nur der staatliche Eingriff, der nach Artikel 5 des Grundgesetzes ja sowieso verboten ist beziehungsweise sein soll. Auch die zahlreichen privaten Organisationen und das Bewusstsein der Medienmacher, irgendwann auf dem Index landen zu können, würden fatale Wirkungen haben. Dass man bei der Kritik der Zensur immer auf schmalem Grat wandelt, ist auch den Veranstaltern klar. Kinderpornografie, Neofaschismus und Gewaltverherrlichung liegen in den Nischen der Verantwortbarkeit. Die Frage bleibt, ob nicht erst durch die Faszination des Verbotenen verfolgten Medien unangemessenes Interesse zukomme.

Im Fall der Bravo aus dem Jahre 1971 ist aber auch heute noch alles eindeutig. Zwar dürfte Dr. Korff heute keine Probleme mehr bekommen, wenn er die schärfsten Wörter der Liebe öffentlich preis geben würde, im Handel würde die Ausgabe trotzdem nicht landen. Ein schmachtender, aus braunen Augen sehender und mit feschem Seitenscheitel versehender Fritz Wepper auf dem Titelblatt wäre auch heute noch ein Verstoß - wenigstens gegen den guten Geschmack. (mk)

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