Heute hat der Versicherungsmann bei Familie Muster leichtes Spiel. Die Nachbarin erlitt vor zwei Monaten einen Schlaganfall und liegt nun als schwerer Pflegefall im Heim. Die gesetzliche Pflegeversicherung übernimmt zwar 1432 Euro im Monat, doch das reicht nicht, ihre Pflege kostet rund doppelt so viel. Um die Differenz zahlen zu können, werden jetzt nach und nach die Ersparnisse aufgelöst. Der Mann von der Versicherung sagt: Hätte Ihre Nachbarin bloß rechtzeitig eine private Pflegeversicherung bei mir abgeschlossen. Sie wäre jetzt erster Klasse untergebracht, und ihr Geld bliebe auf der Bank.
Herrn und Frau Muster leuchtet das ein. Sie unterschreiben. Wie viele andere auch. Rund 850.000 Policen für Zusatzversicherungen im Pflegefall haben die privaten Krankenversicherer im vergangenen Jahr verkauft. So viele wie noch nie.
Es hat sich eben herumgesprochen, dass die gesetzliche Pflegeversicherung (in die jeder Arbeitnehmer 1,7 Prozent seines Bruttolohns einzahlt) nur einen Teil der Kosten deckt. Je nachdem, in welche Stufe der Pflegefall eingeordnet wird, zahlt die Gesetzliche zwischen 384 Euro und 1432 Euro monatlich.
Fast immer zu wenig: Wer beispielsweise in einem Heim untergebracht ist und unter die Pflegestufe II fällt (mindestens dreimal täglich Hilfe benötigt für insgesamt drei Stunden), erhält aus der Gesetzlichen 1279 Euro. Die tatsächlichen Kosten liegen laut Finanztest bei durchschnittlich 2150 Euro. Bleiben 871 Euro, die aus dem eigenen Portemonnaie gezahlt werden müssen.
Also auf jeden Fall eine Pflegezusatzversicherung abschließen?
Nicht in jedem Fall. Es gibt zwei Varianten der Vorsorge:
Bevor Sie unterschreiben, sollten Sie aber noch wissen, was der Versicherungsvertreter meist verschweigt: Das Risiko, als Pflegefall zu enden, ist nicht sehr hoch. Nur zwei Millionen Bundesbürger (81 Prozent von ihnen sind über 65 Jahre) sind pflegebedürftig. Knapp ein Drittel (640 000 Menschen) wird in Heimen versorgt. Der größere Teil (1,4 Millionen) wird zu Hause betreut, die meisten davon (60 Prozent) in der Pflegestufe I. "Die Zukunft der Altenhilfe liegt in der Stärkung der häuslichen Pflege und in der stärkeren Einbindung von bürgerschaftlichem Engagement," sagt Hermann Brandenburg, Professor für Gerontologie und Pflegewissenschaft an der Katholischen Fachhochschule Freiburg.
Wer das Pflegefallrisiko eingehen will, für den gibt es eine dritte Variante: privat vorsorgen.Wenn Frau Muster, 40 Jahre alt, ihre 45 Euro Beitrag 30 Jahre lang anlegt (Zinssatz 5 Prozent), hat sie am Ende knapp 37 000 Euro auf dem Konto. Wird sie pflegebedürftig, kann sie damit eine Heimunterbringung der Pflegestufe I zu den heutigen Sätzen fünf Jahre lang bezahlen. Wird sie es aber nicht, kann sie mit Herrn Muster eine Weltreise machen. Hätte sie das Geld in eine Pflegeversicherung gesteckt, wäre es futsch.