Unterwegs mit der Kitchen Guerilla Wie wir mit illegalen Flüchtlingen kochten

In einem illegalen Lager unter einer Autobahnbrücke auf Sizilien leben Flüchtlinge. Aber wie wohnen diese Menschen, und was essen sie? Die Kitchen Guerilla war vor Ort und hat mit ihnen gekocht.
Von Olaf Deharde

Olaf Deharde und die Brüder Koral und Onur Elci sind ein mobiles Kochteam - die 'Kitchen Guerilla'. Sie lieben es, richtig geil zu kochen und zu essen. Und sie bringen Menschen an den unterschiedlichsten Orten zusammen. Denn Essen verbindet. Auf Reisen begegnen sie oft Menschen, die ihre Leidenschaft zum Kochen teilen. Aber die treffen sie nicht in einem schicken Restaurant, sondern an den Brennpunkten der Welt. Für stern Genuss berichtet Olaf Deharde exklusiv über die kulinarischen Abenteuer der Kitchen Guerilla.

Teil 1: Sizilien - Kochen mit illegalen Flüchtlingen.

Auf Lampedusa werden täglich Flüchtlinge aufgenommen, die von der Küste Libyens über das Mittelmeer nach Europa flüchten. Mit klapprigen Booten, meist ohne Kompass, ohne Instruktionen und mit gerade so viel Sprit im Tank, dass sie die Zwölf-Meilen-Grenze überschreiten können. Sobald der Motor den Geist aufgibt, wissen die Menschen an Bord, dass sie mit dem beigefügten Telefon die italienische Küstenwache kontaktieren müssen. Diese ermittelt die Koordinaten und rettet die Leute aufs italienische Festland. Hier angekommen, werden sie sofort nach Sizilien weitergefahren, um dort in Flüchtlingslager aufgeteilt zu werden. Was aber passiert dann mit den Menschen, wie leben sie und vor allem: Was essen sie?

Zwölf Pakistanis links, zwölf Afghanen rechts

Da alle Auffanglager extrem überfüllt sind und wir keine offizielle Erlaubnis bekommen haben, uns im Inneren umzuschauen, haben wir versucht, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die auf sich selbst gestellt sind und sich mit Spenden über Wasser halten - in einem "illegalen" Flüchtlingslager unter einer Autobahnbrücke auf Sizilien. Die Bewohner waren Afghanen und Pakistanis, 24 an der Zahl. Was sehr seltsam war: Das Lager war durch einen Zaun geteilt. Zwölf Pakistanis links, zwölf Afghanen rechts.

Wir kamen gegen Mittag im Lager an, es roch bereits recht interessant nach Essen - und zwar auf beiden Seiten. Nicht eindeutig ausmachbar, was da kulinarisch auf uns zukommen würde, traten wir in den Bereich der "Pakistanis" ein. "Hotel Islamabad" nennen die Bewohner ihre Behausung. Und ja, es machte einen, den Umständen entsprechend, gepflegten Eindruck. Ein extra abgeteiltes Häuschen mit einer improvisierten Küche und einem großen Vorplatz, der zum gemeinschaftlichen Essen einlud.

In der Küche wurde gerade ein frisches Brot zubereitet. "Tschapati" rief der Bäcker uns zu und verriet sein Rezept: Mehl, Wasser, Salz. Simpel, aber gut. Der Teig wird zunächst mehrfach gefaltet und dann in einer Pfanne mit Öl gebacken. Durch die spezielle Falttechnik bekommt das Brot mehrere Ebenen und bleibt so schön saftig. Respekt, was für ein gutes Brot! Der Bäcker kommt extra jeden Tag aus dem nahe gelegenen offiziellen Flüchtlingslager. "Ich wohne hier nicht", sagte er. Er müsse aber helfen, wo er kann. Neben ihm auf dem Feuer stand ein großer Topf, der unser Interesse weckte.

Köstlicher Bratreis mit Hühnchen

Der Bäcker hob den Deckel des Topfes an und es kam uns eine gut gewürzte Duftwolke entgegen. Reis, Kurkuma, Chili, Kreuzkümmel und Hühnchen. "Wow, das riecht super", sagte Koral, und schon saßen wir mit den Bewohnern am Tisch. Jeder bekam eine Portion auf einem Pappteller serviert. Ob das Freestyle-Cooking sei, fragte ich den Koch und er antwortete: "Nein, wir kochen hier nur traditionelle pakistanische Gerichte. Das hier ist 'Birjani' - übersetzt heißt das gebraten." Also ein Bratreis mit Hühnchen.

Während des Essens sprang Koral plötzlich auf und zeigte aufgeregt auf einen Baum, der ins Lager ragte. "Hier wächst Lorbeer - kennt Ihr das? Das ist köstlich im Essen und wirkt desinfizierend." Auch der Koch erkannte den Baum und freute sich mit Koral und mir auf die Neuentdeckung. Die Bewohner wirken sehr entspannt und wir haben Spaß mit den Jungs. Trotzdem müssen wir gehen. Denn wir wollen auch den Afghanen noch einen Besuch abstatten.

"Little Kabul" wird das kleine Lager, einen Betonsockel weiter unter der Autobahn, genannt. Es gab eine kleine Feuerstelle, ein paar Plastiktonnen für Wasser und eine kleine selbstgebaute Hütte aus Holz, Plastik, und Reststoffen, die entweder über Spenden gesammelt oder im Müll gefunden wurden. Wir näherten uns den Menschen, indem wir über Essen sprachen und dem Koch bei der Zubereitung zuschauten. Er vermengte Hühnchen, Dosentomaten, Zwiebeln und Öl - viel Öl. Es blubberte und blubberte und machte bereits den Eindruck fertig zu sein, aber der "Koch" legte munter Holz nach und ließ es blubbern.

Wir wurden in die Hütte gebeten und trauten unseren Augen nicht. Eine lange Tafel war gedeckt, mit Tischdecke, Besteck und allem, was dazugehört. Wir zogen uns im Vorzelt die Schuhe aus und setzten uns auf die Betten, die zu einer Sitzgelegenheit umfunktioniert wurden. Es roch ein wenig muffig, aber die Möglichkeit zu duschen, hatten die Bewohner nicht oft. Dafür war es sehr sauber und gemütlich. Wir waren froh darüber, so herzlich in Empfang genommen worden zu sein. Langsam füllte sich die Tafel mit den Bewohnern und das Essen wurde gereicht. Das Hühnchen schwamm immer noch in zu viel Öl und machte einen eher traurigen Eindruck. Es schien von den Bewohnern keiner ein Talent zum Kochen zu haben - und durch die Abgrenzung zu den Pakistanis wurde auch der Zugang zu guter Küche abgeschnitten.

Drei Zutaten, ein Menü

Bleibt zu sagen, dass mit den einfachsten Zutaten und den wenigsten Handgriffen ein leckeres Essen zubereitet werden kann. Eine teure Küche und edle Messer allein bringen niemanden weiter. Erst wer mit drei Zutaten, einem Topf und Feuer ein schmackhaftes Menü zaubern kann, hat verstanden, wie Kochen funktioniert.

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