Wir versuchen es zunächst mal im Guten: Das vorliegende Essgut besteht aus schierem, mageren Muskelfleisch und ist so zart, dass jedes Filet sich dagegen wie Schuhsohle kaut. Seine Inhaltsstoffe (Muckibuden-Trimmer, aufgepasst) sind geradezu erbaulicher Art: Ganz schicke Proteine sind drin, und zwar in rauen Mengen; da zuckt der Trizeps vor Freude. Aber auch für Freunde der leichten Küche nur gute Nachrichten: Geringe bis kaum noch nachweisbare Bindegewebsanteile machen das Fleisch schnell verdaulich (liebe Top-Manager, ihr könnt nach Verzehr gleich ins nächste Meeting rennen). Und dann der Geschmack: feinwürzig und ein bisschen süß. Mit etwas Madeira-Sauce genossen macht eine Zunge Sie garantiert sehr, sehr glücklich.
Wie bitte? Sie essen Zunge prinzipiell nicht? Nie im Leben kämen Sie drauf, etwas zu essen, was "Tiere mal im Mund hatten" - Och, Mönsch. Dann kommen wir Ihnen jetzt mit einem wohlplatzierten Wutausbruch.
"Vom Rind also bitte nur das Filet, vom Milchlamm nur die Keule, vom Reh nur den Rücken", so zischeln wir durch die Zähne, "so geht's nicht!" Man kann von Tieren nicht immer nur das vermeintlich Beste nehmen und den Rest in die nächste Discounter-Fleischwurst häckseln, auf dass die sich der nächste Beste aufs Brot packen möge. Die Masthühner, deren degenerierte Gelenke die Fleischeslast kaum noch tragen können, verdanken ihre beklagenswerte Existenz ja allein der Tatsache, dass jedermann ausschließlich die Brustfilets verwerten mag und nur noch Freaks aus dem Rest des Vogels eine Brühe kochen. Na ja: Brühe geht ja auch mit Brühwürfeln.
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Kürzlich nachts, ein Traum: Man stand vorm Fleischerstand mit einem Ochsenschwanz in den Fingern, und als da wieder einer kam, der vom Lamm nur das ausgelöste Rückenfleisch haben wollte - da kriegte er den Schwanz um die Ohren, bis er versprach, auch mal Innereien zu probieren. Und sich verpflichtete, an jede Wand zu sprühen: WER KEINE ZUNGE ISST, BEKOMMT AUCH KEIN STEAK.
War nur ein Traum. Sind Sie noch da? Dann noch mal im Guten. Oder lieber: im Göttlichen. Bald ist Pfingsten, was immer 50 Tage nach Ostern gefeiert wird und deshalb so heißt (griechisch "pentekosté" gleich "der 50. Tag"). Und warum feiern die Christen Pfingsten? Weil da der Heilige Geist auf die Erde herabkam. Aber wie kam er auf die Urgemeinde herab, da er doch Geist war und nicht Körper?
Lesen wir in Apostelgeschichte, Kap. 2: "Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind. Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Zungen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen."
Wenn Sie sich nun in Ermangelung eines traditionellen Pfingstgerichtes dazu entschließen könnten, dem Tag entsprechend ein kleines Zünglein É Keine Angst: Sie werden es nicht bereuen, im Gegenteil, wie die Apostel werden Sie eine frohe Botschaft verkünden können: Wie lecker!! Wie zart!! Sie müssen das gar nicht in andern Zungen tun. Auf Deutsch reicht auch.
Zunge - Grundrezept
Für 2-4 Personen
1 oder mehrere Zungen (frisch oder gepökelt, beim Schlachter vorbestellen; frische Lammzungen bekommt man in türkischen Lebensmittelgeschäften mit Fleischangebot); Salz; 1 Bund Suppengemüse; 1 große Zwiebel; 7-8 Gewürznelken; 1-2 Lorbeerblätter
1) So viel Wasser zum Kochen bringen, dass die Zunge damit bedeckt ist. Zunge in das kochende Wasser legen und salzen. (Kochwasser für gepökelte Zungen nicht salzen!) Den aufsteigenden Schaum abschöpfen. Die Zunge im leicht siedenden Wasser garen, bis die Spitze der Zunge auf Druck mit Zeigefinger und Daumen weich nachgibt oder sich mit einer Gabel mühelos durchstechen lässt. Rinderzungen benötigen etwa 3 1/2 Stunden, Kalbszungen 2 1/4-3/4 Stunden, Schweinezungen ca. 2 1/4 Stunden, Lammzungen etwa 70-80 Minuten Garzeit.
2) Suppengemüse und Zwiebel putzen, beides grob würfeln und zusammen mit Nelken und Lorbeer 45 Minuten vor Ende der Garzeit zur Zunge in den Kochfond geben.
3) Die gegarte Zunge aus dem Fond nehmen und in reichlich eiskaltem Wasser 5 Minuten abkühlen lassen, dann die Haut von der noch warmen Zunge ablösen. (Die Zunge muss in Flüssigkeit abkühlen, damit die Haut weich bleibt und sich somit besser ablösen lässt.) Harte und knorpelige Teile abschneiden. Den Kochfond durch ein Sieb gießen und zum Fertigstellen der Gerichte aufbewahren.
Gepökelte Kalbszunge mit roh mariniertem Gemüsesalat
Für 4-6 Personen
1 gepökelte Kalbszunge, ca. 600 g; 1 große Artischocke; 3 EL Zitronensaft; Salz; 150 g Fenchel; 50 g zarte Staudenselleriestangen; 100 g Möhren; 1 Frühlingszwiebel; 5-6 Radieschen; 150 g Kirschtomaten; 3 EL Balsam-Essig; 4 EL Olivenöl; 4 EL Kürbiskernöl; schwarzer Pfeffer aus der Mühle; 50 g Rauke; 1/2 Bund Schnittlauch; 1/2 Bund Kerbel; 8 dünne Scheiben Roggensauerteigbrot; 150 g Ziegenfrischkäse
1) Die Zunge wie im Grundrezept beschrieben garen, häuten und kalt werden lassen. Das Fleisch in sehr dünne Scheiben schneiden.
2) Von der Artischocke alle Blätter abbrechen, die Blattansätze rund um den Boden großzügig abschneiden. Das Heu mit einem Teelöffel aus dem Boden schaben. Artischockenboden in hauchdünne Scheiben hobeln, mit Zitronensaft und etwas Salz durchkneten. Fenchel, Sellerie und Möhren putzen, hauchdünn hobeln und unter die Artischocken mischen. Zwiebel und Radieschen putzen und in dünne Scheiben schneiden. Tomaten halbieren. Alles mit der Kalbszunge, Balsam-Essig, Olivenöl, 2 EL Kürbiskernöl, Salz und Pfeffer mischen, 10-20 Minuten durchziehen lassen.
3) Rauke waschen, putzen und trockenschleudern. Schnittlauch in Röllchen schneiden, Kerbelblätter von den Stielen zupfen.
4) Brotscheiben mit dem restlichen Kürbiskernöl beträufeln, dünn mit Ziegenfrischkäse bestreichen, grob pfeffern und mit etwas Schnittlauch bestreuen. Rauke, restlichen Schnittlauch und Kerbel behutsam unter den Salat mischen und diesen mit den Broten servieren.
Zubereitungszeit: ca. 40 Minuten plus 2 Stunden und 45 Minuten Kochzeit plus Zeit zum Abkühlen.
Tipp: Gepökelte gekochte Kalbszunge findet man oft in der Aufschnittheke von Delikatessläden. Oder man bestellt sie fertig gegart beim Schlachter und lässt sie dort in dünne Scheiben schneiden.
Das Heu in der Artischocke lässt sich am leichtesten mit einem Kugelausstecher herausschaben.
Lammzungen-Spieße mit arabischen Aromen
Für 4 Personen
250 g getrocknete Kichererbsen; 8 Lammzungen; 1,5 l Zungenfond; 1 Bio-Orange; 1 Bio-Zitrone; 1 große Frühlingszwiebel; 200 g Kirschtomaten; 30 g Pistazienkerne, 3 Stiele Minze, hellgrün und mit spitzen Blättern (marokkanische Minze); 5 Stiele glatte Petersilie; 5-6 EL Olivenöl; 400 g griechischer Sahnejoghurt; 1 TL Anissamen; Salz; 1 EL Cumin (Kreuzkümmel, gemahlen); 1 EL Paprikapulver, rosenscharf; 1 TL Zimt, gemahlen; 16 frische Lorbeerblätter
Außerdem: 8 lange Grillspieße
1) Kichererbsen ca. 12 Stunden in kaltem Wasser einweichen. Die Zungen wie im Grundrezept beschrieben garen, häuten und abkühlen lassen. Die Kichererbsen abtropfen lassen und im Zungenfond ca. 35-45 Minuten gar kochen. Nach 30 Minuten testen, ob sie schon weich sind.
2) Jeweils die Hälfte der Orangen- und Zitronenschale fein abreiben, 3 EL Zitronensaft und 100 ml Orangensaft auspressen. Frühlingszwiebel und Tomaten putzen und kleinschneiden. Pistazien grob zerstoßen oder hacken. Minz- und Petersilienblätter von den Stielen zupfen und kleinschneiden. Alles mit den abgetropften, möglichst lauwarmen Kichererbsen mischen. 4 EL Olivenöl dazugeben und salzen. Den Salat ca. 20 Minuten durchziehen lassen. Joghurt mit Anis und etwas Salz verrühren.
3) Die Lammzungen der Länge nach halbieren. Cumin, Paprikapulver und Zimt mischen und die Zungen damit einreiben. Jeweils 2 Zungenhälften mit 2 Lorbeerblättern längs auf einen Spieß stecken. Eine große Grillpfanne erst stark erhitzen, dann mit dem restlichen Olivenöl fetten und die Lammzungen-Spieße darin bei starker Hitze auf jeder Seite etwa 3-4 Minuten braten und zum Schluss salzen.
4) Die Spieße mit gewürztem Joghurt und dem Kichererbsensalat servieren.
Zubereitungszeit: ca. 70 Minuten plus 80 Minuten Kochzeit plus 12 Stunden Einweichzeit.
Tipp: Dazu passt in der Grillpfanne geröstetes Fladenbrot.
Beim Einkauf darauf achten, dass die getrockneten Kichererbsen noch ein langes Haltbarkeitsdatum haben. Alte Erbsen brauchen oft eine Kochzeit von 2 Stunden, bis sie weich sind.
Frische Lorbeerblätter sind elastisch und brechen nicht beim Aufspießen.
Wer keine Grillpfanne besitzt, brät die Spieße in einer Bratpfanne.
Panierte Rinderzungenscheiben mit Estragon-Mayonnaise
Für 4 Personen
1 Rinderzunge, ca. 1,5 kg; 2 längliche Schalotten; 125 ml Weißwein; weißer Pfeffer aus der Mühle; 8 Stiele Estragon; 2 Eigelb, zimmerwarm; Salz; 225 ml Traubenkernöl, zimmerwarm; 125 g Magerquark; 6 EL grobkörniger Senf; 1/2 Bund Schnittlauch; Mehl zum Wenden; 2 Eier, verquirlt; 175 g Semmelbrösel, gesiebt (vom Bäcker); ca. 300 g Butterschmalz zum Braten
1) Die Zunge garen, häuten und kalt werden lassen.
2) Schalotten sehr fein würfeln und zusammen mit dem Wein, reichlich grob gemahlenem Pfeffer und 1 Estragonstiel kochen lassen, bis die Flüssigkeit verdampft ist. Den Estragonstiel entfernen und die Schalotten kalt werden lassen. Eigelb und etwas Salz mit den Quirlen des Handrührers verrühren. Das Traubenkernöl unter ständigem Rühren in sehr dünnem Strahl langsam dazugießen. Den Quark unterrühren. 4 Stiele Estragon fein schneiden, mit den kalten Schalottenwürfeln und 2 EL Senf unter die Mayonnaise mischen und eventuell nachsalzen.
3) Die Zunge quer in knapp 2 cm dicke Scheiben schneiden und jeweils auf einer Seite dick mit dem übrigen Senf bestreichen. Restlichen Estragon und Schnittlauch fein schneiden, mischen, auf den Senf streuen und andrücken. Zungenscheiben erst in Mehl wenden und leicht abklopfen, dann durch das verquirlte Ei ziehen und in den Semmelbröseln panieren. Butterschmalz in einer tiefen Pfanne erhitzen und die Zungenscheiben darin auf jeder Seite goldbraun ausbacken. Auf Küchenpapier gut abtropfen lassen und mit dem Mayonnaise-Quark servieren.
Zubereitungszeit: ca. 50 Minuten plus 3 1/2 Stunden Kochzeit plus Zeit zum Abkühlen.
Tipp: Die Zungenscheiben im Backofen bei 80 Grad warmhalten, bis alle Scheiben ausgebacken sind.
Dazu passen Stangenspargel oder junger Kohlrabi und neue Kartoffeln.
Geschmorte Schweinezunge in Tomatensauce
Für 4 Personen
4 Schweinezungen, à 300 g; 150 g Zwiebeln; 3-4 Knoblauchzehen; 200 g Möhren; 4 EL Olivenöl; 1 getr. Chilischote; 1/2 TL gemahlene Gewürznelken; 2 EL Tomatenmark; 300 ml Rotwein; 1 kleine Dose geschälte Tomaten (400 g); 1,2 l Zungenfond; 1 EL Zucker, Salz; 3 kleine Rosmarinzweige, à 10 cm; 2 Lorbeerblätter; 500 ml Milch; 200 g Polenta (Maisgrieß); 40 g Kapern, abgetropft; 1 Stiel glatte Petersilie; 25 g Butter; 75 g Parmesan, gerieben
1) Die Zungen etwa 90 Minuten vorgaren und häuten, dann in jeweils 12 gleich große Stücke schneiden. Zwiebeln und Knoblauch pellen, Zwiebeln grob würfeln, Knoblauch in Scheiben schneiden. Möhren putzen, längs vierteln und in dünne Scheiben schneiden.
2) In einem großen, flachen Topf 2 EL Olivenöl erhitzen. Zwiebeln, Knoblauch, Möhren und zerdrückten Chili andünsten. Zungenstücke, Nelkenpulver und Tomatenmark unterrühren und leicht rösten. Mit Rotwein auffüllen und auf die Hälfte einkochen lassen. Tomaten plus Saft mit einem Schneidstab pürieren, mit 700 ml Zungenfond und Zucker zu den Zungen geben. Salzen und bei milder Hitze im leicht geöffneten Topf 60 Minuten köcheln. Rosmarin und Lorbeer etwa 15 Minuten vor Ende der Garzeit dazugeben.
3) Milch und 500 ml Zungenbrühe mit etwas Salz aufkochen. Polenta langsam einrieseln lassen und mit dem Schneebesen unterrühren. Polenta geschlossen auf kleinster Stufe 45 Minuten ausquellen lassen, dabei ab und zu mit einem Holzspatel umrühren.
4) Kapern abtropfen lassen und mit Küchenkrepp trockentupfen. Petersilienblätter in Streifen schneiden. Kapern kurz vor dem Servieren im restlichen Olivenöl und mit der Butter bei mittlerer Hitze goldbraun braten. Petersilie untermischen. Parmesan unter die Polenta rühren, eventuell nachwürzen, auf vorgewärmte Teller häufen und mit den Kapern bestreuen. Geschmorte Zunge noch einmal abschmecken und dazu anrichten.
Zubereitungszeit: ca. 90 Minuten plus 2 1/2 Stunden Kochzeit.
stern-Wein-Tipp
Von Arno Luik
Künstler-Glück
Koch hat er gelernt, der Beruf machte ihm viel Spaß, und er hat auch Preise für sein Werkeln am Herd abgeräumt, manche sagten verzückt: "ein Künstler". Aber so richtig zufrieden war er nicht. Er wollte draußen arbeiten, wurde Spargelbauer. Aber da war in ihm noch ein ganz anderer Traum: gute Weine machen, nein, richtig große Weine machen - das wollte er. Und 1998 wagte Martin Waßmer den Schritt, kaufte Weinberge im badischen Markgräflerland (ein Vorteil für ihn: sein Vater besaß schon ein paar Hektar), lernte bei den besten Franzosen im Burgund. Und dann - ratzfatz! - katapultierte er sich an die Spitze der deutschen und internationalen Weinszene - und jetzt sagen sehr viele: "ein Künstler". Eine Freude sind Waßmers Weißweine, aber seine Roten sind eine Klasse für sich, sie sind, so muss man es einfach sagen, sensationell. Akribisch arbeitet er für den perfekten Genuss: Ganz extrem reduziert er die Erträge, äußerst schonend werden die handgelesenen Trauben verarbeitet (das beginnt schon damit, dass sie - um sie ja nicht zu verletzen! - in kleinen 10-Kilo-Steigen vom Weinberg in den Keller transportiert werden). Ein Wein, der Lust auf mehr macht: der 2003er Spätburgunder Barrique (12,50 Euro) aus dem Maltesergarten, kräftig und doch süffig-weich zugleich. Mit verblüffend fein-animierender Säure kommt der 2004er Markgräfler Spätburgunder (7,90 Euro) daher, tiefrot schwappt er im Glas, verströmt einen Strauß feiner Aromen. Der Klassiker im Markgräflerland ist der Gutedel, normalerweise ein einfacher Zechwein. Aber Waßmers 2005er Gutedel (4,80 Euro) ist ein Kick mehr: herrlich fruchtig, mit einem tollen Säurespiel - der perfekte Süffeltropfen für jeden Tag, genauer: für die lauen Sommerabende.
6 Flaschen für 55 Euro (frei Haus): 2 x 2003 Schlatter Maltesergarten, Barrique, tr.;
2 x 2004 Markgräfler Spätburgunder, tr.;
2 x 2005 Schlatter Gutedel, tr.
Über: Weingut Martin Waßmer, Am Sportplatz 3, 79189 Bad-Krozingen-Schlatt, Tel.: 07633/152 92, Fax: 133 84; E-Mail: wassmer-krozingen@t-online.de