Landwirtschaftsproteste Mit dem grünen Kennzeichen zur Bauerndemo – ist das Steuerhinterziehung? Der stern hat beim Zoll gefragt

Landesweite Aktion: Bauern starten Protestwoche mit Blockaden – Unverständnis aus der Politik
© Jörg Carstensen / DPA
Sehen Sie im Video: Bauern starten Protestwoche mit Blockaden – Unverständnis aus der Politik.
 
 
 
 
Die Ruhe vor dem Sturm in Berlin. Hier und anderswo in Deutschland wollen Landwirte ab Montag gegen Subventionskürzungen beim Agrardiesel demonstrieren und somit den Verkehr lahmlegen. Der Bauernverband hat in vielen Teilen Deutschlands zu Trecker-Demonstrationen aufgerufen, in deren Folge es zu Staus und Verkehrsbehinderungen kommen soll. Traktoren sollen etwa zahlreiche Autobahnauffahrten blockieren. "Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um", sagte FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner am Samstag. Er verwies darauf, dass die Ampel-Regierung die geplanten Kürzungen zum Teil zurückgenommen habe. Auch in Plaidt in Rheinland-Pfalz waren am Montagmorgen Landwirte im Protestmodus. Ralf Hickmann, Landwirt: "Wir haben in der Landwirtschaft, nicht nur jetzt im Steuerbereich, wir sind extrem im Umwelt- und Tierschutzbereich gefordert. Ist für uns eigentlich kein Problem, machen wir gerne. Aber das, was man von uns will, überfordert uns. Das ist eigentlich jetzt das große Problem, das wir schon seit zwei Jahren erleben. Das geht einfach so leider nicht weiter." Auch die Mitarbeitenden einer Spedition und eines Abschleppdienstes wollten hier am Montag ihrem Ärger Luft machen. Joachim Nessler, Lkw-Fahrer: "Es geht ganz einfach darum, was die Regierung hier so veranstaltet. Die erhöhen uns die Maut, und, und, und. Diesel wird teurer. Das kann ja kein Menschen mehr bezahlen und das geht ja an alle. Das Problem ist halt: Jeder, der einkaufen geht, kriegt das mit, der kriegt das ab. Dadrum geht es heute. Das muss aufhören." Nach einer Blockadeaktion gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck haben verschiedene Politiker und Verbandsvertreter dazu aufgerufen, die Proteste friedlich zu halten.
Gegnerinnen und Gegner der Bauernproteste frohlocken: Wer mit einem von der Kfz-Steuer befreiten Traktor an den Demonstrationen teilnimmt, begehe Steuerhinterziehung. Denn das grüne Kennzeichen gelte nur für landwirtschaftliche Arbeiten. Stimmt das wirklich? Der stern hat beim Zoll nachgefragt.

Die Demonstrationen der Bäuerinnen und Bauern in Deutschland haben begonnen – und nicht jede und jeder unterstützt die Aktionen. Besonders findige Gegnerinnen und Gegner der Proteste haben vermeintlich einen Weg gefunden, den Landwirtinnen und Landwirten an den Karren zu fahren – und zwar ausgerechnet über den Weg der Kfz-Steuerbefreiung für Traktoren, gegen deren Abschaffung sich die Proteste richten.

Kfz-Steuerbefreiung auch bei Teilnahme an Bauernprotesten?

In aller Regel führen die Trecker und andere land- oder forstwirtschaftliche Fahrzeuge ein grünes Kennzeichen, das signalisiert, dass für sie keine Kfz-Steuer fällig wird. Im Gegenzug dürfen diese nur für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke verwendet werden und ausdrücklich nicht zu privaten Zwecken, wie der für die Einziehung der Kfz-Steuer zuständige Zoll erklärt

"Wird ein steuerbefreites land- oder forstwirtschaftliches Fahrzeug vorübergehend zu Zwecken benutzt, die nicht begünstigt sind, handelt es sich um eine zweckfremde Benutzung, die (...) unverzüglich Ihrem zuständigen Hauptzollamt anzuzeigen ist. Eine zweckfremde Benutzung liegt bereits bei einer einmaligen Nutzung zu nicht begünstigten Zwecken vor", stellt der Zoll klar. Es würde mindestens für einen Monat Kfz-Steuer fällig.

Begehen Bäuerinnen oder Bauern also Steuerhinterziehung, wenn sie mit ihren Traktoren kilometerweit durchs Land fahren, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen? Einfach die Fahrzeuge mit ihren grünen Kennzeichen auf Demonstrationen fotografieren, das Hauptzollamt informieren und schon bekommen die Landwirtinnen und Landwirte die Quittung – solche oder ähnliche Aufrufe kursieren in den sozialen Medien unter Kritikerinnen und Kritikern der Proteste.

Aber stimmt das? Der stern hat bei der Generalzolldirektion nachgefragt und eine eindeutige Antwort bekommen: "Eine Teilnahme an Protestaktionen bzw. Demonstrationen zu land- oder forstwirtschaftlichen Themen oder der Energiepolitik ist mit steuerbefreiten Fahrzeugen im Rahmen der steuerunschädlichen Verwendung des § 3 Nummer 7 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) zulässig", erklärt ein Beamter. Kurzum: Eine Steuerhinterziehung liegt nicht vor. Dies wäre nur der Fall, wenn die Aktionen keinen land- oder forstwirtschaftlichen Bezug hätten.