Blutiger Bandenkrieg Schweden ist Bullerbü. Schweden, das sind auch Gangs, die Kinder als Dealer und Mörder rekrutieren

Schweden steht für rote Holzhäuser, helle Sommernächte, einen funktionierenden Wohlfahrtsstaat. Mittlerweile prägt auch Anderes das Land: Gangs, Drogen und Kinder, die auf Kinder schießen.
Eine nicht erkenntliche, männlich gelesene Person läuft im dunkeln vor einem Block-Hochhaus
Der 14-jährige Sam vor einem Wohnturm in seinem Viertel Farsta. Früher verbrachte er viel Zeit draußen. Heute nicht mehr. Man wisse nie, wen man treffe
© Adam Sundman / stern

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Ömer Sarihan steigt in seinen Wagen. Er trägt einen Schal aus feiner Wolle und duftet nach Aftershave, hat sich sorgfältig rasiert und die Lederschuhe geputzt, er ist 66 Jahre alt. Wie jeden Tag macht er sich auf zum Friedhof, wo der Sohn begraben liegt und das Schweigen wartet.

Sarihan fährt über die verschneiten Straßen von Hallunda am südwestlichen Rand von Stockholm, unter Fußgängerüberführungen aus Beton hindurch, vorbei an rot-grauen Wohnblöcken. Hinaus aus der Stadt, bis nur noch die Tannen stumm Spalier stehen. Rechts ein zugefrorener See, am Ufer ein rotes Holzhäuschen, einsam unter silbernem Himmel.

Sarihan ist seit einem Jahr im Ruhestand. Er sagt, er habe sich darauf gefreut. Er habe sich vorgestellt, wie er seinen Sohn jederzeit im Büro würde besuchen können, um Kaffee zu trinken. Es war der 2. März des vergangenen Jahres, als er in Rente ging.

Am 3. März bekam er kurz vor Mitternacht einen Anruf. Am Telefon war die Frau seines Sohnes und schrie. Serdar sei angeschossen worden. Sarihan sagt, er sei ins Auto gestürzt und losgerast, zehn Kilometer. Es habe sich angefühlt, als würde die Straße mit jedem Meter länger.

Erschienen in stern 13/2024