Am vergangenen Samstag war es soweit: Zum ersten Mal in ihren 54 Jahren hat sich Ines S. entschlossen, an einer Demonstration teilzunehmen. Statt wie sonst ins Fitnessstudio zu gehen, setzte sie sich an diesem Nachmittag mit ihrer Schwester und ihrem Schwager ins Auto, auch die 25-jährige Nichte und ihr Freund waren dabei. Familienausflug von Schwerte, einer Kleinstadt im Ruhrgebiet, nach Dortmund.
Ines S. gehört zur stillen Mitte der Gesellschaft, die jetzt ihre Stimme gegen Rechtsextremismus erhebt.
Nach einer halbstündigen Autofahrt angekommen, bemerkte sie schon bei der Parkplatzsuche, dass die Stadt ungewöhnlich voll war. "So eine große Demonstration habe ich in Dortmund noch nie gesehen", sagt sie. Nach Angaben der Polizei demonstrierten dort an diesem Tag 30.000 Menschen. Bundesweit haben am vergangenen Wochenende weit über eine Million Menschen gegen rechts demonstriert.
"Es wird immer aggressiver"
Auslöser für die Proteste war ein Bericht des Medienhauses Correctiv über ein Treffen Rechtsextremer im November in Potsdam. Daran hatten mehrere AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der ultra-konservativen Werteunion teilgenommen. Dort wurde dem Bericht zufolge über "Remigration" gesprochen. Wenn Rechtsextremisten diesen Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang.
Von dem sogenannten "Geheimplan" hat S. im Internet erfahren, wahrscheinlich hat sie eine Nachricht dazu auf Instagram gesehen, so genau weiß sie das heute nicht mehr. Das rechtsextreme Gedankengut kann sie nicht nachvollziehen, sie fragt sich: "Uns geht es gut, wir haben ein gutes Leben, was haben diese Leute gegen Menschen mit Migrationshintergrund?"