Kein käuflicher Sex am Rande der Fußball-Weltmeisterschaft? Selbst für Bayerns Innenminister Günther Beckstein ist diese Vorstellung absurd: "Das kann nicht verhindert werden", erklärte der CSU-Politiker beim Treffen der EU-Innenminister in Brüssel. Aber der schwedische Justizminister Thomas Bodström schlug im Ministerrat genau dies vor. "Das wäre eine gute Idee, um den Menschenhandel zu bekämpfen", riet der Minister und frühere Erstliga-Fußballer den Verantwortlichen in Deutschland.
Mit Bodströms Vorstoß, wie in Schweden die Nachfrage nach käuflichem Sex zu verbieten, bekommt das europäische Vorgehen gegen den internationalen Menschenhandel einen neuen Impuls. Die Idee steckt bereits in einem Strategiepapier, das die EU-Kommission im Oktober für einen späteren Aktionsplan vorlegte: Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten "die Beseitigung jeglicher Form von Ausbeutung, einschließlich der sexuellen Ausbeutung (...), sowie der Nachfrage danach" anstreben, heißt es in der Kommissionsvorlage.
"Nachfrage bekämpfen"
Bei Experten trifft dies auf Zustimmung. "So lange man nichts tut, um die Nachfrage zu bekämpfen, wird man des Problems nicht Herr", meint der Migrationsfachmann von Caritas Europa, Peter Verhaeghe. Anders gesagt: Wo kein Freier für junge Frauen aus Osteuropa zahlt, wird auch kein Menschenschlepper neue Opfer in den Westen locken.
Das Bundeskriminalamt (BKA) zählte im Jahr 2004 insgesamt 972 Opfer des Menschenhandels - und das waren nur die polizeibekannten Fälle. Die meisten von ihnen kamen aus Osteuropa, viele aus Bulgarien. "Statistisch gesehen werden 13,8 von 100 000 bulgarischen Frauen zwischen 15 und 30 Jahren Opfer des Menschenhandels in Deutschland", heißt es in einem BKA-Bericht. Und in dieser Zahl sind die Dunkelziffer und andere EU-Staaten noch nicht enthalten.
Huren werben via Internet oder Mundpropaganda
In Schweden habe die Strafandrohung für Freier den Handel mit jungen Frauen erfolgreich eingedämmt, hob Justizminister Bodström hervor. Tatsächlich ist die Straßenprostitution in Stockholm und Göteborg seit Ende der 90er Jahre deutlich zurückgegangen. Aber völlig verschwunden ist die Prostitution nicht. Ab und an hebt die Polizei illegale Bordelle aus. Huren werben via Internet oder Mundpropaganda. 2004 wurden immerhin noch 156 Kunden sexueller Dienstleistungen angeklagt und 66 verurteilt.
"Es ist schwieriger geworden. Die Frauen werden zu den Kunden gefahren", räumt ein Beamter aus Bodströms Ministerium ein. Strafen für Sex-Kunden könnten deshalb nur einen Teil des Problems lösen, meint Caritas-Experte Verhaeghe. Vor allem müsse auch den Opfern geholfen werden. Sie würden in vielen EU-Staaten noch als illegale Einwanderer angesehen und selbst juristisch verfolgt.

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Suche nach käuflichem Sex erschweren
Trotz mancher Probleme will der österreichische EU-Ratsvorsitz die Vorschläge Bodströms weiter verfolgen. Schon häufiger wurde aus der Initiative eines einzelnen Mitgliedstaats ein EU-Gesetz. Fachleute in Brüssel schließen nicht aus, dass Strafen für Freier eines Tages Teil einer EU-Regelung gegen den Menschenhandel werden könnten. Finnland, derzeit noch Ziel mancher Schweden auf der Suche nach käuflichem Sex, bereitet schon ein Verbot nach schwedischem Vorbild vor. Und die Finnen übernehmen im Juli den EU-Vorsitz.
Bis zur Fußball-Weltmeisterschaft in diesem Sommer wird daraus aber sicher nichts mehr werden. Dort gilt der Appell des schwedischen Ministers an seine Landsleute: "Wir hoffen, dass so wenig schwedische Männer wie möglich nach Deutschland fahren, um etwas anders zu tun als Fußball zu schauen und - in Maßen - Bier zu trinken."