Evangelischer Kirchentag "Empören Sie sich auch in der Türkei!"

Von Zacharias Zacharakis
Es sollte eine freundliche Podiumsdiskussion werden, ein Zeichen für Integration und Toleranz auf dem Evangelischen Kirchentag in Köln. Doch dann gerieten Bischof Huber und seine muslimischen Gesprächspartner heftig aneinander.

Wer die Rechte der Frau im Islam bewerten möchte, der solle sich doch einfach einmal die "Sitzordnung in einer Moschee" ansehen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Wolfgang Huber, hielt bei einer Podiumsdiskussion mit Muslimen auf dem Kirchentag in Köln nicht zurück mit seiner Kritik. Das ließen sich die Muslime natürlich nicht gefallen.

Den orangefarbenen Schal hatten sie sich alle auf dem Podium lässig um den Hals geworfen. Doch das Erkennungszeichen für die Pilger des 31. Evangelischen Kirchentages war mehr oder minder das einzige, was die Vertreter von evangelischer Kirche, Islam und Politik in Halle drei der Messe Köln einte. "Wie hältst Du's mit der Religionsfreiheit?" Die etwas abgewandelte Gretchenfrage aus Goethes Faust sollte nicht einseitig an die muslimischen Vertreter gerichtet sein. Allerdings mussten sich Bekir Alboga, Beauftragter der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB), und Ayyub Köhler, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, im Laufe des Streitgesprächs häufiger verteidigen. Grünen-Vorsitzende Claudia Roth versuchte mit Mutlikulti-Parolen eine vermittelnde Position einzunehmen.

Redner nur über einen Punkt einig

Von der feurigen Rhetorik auf dem Podium ließen sich die rund 3000 Zuhörer in der Halle schnell einnehmen. Sie hatten auf einem Heer aus Sitzkartons Platz genommen und applaudierten euphorisch bei jedem Vorstoß von Bischof Huber. Natürlich waren sich alle Redner im Grundsatz einig, dass die Religionsfreiheit ein universelles Menschrecht ist und sich nicht nur alle Menschen in Deutschland daran halten müssten. Doch hier beginnt schon das Problem: Wie steht es mit der Religionsfreiheit in der Türkei? Zu den dort jüngst verübten Morden an drei Christen sagte Huber in Richtung Köhler und Alboga: "Bitte schicken sie ihre Empörung darüber auch in die Türkei."

Seit zweieinhalb Jahren versuchen der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und die islamischen Verbänden einen offiziellen Dialog aufzubauen. Dabei geht es vor allem um die EKD-Handreichung, einem Papier zur Verständigung zwischen den Religionen, das bei den Muslimen heftige Kritik auslöst. Diese bekräftigte Köhler auch in Köln: "Die Handreichung können wir so nicht akzeptieren." Alboga legte nach: "Das Verhältnis in Deutschland ist noch nicht entspannt. Ich habe Bischof Huber zum Abbau der Spannungen aufgefordert und habe das bisher vermisst." Der Besuch von Huber vor zwei Wochen in einer Mannheimer Moschee sei deshalb "ein Schritt in die richtige Richtung" gewesen.

Das Gespräch musste ergebnislos enden

Huber nahm das wiederum als Provokation auf: "Der Fortschritt bestand darin, dass wir überhaupt eingeladen wurden. Der Rat der EKD hat noch nie eine Einladung abgelehnt." Der Gegenangriff von Alboga folgte auf den Fuß: "Wenn wir hier Religionsfreiheit haben, warum soll ich mich immer aus der Defensive verteidigen?" Als die Moderatorin der Runde nach einer knappen Stunde Gesprächszeit ein Ende setzen wollte, gipfelte der Streit mit einem letzten Schuss von Köhler gegen Huber: "Es ist nicht gut, wenn Sie bei der Bevölkerung den Eindruck entstehen lassen, dass wir nicht den gleichen Gott anbeten." Bischof Huber konnte das nur noch mit einer sauren Miene quittieren. Das Gespräch zwischen den Religionsvertretern musste ergebnislos enden, auch wenn sich die Parteien immerhin darauf einigten, den Dialog fortzusetzen. Bei den Kirchentagspilgern jedenfalls dürfte die Veranstaltung einen schalen Nachgeschmack hinterlassen haben.