Rassistischer Anschlag "Free Palestine"-Parolen bei Hanau-Demo in Berlin: Die Instrumentalisierung des Gedenkens ist beschämend

Free Palestine
In Berlin kaperten Palästina-Aktivisten eine Gedenkveranstaltung für Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau. Das hier gezeigte "Free Palestine"-Schild wurde am Samstag bei der Anti-Siko-Demo auf dem Marienplatz in München aufgenommen.
© Wolfgang Maria Weber / Imago Images
Bundesweit gedenken Menschen der Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau. In Berlin wird eine große Demo von Palästina-Aktivisten gekapert. Die Toten von Hanau geraten dabei zur Randnotiz.

Vor vier Jahren zog ein Rassist los, um jene zu töten, die aus seiner Sicht nicht dazugehören. Am Abend des 19. Februar 2020 erschoss ein 43-jähriger Mann in Hanau neun junge Menschen mit Migrationshintergrund: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov.

Es war immer der Wunsch der Angehörigen, dass die Namen der Opfer beim Gedenken im Mittelpunkt stehen, dass die Gesichter und Geschichten ihrer Liebsten niemals vergessen werden. Seit vier Jahren kämpfen sie dafür. Über dem Ladenlokal der "Initiative 19. Februar", in der sich die Hinterbliebenen organisieren, steht groß: #saytheirnames, nennt ihre Namen.

Hanau: Die Tat war kein Einzelfall

Leise und zurückhaltend war das Gedenken deshalb nie, im Gegenteil. Die Hinterbliebenen waren laut und kämpferisch, auch wütend. Weil sie wissen, dass die Tat eben kein Einzelfall war. Sie forderten Antworten und Konsequenzen von der Politik, sie benannten den strukturellen Rassismus, die Kontinuität rechten Terrors, das Versagen der Behörden.

In Berlin aber konnte man am Montagabend den Eindruck gewinnen, es ginge bei der Gedenkdemonstration vor allem um den Nahostkonflikt. Unter mehr als eintausend Demonstranten sind auch hunderte mit Kufyia, dem Palästinensertuch, sie rufen: "Free, free Palestine". In der Menge wehen Palästina-Flaggen. Auch auf einem Transparent wird "Freiheit für Palästina" gefordert, vom Lautsprecherwagen schallt es: "Von Hanau bis nach Gaza – kein Vergeben, kein Vergessen!"

Überraschend ist all das nicht. Zu denen, die die Demo mitorganisiert hatten, gehört auch die Gruppe "Palästina spricht". Als die Hamas Israel überfiel, postete sie bei Instagram ein Bild von einem Bulldozer, der ein Loch in den israelischen Grenzzaun gerissen hatte. Dazu schrieben sie: "Gaza ist gerade aus dem Gefängnis ausgebrochen." Zum Zeitpunkt dieses Posts wüteten noch hunderte Hamas-Terroristen in Israel, sie ermordeten und verschleppten Zivilisten.

Den Organisatoren der Berliner Demo ist der Wunsch der Angehörigen egal

Die "Initiative 19. Februar" schrieb im Vorfeld der diesjährigen Gedenkkundgebung in Hanau, man wünsche sich eine dem Anlass angemessene Demonstration. "National-, Partei- und Organisationsfahnen haben in diesem Erinnern keinen Platz", hieß es. Das Gedenken solle "nicht für die Austragung politischer Konflikte genutzt werden".

Den Organisatoren der Berliner Demo ist der Wunsch der Angehörigen egal. Sie missbrauchen das Gedenken für ihre zweifelhafte politische Agenda. Diese Instrumentalisierung ist beschämend. Denn die Toten von Hanau geraten dabei zur Randnotiz. 

Ferhat Unvar, eines der Opfer des Hanau-Anschlags, hat gerne Gedichte geschrieben. Eine Zeile lautete: Tot sind wir erst, wenn man uns vergisst.