Gute Tat oder Ego-Trip Obdachlose als Ego-Booster auf Facebook?

Immer wieder gehen Geschichten, in denen Obdachlosen geholfen wird, viral. Gern auch mit einem Selfie der Helfenden. Sind das eigentlich noch gute Taten oder schon Ego-Trips?

Immer wieder sammeln Geschichten wie diese in den sozialen Netzwerken Millionen Likes und Shares: Frau schenkt obdachloser Frau ihre Schuhe und geht auf Socken nach Hause, ein Obdachloser hilft einem Mädchen, das nachts am Bahnhof strandet, und sie sammelt zum Dank Geld für ihn, Mann unterstützt Obdachlosen, der freiwillig Müll einsammelt, bis er einen Job hat.

Das ist herzerwärmend, schnell geliked und geteilt - ein guter Klick, fast so als sei man selbst an der guten Tat beteiligt. Aber Moment mal, gute Tat? In den Kommentaren und vor dem Computerbildschirm kommt immer wieder die Diskussion auf, ob es den Leuten nicht vor allem um sich selbst gehe - ob sie andere Menschen in Not nicht nur als Requisite für ihren Ego-Trip-Selfie benutzen. So wie die Hilfe bei diesem Video (44 Millionen Views) ziemlich nach Selbstdarstellung aussieht.

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Oder wie bei den Studenten aus Freiburg, deren Video über die musikalische Unterstützung für einen Obdachlosen sich nach rund 16 Millionen Klicks als gestellt entpuppte (wenn auch für einen guten Zweck).   

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Moralisches Dilemma?

Also nicht teilen? Lieber nicht helfen? Lieber weiterscrollen? Mit Verlaub: Was für eine meschuggene Diskussion! Wenn diese Geschichten dazu führen, dass es auch nur einem Menschen besser geht, wenn der Selbstdarsteller dafür sorgt, dass ein einsamer Mann, der auf der Straße lebt, endlich mit einem anderen Menschen zusammen essen kann, wenn eine Frau nicht mehr friert oder ein Mann nach 20 Jahren wieder in Lohn und Brot steht - dann bitte unbedingt weiter so! 

Denn auch das gehört zu diesen Geschichten: der Vorbildeffekt. Nachdem Kay Brown einer obdachlosen Frau in der U-Bahn ihre Schuhe  gegeben hat, zog ein Mann seine dicken Sportsocken aus der Tasche, damit Brown nicht auf ihren Söckchen nach Hause gehen muss. Nachdem Nicole Sedgebeer auf Facebook von Mark berichtete, der ihr am verlassenen Bahnhof in London Euston beistand, hat sein Schicksal soviel Aufmerksamkeit bekommen, dass der Mann eine reale Chance auf ein besseres Leben hat.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Helfen ist immer besser als nicht helfen

Jeder Art von Wohltätigkeit ist eine mal mehr mal weniger große Prise Narzissmus eigen. Das liegt in der Natur der Sache. So lange die Würde des Menschen, dem geholfen wird, intakt bleibt, so lange dem anderen Menschen mit Respekt begegnet wird, wer sind wir denn, das zu verdammen? Und schlimmer noch: Diese Kritik hilft vor allem denen, die an Menschen, denen es schlecht geht, möglichst schnell vorbeigehen wollen. Nein, diese moralische Schleife - Selbstdarstellung entwertet Hilfe - ist keine Entschuldigung, um sich in der eigenen Indifferenz besser zu fühlen.

Und weil es auf Youtube schließlich für alles ein Video gibt, viel Spaß mit dem über die Wirkung mitmenschlichen Handelns:

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Noch nicht kapiert? Dann nehmen Sie das:

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Einen wunderschönen Tag noch!