Anzeige
Anzeige

San Francisco Bibliothek soll Probleme durch Obachlosigkeit bekämpfen – und greift zu einer skurrilen Maßnahme

San Francisco: Eine obdachlose Frau schläft gegenüber der Eureka Valley Bibliothek. Das Wandgemäle wurde von der Stadt aufgefrischt, die linke Hälfte des Gehwegs wurde mittlerweile zum Grünstreifen umgewandelt.
Eine obdachlose Frau schläft gegenüber der Eureka Valley Bibliothek. Das Wandgemäle wurde von der Stadt aufgefrischt, die linke Hälfte des Gehwegs wurde mittlerweile zum Grünstreifen umgewandelt.
© Godofredo A. Vásquez/ / Picture Alliance
San Francisco kämpft mit einer immer weiter zunehmenden Obdachlosigkeits-Krise. Eine Bibliothek geht nun auf ganz eigene Art gegen die auf der Straße lebenden Menschen vor – und knippst ihnen das Wlan ab.

Zelte am Highway, ganze Burgen aus Wohnmobilen und Menschen, die tagsüber quer über den Gehweg schlafen: Wer durch San Francisco oder das nahe gelegene San Jose streift, wird auf Schritt und Tritt mit dem Elend der grasierenden Obdachlosigkeit in der Bay Area konfrontiert. Ein Bezirk versucht nun, die Problematik mit einer skurrilen Maßnahme in den Griff zu bekommen.

Das zeigen E-Mails, die eine Aktivistin vor einigen Wochen bei Twitter veröffentlichte. Demnach hatte der Stadtrats-Abgeordnete Rafael Mandelman gemeinsam mit Anwohnern Druck auf die Bibliothek von Eureka Valley ausgeübt, um sie zum Abschalten des kostenlosen Wlans über Nacht zu bewegen. "Das macht das Schlafen um die Bibliothek vermutlich weniger attraktiv", heißt es in einer Mail einer Anwohnerin. Die Bibliothek soll dem Druck nach einem Treffen schließlich nachgegeben haben. Und schaltet seit letztem August nachts das Netz ab, berichtet die Lokalzeitung "Mission Local".

Kritik an der Abschaltung

Die Maßnahme ist nicht die einzige, um die Problematik rund um die Bibliothek in den Griff zu bekommen. Allerdings steht sie am stärksten in der Kritik. Die Begrünung des Gehwegs, das Aufstellen von Fahrradständern und das Auffrischen eines Gemäldes an der gegenüberliegenden Fassade dienten ebenfalls dazu, das Aufstellen von Zelten in der Umgebung der Bibliothek zu erschweren. Mit dem Abschalten des Wlans würde den von Obdachlosigkeit Betroffenen aber eine wichtige Möglichkeit genommen, ihre Situation zu verbessern.

So sei der kostenlose Zugang zum Internet essenziell, um Kontakte zu halten, sich für Jobs zu bewerben oder staatliche Hilfe zu beantragen, erklärte eine E-Mail an die Bibliotheken-Verwaltung der Stadt. Deswegen solle die Stadt die Nachtsperre bitte wieder aufheben, so die Verfasserin.

Wege aus der Benachteiligung

Tatsächlich entspricht das auch dem Selbstverständnis des amerikanischen Bibliothekenwesens. Der öffentliche und kostenlose Zugang zu Bildung und Informationen wird von den Bibliotheken traditionell als wichtiges Mittel verstanden, die gesellschaftliche Benachteiligung armer Gesellschaftsgruppen ausgleichen zu können, betont auch der amerikanische Bibliothekenverband.

Die Bibliothek in Eureka Valley sei die einzige der Stadt, die nachts das Wlan abschalte, bestätigte die Sprecherin des lokalen Verbandes gegenüber "The Verge". Die Stadt hatte vor einigen Jahren als erste einen eigenen Sozialarbeiter eingestellt, um auf die besonderen Bedürfnisse der obdachlosen Bibliothekennutzer:innen eingehen zu können. Aktuell sind nach Schätzungen etwa 8000 Menschen in der Stadt von Obdachlosigkeit betroffen, das entspricht knapp einem Prozent der Bevölkerung. Die Lage ist in der gesamten Region angespannt: drei der zehn US-Städte mit der höchsten Obdachlosigkeit liegen in der Bay Area um San Francisco.

Erfolg nicht nachweisbar

Wie erfolgreich die Maßnahme ist, bleibt umstritten. Während Anwohner und Stadtverwaltung auf eine Abnahme der vor der Bibliothek campenden Menschen hinweisen, lässt sich das wegen der zusätzlichen Maßnahmen nicht direkt mit dem Abschalten des Wlans in Zusammenhang bringen. Eine von der Bibliothek bereits 2017 in Auftrag gegebene Studie konnte keinen Zusammenhang zwischen dem nächtlichen Abschalten des Wlans und einem Abnehmen der Kriminalität nachweisen. Auch eine zweite Studie 2021 blieb ohne Beweis für ein Nachlassen der Kriminalität.

Mittlerweile nimmt eine Kampagne an Fahrt auf, die ein Wiedereinschalten des nächtlichen Wlans fordert. Mehr als 50 Anwohner hätten einen entsprechenden Antrag eingereicht, berichtet "The Verge". Für das Abschalten hatten sich damals 16 Anwohner ausgesprochen. Die Hauptforderung der aktuellen Gegenbewegung: Nicht mit einfachen Maßnahmen den obdachlosen Menschen das Leben schwer zu machen. Sondern die Ursachen ihrer Situation anzugehen. 

Quellen:Twitter, Mission Local,The Verge, PBS, American Library Association

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel