Rechte für Väter Engagierte Väter sind die Dummen, weil die Ampel es nicht hinbekommt

  • von Lukas Weyell
Väterrechte: Eine Babyhand berührt den Mund eines bärtigen Mannes
Gesagt, aber nicht getan: Die Koalition setzt wichtige Reformen für Väter nicht um
© Sebastian Gollnow
Wichtige Reformen für Väter kommen nicht voran, etwa freie Tage nach einer Geburt oder beim Unterhaltsrecht. Handelt die Bundesregierung jetzt nicht, ist es bald zu spät.

Eine "Fortschrittskoalition" wollte sie sein. So zumindest die Ankündigung, als die Ampelregierung sich vor drei Jahren, im Herbst 2021, zusammentat. Da wurden Selfies gepostet, die aussahen, als kämen sie direkt vom Elternabend eines Gymnasiums in Hamburg-Eppendorf. Alle glücklich lächelnd und optimistisch. Der Tenor war: Aus der Not eine Tugend machen und das verbindende Element stärken! Nach 16 Jahren Merkel-Ära sollte endlich etwas passieren in diesem Land, was den Namen Fortschritt auch verdient. 

Bei allen Differenzen bei Klimaschutz und Wirtschaft, zumindest in einem Bereich konnten alle drei Parteien eine Gemeinsamkeit finden: der Familienpolitik. Die Gesetzeslage sollte sich dem gesellschaftlichen Wandel anpassen und die Realität abbilden. Vorbei die Zeiten klassischer Familienmodelle, die sich durch die CDU vertreten sahen. Selbst FDP und Grüne, die beiden gegensätzlichsten Parteien innerhalb der Koalition, konnten sich darauf einigen, dass die Familienpolitik progressiver werden sollte, vielfältiger und gleichberechtigter. 

Wichtige Gesetze für Väter stecken im Kabinett fest

Drei Jahre später ist von diesem Vorhaben wenig übrig. Die Ampel ist zerstritten, viele Gesetzesvorhaben bleiben liegen oder scheitern am Veto der FDP. 

Und auch bei der Familienpolitik kommt sie nicht weiter. Wichtige Gesetze wie die Väterzeit stecken im Kabinett fest. Auf Anfrage des stern kommen immer wieder ausweichende Aussagen aus den Ministerien. Im November 2023 erklärte ein Sprecher des Justizministeriums zunächst, dass der Gesetzesentwurf im ersten Halbjahr 2024 in den Bundestag eingebracht werden soll. Im vergangenen Juni hieß es dann auf Anfrage: "Wann der Gesetzentwurf zur Reform des Unterhaltsrechts in den Deutschen Bundestag eingebracht werden kann, steht derzeit noch nicht fest." Der Eindruck entsteht: Immer wieder werden die Vorhaben verschoben. Bald könnte es zu spät sein.

Denn die Ampel droht zu erodieren und damit die letzte Chance für eine progressive Familienpolitik. Bei den Wahlen im nächsten Jahr wird es keine Mehrheit für eine "Zukunftskoalition" mehr geben. Dann führt an einer Regierungsbeteiligung der CDU nichts mehr vorbei, mit ihr kommt ein konservatives Familienbild. 

Wir brauchen eine Politik, die Väter dazu bringt, Verantwortung zu übernehmen

Dabei brauchen wir endlich eine Familienpolitik, die Väter darin stärkt, Verantwortung zu übernehmen und die mehr Gleichberechtigung bei der Sorgearbeit fördert. Seit Jahren stagniert die Zahl der Väter, die Elternzeit nehmen, und die, die sie sich nehmen, beschränken sich meist auf die üblichen zwei Monate. Gleichzeitig leisten Frauen zunehmend mehr Erwerbsarbeit und tragen mehr zum Einkommen der Familie bei.

Einen Anreiz für mehr Verantwortung für Väter könnte die Väterzeit bieten. Sie ist im Koalitionsvertrag festgehalten und soll Vätern zwei Wochen bezahlten Urlaub nach der Entbindung des Kindes garantieren. Im Moment gibt es keine einheitliche Regelung für Neu-Papas. Im öffentlichen Dienst etwa gilt, dass dem Vater ein Tag Sonderurlaub gewährt wird. In anderen Anstellungsverhältnissen ist es im Tarifvertrag vereinbart oder hängt vom Arbeitsvertrag ab. Die Idee der Väterzeit ist, dass durch die frühe Übernahme von Verantwortung die Mutter entlastet und der andere Elternteil so früh wie möglich in die Betreuung eingebunden wird.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Ein freier Kopf und viel Zeit hätten nach der Geburt gutgetan

Auch ich hätte diese Väterzeit nach der Geburt meiner Tochter vor fünf Jahren gut gebrauchen können. Wie viele andere junge Familien in Großstädten hatten wir keine Großeltern in der Umgebung, die unterstützen konnten, und waren zunächst auf uns gestellt. Für die ersten Tage in der neuen Realität von frischgebackenen Eltern hätten ein freier Kopf und viel Zeit gutgetan. Auch die Bindung zu meiner Tochter hätte davon profitiert, wenn ich mich direkt und länger um sie hätte kümmern können, statt nach Feierabend noch schnell bei der Drogerie vorbeizuradeln, um Windeln zu kaufen, und sie nur noch kurz vor dem Schlafen in den Arm zu nehmen.

Doch die Bundesregierung schiebt die Entscheidung vor sich her. Es heißt, die FDP sperre sich bei der Frage, inwiefern Unternehmen die Kosten an der Väterzeit übernehmen sollen. 

Wer jetzt sagt, zehn Tage Vaterschaftsurlaub wären illusorisch, vergisst, dass es sich um EU-Recht handelt, das andere Länder wie Spanien und Finnland bereits umgesetzt haben. In Spanien erhalten Mutter und Vater 16 Wochen voll bezahlten Urlaub nach der Entbindung. In Finnland werden Väter immerhin neun Wochen lang freigestellt.

Selbst die deutsche Wirtschaft ist da weiter: Unternehmen wie Henkel hatten das Warten auf die Bundesregierung satt und führten kurzerhand selbstständig eine Väterzeit im eigenen Unternehmen ein. 

Das aktuelle Unterhaltsrecht stärkt traditionelle Rollen

Ein weiteres richtiges Reformvorhaben, bei dem die Ampel immer noch festhängt, ist die Reform des Unterhaltsrechts, die vor allem Väter betrifft, die nicht mit der Mutter des Kindes zusammenleben. 

Bisher gilt in Deutschland bei getrennt lebenden Eltern, vereinfacht gesagt: Einer betreut, einer zahlt. Eine Regelung, die vielleicht in Ordnung ging in einer Zeit, in der klar war, dass die Mutter sich um den Nachwuchs kümmert und sie und die Kinder finanziell abgesichert werden sollten. Und auch bei alleinerziehenden Müttern, die wenig oder keine Unterstützung durch den Ex-Partner bekommen, passt sie. Moderne Familien aber sind längst weiter. 

Viele Väter übernehmen auch nach der Trennung Verantwortung für die Kinder, betreuen sie in verschiedenen Modellen anteilig – und sind nach wie vor verpflichtet, vollen Unterhalt zu zahlen. Die Grundlage hierfür bietet die sogenannte "Düsseldorfer Tabelle", die aus dem Jahr 1962 stammt und damit ziemlich angestaubt ist.

Denn die Realität bedeutet: Wer, so wie ich, nicht exakt 50 Prozent der Betreuung übernimmt, ist dennoch verpflichtet, den vollen Unterhaltssatz beizusteuern. Das bedeutet, dass auch Väter, die etwa zwei oder drei Tage in der Woche auf das Kind aufpassen, rechtlich gleichgestellt sind mit Vätern, die ihr Kind nur alle zwei Wochen für ein, zwei Nächte bei sich haben – oder eben gar nicht.

Dabei geht es nicht nur um Finanzielles, aber auch. Wer Kinder drei Tage pro Woche betreut, hat Kosten für Kinderzimmer, Essen, Spielzeug, Kleidung, Aktivitäten und mehr. Wer viel Betreuung übernimmt, muss beruflich zurückstecken, etwa weil die Arbeitszeiten den Kita-Zeiten angepasst werden müssen oder der Beruf örtlich eingeschränkt werden muss. Es ist ein Bekenntnis zum Kind und so sollte es auch rechtlich gesehen werden. 

"Rabenväter" sollen voll zahlen, andere nicht

Denn es geht eben auch um eine rechtliche Anerkennung der Leistung von engagierten, getrennt lebenden Vätern. Wenn die eigene Betreuungsleistung gleichgestellt wird mit der von – Entschuldigung wegen der Ausdrucksweise – "Rabenvätern", fühlt es sich an, als würde sie letztlich gar nicht anerkannt.

Unternehmen haben sich längst darauf eingestellt, dass Väter auch Betreuung übernehmen und bieten häufig flexible Arbeitszeiten oder das Homeoffice an Betreuungstagen an. Der Gesetzgeber und die Rechtslage hingegen hinken hinterher.

Und auch hier sind Länder wie England, Estland oder Schweden längst weiter. In Estland ist es Gesetz, dass die Gerichte bei der Bemessung des Kindesunterhalts die Betreuungsanteile zu berücksichtigen haben. Im progressiven Schweden, in dem bereits seit 1974 das Recht auf Elternzeit besteht, gibt es kein vergleichbares Unterhaltsrecht. Dort sind Eltern dazu verpflichtet, die Betreuung und Finanzierung fair gegeneinander aufzurechnen. Wenn das Kind nur bei einem Elternteil wohnt, muss der andere Elternteil Unterhaltsbeitrag bezahlen oder auf andere Weise dafür sorgen, dass der Lebensunterhalt des Kindes gesichert ist. 

Von gleichberechtigter Elternschaft profitieren alle

Dabei geht es bei den geplanten Reformen nicht nur um spezielle Interessen einzelner Gruppen. Denn von einer rechtlichen Gleichstellung engagierter Väter profitieren letztlich auch Mütter. Wenn es nicht mehr vom Geschlecht abhängt, wer sich um die Betreuung kümmert, werden Mütter nicht mehr schief angesehen, wenn sie früher aus dem Büro verschwinden, um ihr Kind aus der Kita abzuholen. Dann werden Frauen auch nicht mehr danach gefragt, ob sie planen, schwanger zu werden. Und Meetings werden nicht mehr nach 15 Uhr angesetzt. 

Wenn Väter in ihrem Engagement rechtlich unterstützt werden und es eben auch finanziell einen Unterschied macht, ob sie ihr Kind nur alle zwei Wochen oder mehrere Tage pro Woche bei sich haben, werden auch mehr getrennt lebende Väter Betreuung übernehmen und dadurch mehr Mütter entlastet. 

Vorteil der geplanten Reformen wäre also ein kinderfreundlicherer Arbeitsalltag. Und der schlägt sich auch in unserem Wohlstand nieder. Wenn Mütter entlastet würden, seien sie in der Lage, mehr Erwerbsarbeit zu leisten, heißt es in einem offenen Brief von Befürwortern einer Väterzeit an die Bundesregierung, den auch Wirtschaftsvertreter unterzeichnet haben.

Letztlich ist eine bessere Familienpolitik der größtmögliche Wohlstandsgenerator. Denn ohne Kinder lässt sich der demografische Wandel nicht in den Griff bekommen und der Fachkräftemangel nur schwer lösen. Schon jetzt sind viel zu viele wichtige Stellen unbesetzt.

Deutschland ist, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft, in Europa abgehängt. Wenn sich das nicht bald ändert, ist die Folge ein Reformstau, der sich in einigen Jahren und vor allem Jahrzehnten rächen wird. Also, liebe Ampel, vergesst nicht die Familien – und vor allem nicht die engagierten Väter!