Prozess um entgleisten Zug Lokführer über Zugunglück: "Wie ein Erdbeben"

Als der Zug entgleiste, waren viele Kinder und Jugendliche an Bord. (Archivbild) Foto: Angelika Warmuth/dpa
Als der Zug entgleiste, waren viele Kinder und Jugendliche an Bord. (Archivbild) Foto
© Angelika Warmuth/dpa
Ein Zug entgleist, fünf Menschen sterben, Dutzende werden verletzt. Vor Gericht schildert nun der Lokführer des Zuges, wie er das Unglück erlebt hat.

Im Prozess um das Zugunglück von Garmisch-Partenkirchen mit fünf Toten hat der Lokführer geschildert, wie er das Unglück erlebt hat. "Das kann man sich vorstellen wie ein Erdbeben", sagte der 35-Jährige als Zeuge vor dem Landgericht München II. 

Plötzlich habe sein Fahrzeug "einen Schlag nach rechts, einen Schlag nach links" gemacht. Das habe ihm "im Prinzip den Sitz unterm Arsch weggezogen". "Es gab eine Riesen-Staubwolke", sagte der Mann. "Dann hab ich meinen Notruf abgesetzt."

Schienen "wie ein langgestrecktes Fragezeichen"

Kurz vor der Entgleisung habe er noch eine "Auffälligkeit" an den Gleisen gesehen. "Für mich sah es aus wie ein langgestrecktes Fragezeichen." Er habe eine Schnellbremsung einleiten wollen, aber das sei zu spät gewesen. "Ich kam nicht mehr dazu."

Ursache des Zugunglücks waren Gutachten zufolge marode Betonschwellen. Wegen chemischer Reaktionen im Inneren des Stahlbetonkerns waren die Schwellen nicht mehr tragfähig genug. 

Auf der Anklagebank sitzen ein Fahrdienstleiter und ein Bezirksleiter Fahrbahn. Die Staatsanwaltschaft München II wirft ihnen fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vor. Sie ist überzeugt, dass die Angeklagten das Unglück mitverursacht haben.

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Es gab Hinweise, dass die Gleise an der späteren Unfallstelle problematisch waren. Am Abend vor dem Unglück erhielt der Fahrdienstleiter einen Funkspruch, in dem von Unregelmäßigkeiten am Gleis die Rede war. Da sei ein "Schlenker" drin, der Zug "hüpfe". Der Angeklagte sagte, er gebe das weiter – das geschah aber nicht. 

Lokführer: oft problematischer Zustand der Schienen

Auch der Lokführer schilderte einen oft problematischen Zustand der Schienen. "Ich hab mich für den Beruf entschieden und da muss ich mit dem Anlagenzustand klarkommen", sagte er. Er sei Quereinsteiger mit einer Ausbildung von achteinhalb Monaten und habe "von Gleisbau keine Ahnung". 

Unregelmäßigkeiten im Schienennetz seien keine Seltenheit. "Diese latenten, kleinen Sachen – da kann ich alle zwei Kilometer melden." Der Schaden, der ihm in Garmisch aufgefallen sei, sei aber größer gewesen. Nach Angaben des Lokführers hätte er ihn gemeldet, hätte er die Gelegenheit dazu noch gehabt. Bei einer Schnellbremsung geschehe eine solche Meldung ohnehin.

dpa