Als neben Oke Göttlich die Bühnenkulisse der Mitgliederversammlung abgebaut wird, berichtet der einige Stunden zuvor wiedergewählte Präsident des FC St. Pauli von den Plänen des Stadionausbaus. Das Millerntor-Stadion soll ausgebaut werden, das ist schon länger klar. Doch der Clubchef präzisierte nun etwas das Vorhaben: 40.000 bis 50.000 Plätze sind langfristig das Ziel.
Göttlich sprach jedoch im Audimax der Uni Hamburg von vielen "Mosaiksteinen", die auf dem Weg dorthin bedacht werden müssten. Erst einmal gehe es darum, mit der Stadt, dem Bezirk, den Fans, der Nachbarschaft und den Mitgliedern unter anderem zu besprechen, wie das Stadion künftig aussehen könnte. "Dann sind wir vielleicht in sechs bis zwölf Monaten so weit, dass wir etwas konkreter dabei sind und wissen: Wann kann wie was umgesetzt werden?"
Der Verein freue sich über die Zusage der Politik, die Erweiterung zu unterstützen und gemeinsam anzugehen - unabhängig von einer Hamburger Bewerbung um Olympische Spiele. Die Nachfrage nach Tickets ist immens: Das Stadion ist fast immer ausverkauft. Der Club erreichte in der Saison 2024/2025 einen Zuschauerschnitt von 29.506 Fans. Das Stadion fasst offiziell 29.546 Menschen. Konkreter sieht es beim Ausbau des Trainingszentrums an der Kollaustraße aus: Das Vorhaben soll 2026 losgehen.
Göttlich mit 93,5 Prozent wiedergewählt
Erwartet wurde eine temperamentvolle Mitgliederversammlung, doch der Verein zeigte trotz sportlicher Misere in der Fußball-Bundesliga und einer schwierigen Debatte um Kapitän Jackson Irvine Geschlossenheit. Präsident Oke Göttlich hatte zuvor darum geworben, Brücken zu bauen und versicherte in seiner Rede: "St. Pauli bleibt stabil." Der Clubchef wurde mit 93,5 Prozent wiedergewählt und startete in seine vierte und letzte Amtszeit.
Kontroverse Anträge wurden teils nicht abgestimmt, da die Initiatoren nicht anwesend waren - so zum Beispiel die vorgeschlagene Wiedereinführung des Lieds "Herz von St. Pauli" vor Heimspielen, das wegen der NS-Verstrickungen des umstrittenen Texters Josef Ollig verbannt worden war. Ein komplettes Rauchverbot auf den Tribünen wurde mehrheitlich abgelehnt.
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Sportlich lief es zuletzt nicht gut, insgesamt siebenmal verlor das Team in der Bundesliga nacheinander und rutschte damit auf den Abstiegsrelegationsrang. Göttlich stärkte der sportlichen Führung um den anwesenden Sportchef Andreas Bornemann und den abwesenden Trainer Alexander Blessin den Rücken. Nach drei Spieltagen habe man den Club schon in den Europapokal geschrieben, sagte Göttlich. "Nach zehn Spieltagen schrieben uns andere schon ab. Beides ist Unsinn", sagte Göttlich und stellte klar: "Ihr habt unsere volle Rückendeckung."
Göttlich verteidigt Irvine
Die erhielt auch Jackson Irvine. Göttlich warb um mehr Nachsicht beim Umgang mit dem Kapitän. Es habe nach Gesprächen mit Irvine "keinerlei Anzeichen" gegeben, dass der Mittelfeldspieler menschenfeindliche Einstellungen vertritt. "Wir wollen Brücken bauen und keine Gräben vertiefen", stellte Göttlich klar. Menschen würden Fehler machen, sagte er. "Das gilt auch für unsere Gremien", fügte er hinzu und spielte auf kritische Kommentare eines Aufsichtsratsmitglieds in der Causa Irvine an.
Vor einigen Wochen hatte der australische Nationalspieler Irvine im Mittelpunkt von Diskussionen gestanden, nachdem seine Frau ein Foto in den sozialen Medien gepostet hatte, das den lange verletzten 32-Jährigen mitten im öffentlichen Diskurs um das israelische Vorgehen im Gaza-Streifen in einem umstrittenen T-Shirt zeigte.
Danach kritisierte ein Aufsichtsratsmitglied den Spieler auf der Plattform Instagram. Später wurden diese Äußerungen wieder gelöscht. Wenige Tage vor der Versammlung sanktionierte der Club das Aufsichtsratsmitglied wegen vereinsschädigenden Verhaltens. Der Ehrenrat verhängte eine Geldstrafe. Die Aussagen seien nicht mit dem Aufsichtsrat abgesprochen gewesen und spiegelten nicht seine Position wider, versicherte die Vorsitzende Kathrin Deumelandt. Das Mitglied habe einen Fehler gemacht, den es bedauere.
Kiez-Club mit deutlichem wirtschaftlichen Plus
Besser sah es bei den Zahlen aus: Der Club verzeichnete in der Saison 2024/2025 einen klaren Jahresüberschuss im Vergleich zum Vorjahr. Die Summe stieg von gut 188.000 auf fast 2,1 Millionen Euro. Auch der Umsatz wuchs: Statt etwa 80 Millionen im Vorjahr nahm der Verein im abgelaufenen Geschäftsjahr knapp 102 Millionen Euro ein. Das hängt laut Club stark mit dem Anstieg der höheren Fernsehgelder zusammen.
Wilken Engelbracht, kaufmännischer Geschäftsleiter, sagte, man stehe wirtschaftlich "auf ganz, ganz stabilen Füßen". Auch dank der eingeführten Genossenschaft, die zuletzt die Mehrheit am Stadion übernommen hatte - allerdings wird die Genossenschaft erst in der Bilanz im nächsten Jahr auftauchen.
Jubel brach aus, als der Mann für die Zahlen im Club ankündigte, dass der Club ab Sommer endlich Pommes auf der Südtribüne anbieten kann. Dieser Wunsch sei zuletzt häufiger an ihn herangetragen worden.