Weil in ihrem Schwimmkurs ein fünfjähriges Mädchen ertrunken ist, hat das Amtsgericht Hamburg eine 39 Jahre alte Schwimmlehrerin zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Richter David Tichbi sprach sie wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen schuldig. Zudem müsse die Angeklagte die Kosten des Verfahrens tragen, sagte er. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Im Oktober 2023 hatte die Fünfjährige als eines von zehn Kindern an einem Seepferdchenkurs in einem Schwimmbad im Stadtteil Niendorf teilgenommen. Die Schwimmlehrerin soll sich um ein weinendes Kind gekümmert - und dabei die anderen Kinder aus den Augen verloren haben. Die Fünfjährige geriet mindestens drei Minuten unter Wasser. Sie starb trotz Reanimationsmaßnahmen einen Tag später an den Folgen des Sauerstoffmangels.
Emotionaler Vater berichtet von seiner Tochter
Der Vater des toten Kindes saß der Angeklagten als Nebenkläger im Gerichtssaal gegenüber. Am zweiten Verhandlungstag kämpfte er mit seinen Emotionen und las seine Aussage von einem Zettel ab. "An dem Tag als unser Kind von uns gegangen ist, ist auch etwas in uns Eltern gestorben", sagte er vor der Urteilsverkündung. Er habe der Tochter mit der Anmeldung in dem Schwimmkurs etwas Gutes tun wollen. Nun sei dadurch die Familie zerstört worden.
In seinen weiteren Ausführungen berichtete der Mann von seiner Tochter. Er erzählte, wie gerne die Fünfjährige den Kurs besucht und welche Fortschritte sie gemacht habe. "Mama, ich bin heute mit einer Schwimmnudel geschwommen", soll das Kind seinen Eltern nach einer Schwimmstunde stolz am Essenstisch berichtet haben.
Kinder mindestens drei Minuten unbeaufsichtigt
In dem Kurs am 4. Oktober 2023 soll die angeklagte Schwimmlehrerin die Kinder in ein Becken mit einer Tiefe von 80 bis 130 Zentimetern gebracht haben. Als eines der zehn Kinder bei einer Übung panisch schrie, soll sie etwa eine halbe Minute versucht haben, das Kind zu beruhigen.
Dabei seien die anderen neun Kinder nacheinander ins Wasser gesprungen und am Beckenrand entlang geschwommen. Nach einer darauffolgenden Strampelübung am Beckenrand und einem Eintauchen in das Wasser habe die Angeklagte dann eine überzählige Schwimmnudel auf dem Wasser bemerkt. Diese gehörte dem Mädchen, das unter Wasser geraten war. In dem Zeitraum vergingen mindestens drei Minuten, stellte das Gericht fest.

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Richter hebt Pflichtverletzungen hervor
Bei der Verkündung des Urteils hob Richter Tichbi hervor, dass die Angeklagte ihre Sorgfaltspflicht als Schwimmlehrerin mehrfach verletzt habe. Der Umstand, dass die Frau die Schwimmgruppe ganze drei Minuten nicht im Blick gehabt habe, sei besonders bei einer Gruppe mit Kleinkindern verheerend. Es sei ein Unterschied, ob man eine Gruppe mit Kleinkindern wenige Sekunden oder wenige Minuten nicht im Blick habe, führte der Richter aus.
Eine Woche vor dem Unfall soll die Kursleiterin zudem ihrem Vorgesetzten in einer E-Mail geschrieben haben, dass die Kindergruppe schwierig zu betreuen sei, sie diese aber weiterbegleite. Diese Fehleinschätzung sei gerade bei der Berufserfahrung der Angeklagten als strafschärfend zu werten. Die 39-Jährige hatte zuvor zehn Jahre als Schwimmlehrerin gearbeitet.
Schwimmlehrerin schrieb Brief an die Eltern
Die Frau, die nach eigener Aussage seit dem Unfall arbeitsunfähig ist und sich seitdem in psychologischer Behandlung befindet, schaute während der Urteilsverkündung mit schmerzverzerrtem Gesicht auf den Boden.
"Ich weiß, das bringt eure Tochter nicht zurück, aber es tut mir von Herzen leid", sagte sie zuvor im Gerichtssaal zum Vater. Sie habe einen Brief geschrieben, den sie den Eltern gerne überreichen wolle. Der Vater nahm diesen im Gerichtssaal nicht an. Einen Job mit der Verantwortung für Menschen wolle sie nie wieder ausführen.
Verteidigung kritisiert Schwimmbad
Die Verteidigung kritisierte nach der Verkündung den Umstand, dass die Angeklagte mit der Schwimmgruppe alleine gelassen wurde. "Das Urteil bewegt sich oberhalb dessen, was ich erwartet hatte und dessen, was ich für sachgerecht halte", sagte Strafverteidiger Dirk Bachmann der dpa.
Trotz zuvor geäußerter Probleme mit der schwer zu betreuenden Gruppe habe das Schwimmbad der Frau keinen zweiten Schwimmlehrer zur Seite gestellt. Bachmann hatte zuvor eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen gefordert. Die Staatsanwaltschaft sprach sich für eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten aus, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne.