Anschlag in Magdeburg Todesfahrer im Hungerstreik – Gericht verhandelt ohne ihn

Blick auf den leeren Glaskasten im Gerichtssaal des temporären Gerichtsgebäudes vom Landgericht Magdeburg, in dem normalerweise
Blick auf den leeren Glaskasten im Gerichtssaal des temporären Gerichtsgebäudes vom Landgericht Magdeburg, in dem normalerweise der Todesfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt sitzt. Foto
© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
Die Glaskabine in Magdeburg, in der Angeklagte sonst sitzt, blieb am 13. Verhandlungstag leer. Der Angeklagte ist im Hunger- und Durststreik. Mit gravierenden Folgen.

Wegen der Folgen eines Hunger- und Durststreiks ist der Todesfahrer vom Magdeburger Weihnachtsmarkt nicht mehr verhandlungsfähig. Das Landgericht Magdeburg hat entschieden, dass ohne den 51-jährigen Mann aus Saudi-Arabien weiterverhandelt wird. Der Angeklagte habe die Verhandlungsunfähigkeit vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführt, sagte der Vorsitzende Richter Dirk Sternberg. Die rechtlichen Voraussetzungen, ohne ihn zu verhandeln, seien gegeben. 

Richter: Hungerstreik als Druckmittel

Richter Sternberg sagte, der 51-Jährige habe in der Hauptverhandlung selbst angekündigt, seinen Hungerstreik instrumentalisieren zu wollen. Die Kammer und auch ein psychiatrischer Sachverständiger hätten seit Prozessbeginn ausreichend Gelegenheit gehabt, sich einen Eindruck von dem Angeklagten zu verschaffen.

Zu Beginn des 13. Verhandlungstages war bekanntgeworden, dass der Todesfahrer aus Sicht des Anstaltsarztes des Gefängnisses in Burg nur noch bedingt transportfähig und nicht mehr verhandlungsfähig ist. Sein Gewicht sei stark auf 47,6 Kilogramm gesunken, die Vitalwerte verschlechterten sich von Tag zu Tag, er sei stark geschwächt, klage über Übelkeit. Es stehe ein akutes Nierenversagen im Raum. Eine empfohlene Infusionstherapie habe er abgelehnt.

Dass der Angeklagte Essen verweigert, spielt seit Beginn des Prozesses am 10. November eine Rolle. Schon am zweiten Verhandlungstag hatte al-Abdulmohsen gesagt: "Jetzt mache ich den Hungerstreik seit gestern. Ich will das drei Wochen machen. Man erwartet keine körperlichen Schäden." Nebenklagevertreter hatten eine mögliche Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten immer wieder thematisiert.

Gericht hatte mögliche Verhandlungsunfähigkeit immer im Blick

Der Vorsitzende Richter Sternberg hatte stets betont, man habe das genau im Blick. Allerdings zeigte sich das Gericht schon an den ersten Verhandlungstagen unbeeindruckt von den Ankündigungen des Angeklagten, Nahrung zu verweigern. "Sie haben es nicht in der Hand, durch Hunger- oder Durststreik die Verhandlung zu verzögern oder zu torpedieren", betonte Richter Sternberg schon damals.Zu Beginn des Prozesses hatte der 51-Jährige immer wieder zu langen Ausführungen ausgeholt. Er machte deutlich, dass er sich etwa von Polizei und Justiz nicht ernst genommen fühlte, stellte sich als Aktivist für die Rechte saudischer Frauen dar. Einige Zeugen ging er im Gericht teils massiv an, etwa ehemalige Arbeitskollegen und einen ehemaligen Anwalt. Bevor die ersten Betroffenen als Zeugen aussagten, verabredete der Vorsitzende Richter Sternberg mit den Angeklagten, dass dieser die Opfer nicht direkt anspricht und befragt. 

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An den vergangenen Verhandlungstagen meldete sich der 51-Jährige, der als Psychiater arbeitete, kaum noch zu Wort. Er verfolgte die bewegenden Aussagen der Betroffenen weitgehend reglos. Das Zuschauerinteresse an dem Prozess ist groß.

Ehemalige Kollegen des Angeklagten sagen aus 

Das Gericht hörte am Donnerstag den ehemaligen ärztlichen Direktor des Maßregelvollzugs für psychisch kranke Straftäter sowie einen Psychologen, der ebenfalls dort arbeitete. Der Psychologe hatte in der Klinik einen Vorfall aus dem August 2024 mit dem späteren Todesfahrer gemeldet, aus dem aber keine Konsequenzen erwuchsen. Aufgebracht und "wie ein Stier" sei al-Abdulmohsen in einen Raum gekommen. Auf die Frage, ob es ihm nach einer Krankschreibung wieder gut gehe, habe er einen Tunnelblick bekommen und geantwortet, er befinde sich in einem Krieg. Das sei nicht metaphorisch gemeint gewesen, sondern es gehe um Sterben oder Umbringen. "Das war nicht irgendwie dahergesagt", so der Zeuge. Deshalb habe er es gemeldet. Der damalige ärztliche Direktor sagte, er habe eine E-Mail, in der der Vorgang erwähnt wurde, nicht bis zu Ende gelesen. Ihm sei das erst nach dem Anschlag bekannt geworden. Er berichtete, dass al-Abdulmohsen ab dem Jahr 2023 oft krankheitsbedingt fehlte, er habe in der Klinik die Kündigung angeregt. Man habe aber bis Ende 2024 abwarten wollen. Al-Abdulmohsen habe sich ihm gegenüber zu seiner aktivistischen Tätigkeit geäußert, berichtete von seinen Problemen mit Behörden, über die er sich so aufrege, dass die Krankschreibungen nötig seien. 

Der ehemalige Ärztliche Direktor sagte weiter, es habe fachliche Beschwerden gegeben, etwa weil al-Abdulmohsen unvorbereitet in Therapiesitzungen gegangen sei oder sein Mobiltelefon mitnahm. Gravierende Mängel im Bereich der Psychiatrie habe er nicht wahrgenommen. Er beschrieb den Mitarbeiter als nicht sonderlich engagiert.

Die Verhandlung soll am 8. Januar fortgesetzt werden.

dpa

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