Hunderte Söldner der Wagner-Gruppe sollen Jagd auf Selenskyj und andere ukrainische Politiker machen – das berichteten Medien wenige Tage nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine. Und die Meldung ließ die Sorge vor einer zunehmenden Eskalation wachsen.
Inzwischen soll die offenbar von Russlands Präsidenten Wladimir Putin eingesetzte "Privatarmee" schwere Schläge erlitten haben. Wie unter anderem die britische "Daily Mail" berichtet, sollen mehrere tausend Kämpfer der Wagner-Gruppe in der Ukraine getötet worden sein. Das sollen britische Abgeordnete erfahren haben. Der Geschäftsführer des investigativen Recherchenetzwerks Bellingcat, Christo Grozev, berichtete vor dem Auswärtigen Ausschuss des britischen Unterhauses, dass 3000 Mitglieder der Wagner-Gruppe im Gefecht getötet worden sein sollen.
Söldnertruppe ist "mordgierig"
Eine Quelle innerhalb der Gruppe habe Grozev gesagt, dass die Zahl der Söldner allerdings "viel höher" sei, als westliche Beamte zunächst angenommen hatten. Die Rede ist demnach von 8000 Soldaten. Dazu gehörten auch 200 Personen, die bereits vor Kriegsbeginn nach Kiew entsandt wurden, um politische Persönlichkeiten "ausfindig zu machen und zu ermorden", wobei ein Großteil der Söldnertruppe mit Konvois aus Belarus in Richtung Kiew geschickt worden war. Rami Abdurrahman, Leiter der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) sprach sogar von 18.000 Wagner-Kämpfern.
Der Söldnertruppe werden schwere Verstöße gegen Menschenrechte vorgeworfen, darunter Folter und gezielte Tötungen. Deren Kämpfer sollen auch in Butscha gewesen sein, wo russische Truppen Anfang April ein Massaker hinterlassen haben. Ein ehemaliges Mitglied der Wagner-Gruppe habe Grozev erzählt, dass sich einige für den Kampf entschieden hätten, da sie Spaß am Töten hätten. Der Anteil dieser Mitglieder liege bei etwa 10 bis 15 Prozent. "Sie sind mordgierig, sie sind nicht nur Adrenalinjunkies", sagte er dem Ausschuss.
Die unter Putins Auftrag agierende Wagner-Gruppe war zuvor schon im Syrien-Krieg involviert, woraufhin sie einen Ruf der Brutalität und Rücksichtlosigkeit erlangte. Auch in Mali war die Söldnertruppe aktiv und unterstützte dort die Junta, welche die Regierung im Jahr 2020 durch einen Militärputsch stürzte.
Sean McFate, ein leitender Mitarbeiter der Denkfabrik Atlantic Council in Washington und Professor an der Nationalen Verteidigungsuniversität der USA, sagte, die Brutalität der Gruppe in Konflikten wie dem syrischen Bürgerkrieg sei "ein Teil ihres Verkaufsarguments". "Wenn man sich Butscha und andere anschaut, sieht man das gleiche Muster wie in Syrien, wo sie Menschen verhören, foltern und enthaupten", sagte er. "Ein Grund, warum ich glaube, dass dies eine von Putins bevorzugten Waffen geworden ist, ist, dass es eine plausible Leugnung zwischen den Exzessen vor Ort, dem Versagen vor Ort und der Politik ermöglicht."
Wagner-Gruppe nicht ernst genug genommen
Die westlichen Länder hätten die Bedrohung durch die Wagner-Gruppe bislang nicht ernst genug genommen und die Bewegungen deren Mitglieder nicht verfolgt, so McFate.
Grozev sagte, dass Sanktionen gegen einzelne Mitglieder der Wagner-Gruppe effektiver sein könnten als bloß gegen den Anführer, Jewgeni Prigoschin. Schließlich würden dessen Mitglieder gerne mit ihren Familien Urlaub im Ausland machen. "Wenn man also all diese Leute daran hindert, international zu reisen – zumindest in die westliche Welt – könnte das viel, viel wichtiger sein als eine weitere Sanktion gegen Prigoschin."

Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?
Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.
Es wird vermutet, dass Prigoschin im Rahmen der Ost-Offensive des russischen Militärs in den Donbass gereist ist, um den Einsatz seiner Kämpfer im Osten der Ukraine zu überwachen – wobei Prigoschin, der auch "Putins Küchenchef" genannt wird, selbst keine militärische Erfahrung hat. Er ist eher Finanzier und Organisator der Wagner-Gruppe.
40.000 Menschen für russischen Krieg in Ukraine registriert
Zusätzlich sollten 700 Kämpfer der 25. Division der Special Missions Forces des syrischen Brigadegenerals Suheil al-Hassan, die in Syrien als "Tiger-Kräfte" bekannt ist, in der Ukraine aktiv sein. Dem SOHR-Leiter Abdurrahman zufolge gebe es auch Freiwillige der von Russland ausgebildeten 5. Division, der Baath-Brigade, des bewaffneten Flügels von Assads regierender Baath-Partei, und der palästinensischen Eliteeinheit Quds-Brigade, die sich aus palästinensischen Flüchtlingen in Syrien zusammensetzt. "Die Russen sind auf der Suche nach erfahrenen Kämpfern. Sie wollen niemanden, der nicht von den Russen ausgebildet wurde", erklärte Abdurrahman.
Alle haben demnach gemeinsam mit dem russischen Militär im Syrien-Krieg gekämpft. Ein europäischer Beamter, der anonym bleiben wollte, geht von insgesamt 10.000 bis 20.000 ausländischen Kämpfern aus, die Russland in der Donbass-Region einsetzt. Dabei handele es sich um eine Mischung aus Söldnern der Wagner-Gruppe und pro-russischen Kämpfern aus Syrien sowie Libyen.
Butscha ist kein Einzelfall – diese Kriegsverbrechen gingen in die Geschichte ein

Und die Zahl könnte weiter steigen. US-Beamte und Aktivisten, die die Lage in Syrien beobachten, sagten, dass Russland aktiv rekrutiert habe. Abdurrahman berichtete, dass sich bislang etwa 40.000 Menschen für die Unterstützung des russischen Angriffskriegs registriert haben. Analysten halten es indes für wahrscheinlich, dass in den kommenden Wochen syrische Kämpfer eingesetzt werden. Syrische und palästinensische Beamte spielen Berichte über die Beteiligung von Kämpfern in der Ukraine hingegen herunter. Muhannad Haj Ali, ein ehemaliger Abgeordneter und Kommandeur des bewaffneten Flügels der regierenden Baath-Partei in Syrien, sagte ebenfalls, dass bisher keine Syrer in der Ukraine gekämpft hätten und dass er dies auch nicht erwarte.
Quelle: Daily Mail