Dass das deutsche Gesundheitssystem auf wackligen Füßen steht, ist längst kein Geheimnis mehr. Es ist nicht nur teuer. Qualifiziertes Personal ist ebenso Mangelware wie die Zeit, die sich Ärzte für ihre Patienten nehmen. Darunter leiden vor allem in Bayern zunehmend die Jüngsten. Wie dramatisch es um viele Kinderstationen in den einigen Krankenhäusern im Freistaat steht, berichtet der BR. Der Grund: kein Patient ist wirtschaftlich unrentabler als ein schwerkrankes Kind.
Keine Rendite, kein Bedarf
Kinderkliniken in Bayern wie auch in ganz Deutschland haben ein zentrales Problem. Sie werfen keine Gewinne ab. Im Gegenteil. Sie sind ein Minusgeschäft. Denn kranke Kinder kosten Geld, Personal viel Aufwand. Und von allem deutlich mehr als ein Erwachsener. Warum? Weil das vor knapp 20 Jahren eingeführte sogenannte Fallpauschalensystem keinen Unterschied zwischen Groß und Klein macht.
Egal, ob ein Drei- oder 60-Jähriger ein Krankenbett belegt – die Kliniken in Deutschland bekommen für die Behandlung meist das gleiche Geld. Dass es deutlich länger dauert, einem Dreikäsehoch Blut abzunehmen, liegt auf der Hand. Im deutschen Gesundheitssystem spielt das aber keine Rolle. Für die Manager der Kliniken schon. Und wie in anderen Branchen trennt man sich auch im Gesundheitswesen zuerst von den unrentablen Teilen des Unternehmens.
Mehr kranke Kinder, weniger Betten
Genau das passiert aktuell im Freistaat Bayern. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, droht der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychomatik am Klinikum rechts der Isar wegen "ungünstiger Kosten-Erlös-Struktur" die Schließung. Werner Hüttl wundert das nicht. "Unser Abrechnungssystem bildet die spezifischen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen nicht ab", kritisiert Arzt, der zehn Jahre in dieser Abteilung gearbeitet hat. Es sei schon rein rechnerisch nicht möglich, mit Tageskliniken für Kinder schwarze Zahlen zu schreiben.
Auch im Haunerschen Kinderspital, das zum Klinikum der Uni München gehört, wurde die Abteilung Kinder- und Jugendpsychomatik dicht gemacht. Laut dem Bericht des BR drohen dort zudem Engpässe in der Behandlung von Diabetes und Magen-Darm. Am Uniklinikum Würzburg schlossen die Verantwortlichen zumindest vorübergehend Stationen, um Kosten zu sparen "wenn dort nicht so viel los ist". Das ist ganz generell aber eher die Ausnahme.
Denn eine andere Entwicklung lässt die Lage in den Kinderkliniken noch brenzliger erscheinen als sie ohnehin schon ist. Laut Zahlen des Bundesamtes für Statistik ist die Zahl kranker Kinder in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Ganz im Gegensatz zu den zur Verfügung stehenden Betten.

Kinderärzte verwalten den Mangel
Den offensichtlichen Missstand im deutschen Gesundheitssystem, der kranken Kindern das Leben zunehmend schwer macht, belegt eine wissenschaftliche Studie des interdisziplinären Forschungszentrums Ceres der Uni Köln, die vor wenigen Tagen im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurde. Demnach stehen lukrative und ertragreiche Abteilungen wie Neonatalogie oder Onkologie im direkten Wettbewerb mit erlösschwachen Bereichen wie der Gastroenterologie. "Man müsse das Entgeltsystem ändern und falsche Anreize schaffen", fordert deshalb Studienleiterin Annic Weyersberg. Ansonsten verwalten die Kinderärzte weiter nur den Mangel.
Im Bayerischen Gesundheitsministerium hat man zumindest schon mal erkannt, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind. Deshalb sei es notwendig, dass sie eine "ausreichend gute Behandlung bekommen", findet Gesundheitsministerin Melanie Huml. Einige Fallpauschalen für die Behandlung von Kindern seien deshalb schon angepasst worden. Auch in Berlin, im Minsterium von Jens Spahn, prüft man ein Papier, das sich mit einem differenzierteren Fallpauschalensystem befassen soll.
Eine Änderung dieses Systems forderten kürzlich auch mehr als 215 Ärzte im stern. Ihr Ärzte-Appell ist mittlerweile sogar zu einer Patienten-Petition angewachsen.
Quellen: br.de; "Süddeutsche Zeitung"