Carfentanyl 5000-mal stärker als Heroin – so wirkt die tödlichste Droge der Welt

Ein Angängiger spritzt sich eine Droge. Carfentanyl ist sehr vier stärker als Heroin
In Europa gab es bereits Todesfälle nach Einnahme von Carfentanyl (Symbolbild)
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Carfentanyl ist ein Derivat des Opioids Fentanyl, das jedes Jahr zehntausende Menschen in den USA tötet. Die neue Droge ist extrem stark und gefährlich. Und sie ist nun auch in Europa angekommen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei NTV.de.

Mit dem Mittel Carfentanyl werden Elefanten betäubt, für Menschen können bereits kleinste Mengen tödlich sein. Die europäische Drogenbeobachtungsstelle EMCDDA meldet Dutzende Todesfälle nach Einnahme von Carfentanyl, unter anderem in Belgien, Estland, Norwegen, Schweden und Großbritannien. Jetzt taucht das hochpotente Opioid auch in München auf. Behörden sind alarmiert, sie fürchten seit Längerem, dass sich Fentanyl und das Derivat Carfentanyl in Europa mehr und mehr ausbreiten. Doch was macht die Betäubungsmittel so gefährlich?

Fentanyl ist ein starkes Schmerzmittel, das unter anderem Krebspatienten erhalten, mit dem aber auch illegal gehandelt wird. Das synthetische Opioid wirkt 50-mal stärker als Heroin. Mit vor allem in China hergestellten Chemikalien wird es häufig in Mexiko produziert und von dort in die USA geschmuggelt, wo es längst eine Krise ausgelöst hat: Jedes Jahr sterben Zehntausende US-Amerikaner an einer Überdosis der synthetischen Droge. Nach Angaben der US-Regierung ist Fentanyl die Todesursache Nummer eins für Menschen zwischen 18 und 49 Jahren in dem Land.

Eigentlich viel zu stark für Menschen

Carfentanyl ist eine chemische Verbindung, die sich von Fentanyl ableitet, aber deutlich potenter ist. Experten zufolge wirkt der Stoff 100-mal stärker als Fentanyl, 5000-mal stärker als Heroin und 10.000-mal stärker als Morphium. Daher wird in der Medizin das Mittel nicht bei Menschen eingesetzt, sondern dient zur Betäubung von großen Wildtieren wie Löwen, Elchen oder Eisbären.

Droge Fentanyl in einer Plastiktüte
In den USA sind mehr als 93.000 Menschen an einer Drogenüberdosis gestorben
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50-mal stärker als Heroin, mehr als 40.000 Tote in den USA: Was macht Fentanyl so gefährlich?

Die Opioide wirken je nach Dosis schmerzstillend, beruhigend oder auch euphorisierend – und machen schnell abhängig. Der Körper gewöhnt sich bei regelmäßigem Konsum an die Substanzen und entwickelt eine Toleranz. Dies hat zur Folge, dass nach und nach immer höhere Dosen nötig sind, damit die Präparate wirken. Die Gefahr einer Überdosis steigt. Die Folgen sind Bewusstseinsstörungen, verlangsamte Atmung, verengte Pupillen. Im schlimmsten Fall setzt die Atmung ganz aus und es kommt zu einer lebensbedrohlichen Atemlähmung.

Bereits zwei Milligramm Fentanyl – die Menge, die auf die Spitze eines Bleistifts passt – gelten laut der US-Drogenbehörde DEA als potenziell tödlich. Bei Carfentanyl reicht bereits eine sandkorngroße Menge. Bei Letzterem wirken schon ein paar Nanogramm berauschend. Das macht Carfentanyl noch unberechenbarer als seinen Vorgänger und gleichzeitig noch attraktiver für den Schwarzmarkt.

Weil die Produktion vergleichsweise günstig ist, wird Heroin zunehmend mit Fentanyl und neuerdings auch mit Carfentanyl gestreckt. Eine hochgefährliche Mixtur. Viele Abhängige wissen nicht, was sie konsumieren, und können die Wirkung der Drogen nicht einschätzen. Winzig kleine Mengen hätten eine enorme Wirkung und seien deshalb kaum kontrollierbar, sagt Oliver Pogarell, stellvertretender Direktor des Klinikums der Uni München, der "Bild"-Zeitung. "In einer Konsumeinheit Heroin, also zum Beispiel einem halben Gramm, kann schon ein einzelnes Körnchen Carfentanyl tödlich sein."

Auch im aktuellen Fall im München ist es wahrscheinlich, dass der kontrollierte Drogenkonsument ahnungslos war. Beamte beschlagnahmten bei dem 54-Jährigen ein Tütchen mit Pulver. Später stellte sich heraus: Darin war auch Carfentanyl enthalten. "Es könnte sein, dass der Mann gar nicht wusste, was da noch alles in sein Heroin gemischt war", sagte ein LKA-Sprecher. Das mache Carfentanyl so gefährlich.

Noch ist Carfentanyl in Deutschland wenig verbreitet

Bislang sind die Vorkommnisse in München ein Einzelfall und sowohl Carfentanyl als auch Fentanyl eine Randerscheinung in Deutschland. Sucht-Experten befürchten allerdings, dass sich das ändern könnte. "Fakt ist, dass Fentanyl bereits in Europa ist, extrem potent ist und als unmittelbare Bedrohung behandelt werden muss", warnte der Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock in der "Welt am Sonntag".

Dennoch: "Eine Opioid-Krise wie in den USA und Kanada wird sich bei uns nicht wiederholen", sagte der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, der Zeitung. "Wir haben grundsätzlich andere, bessere Voraussetzungen." Ausgangspunkt der Fentanyl-Krise in den USA sei eine übermäßige Verschreibung von starken Schmerzmitteln gewesen, in Deutschland sei man da weitaus vorsichtiger.

"Dennoch wäre es auch bei uns möglich, dass Heroin-Konsumierende vermehrt auf preiswerteres und um ein Vielfaches gefährlicheres Fentanyl ausweichen", sagte Blienert. Gebraucht würden mehr niedrigschwellige Angebote für Konsumenten. "Das sind Drug-Checking, Schnelltests in Drogenkonsumräumen und auch die Nutzung des Notfallmedikaments Naloxon, das selbst medizinische Laien verabreichen können", so der Drogenbeauftragte.

Lesen Sie bei stern+: Unser Reporter kennt Lateinamerika und seine Drogenkartelle gut. Mehrere Jahre lebte er in einer Favela. Nach einer Recherche zur Opioidkrise in den USA musste er feststellen: Die eigentlichen Drogenbosse sitzen ganz woanders.

Hedviga Nyarsik / NTV/ anb

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