Es ist die mit Abstand effektivste Methode, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen: Um sich und andere nicht anzustecken, bleiben immer mehr Menschen in den eigenen vier Wänden, statt zur Arbeit, in die Schule oder abends in die Kneipe zu gehen. Doch das freiwillige oder auferlegte Zuhausebleiben hat Folgen für die Psyche - ob alleine oder in einer Partnerschaft, Familie oder WG.
Studien zeigten bereits, dass das lange Aufeinanderhocken auf engem Raum spürbare Folgen hat. So stiegen in den USA nach dem Eingesperrtsein nach der Hurrikan-Saison die Geburtenzahlen, eine andere Studie der Universität von Washington zeigte die höchsten Scheidungsraten in den USA im März - wenn man monatelang zusammen drinnen war. Aus den Quarantänegebieten in China gab es zudem schnell Berichte, dass die häusliche Gewalt angestiegen war. Das Zusammensein kann also zu mehr Nähe führen - oder zur Eskalation.
Quarantäne kann krank machen
Dass Quarantäne spürbare Folgen nach sich ziehen kann, ist gut erforscht. Eine aktuelle Auswertung von 24 Studien fand etwa heraus, dass die Isolation bei vielen Menschen für viel Langweile, Stress, Nervosität und Unsicherheit sorgt. Einige Studien fanden sogar Verhaltensänderungen, die Monate oder gar Jahre später noch spürbar waren. So vermieden viele der Betroffenen auch später noch den direkten Kontakt mit anderen Menschen mit Krankheitssymptomen oder Menschenmassen im Allgemeinen und wuschen sich noch monatelang deutlich bewusster die Hände. Bei Personen, die während der SARS-Krise im Gesundheitswesen gearbeitet hatten und deshalb in Quarantäne mussten, gab es demnach verstärkten Alkoholmissbrauch oder gar Abhängigkeit zu verzeichnen.
Wenn Regierungen klar kommunizieren, warum die Menschen in Quarantäne sind, würden die negativen Folgen sinken, zeigen mehrere Studien. Zudem sei freiwillige Quarantäne weniger folgenreich, als zwangsweise eingesperrt zu sein. Aber auch die Menschen selbst können den Folgen des engen Zusammenlebens oder der Isolation als Singles entgegen steuern.

So minimieren Sie den Stress
Wer auf engem Raum mit Anderen eingesperrt ist, solle sich noch bewusster als sonst darum bemühen, seine Bedürfnisse genau zu kommunizieren, empfiehlt etwa Konfliktberaterin Elaine Yarborough gegenüber "Wired".
"Es geht nicht um perfekte Harmonie, sondern darum zu bemerken, worum es einem selbst wirklich geht". Die nicht ausgeräumte Spülmaschine sei etwa selten der wahre Grund für den Ausraster. "Eigentlich steckt dahinter, dass man sich deswegen ignoriert und unwichtig vorkommt. Und das sollte man dem anderen dann auch kommunizieren."

Auch dem anderen Raum zu lassen, sei eine gute Strategie, berichtet der auf Beziehungen unter Extremsituationen spezialisierte Forscher Lawrence Palinkas dem Magazin. Man solle sich zu gemeinsamen Aktivitäten in der Wohnung gezielt verabreden und etwa einen alten Film gemeinsam schauen. Danach beschäftigt sich dann wieder jeder für sich. Das würde etwa in Forschungsstationen in der Arktis seit Jahren so praktiziert. In der Zwischenzeit könne man etwa einem Hobby nachgehen oder etwas Neues lernen. Die Kombination aus Abwechslung alleine und dem gemeinsamen Erlebnis könne die gemeinsame Situation erträglicher machen.
Generell solle man soviel Energie wie möglich in positive Interaktionen investieren. Potenzielle Streitthemen sollte man dagegen in der gemeinsamen Isolation lieber vermeiden, empfiehlt Psychologe Daniel Kruger gegenüber "MSN".

Die Corona-Krise trifft die Kulturszene schwer. Die Stiftung Stern hat nach einem Weg gesucht, schnell und unbürokratisch zu helfen und als Partner den Bundesverband Deutscher Stiftungen gewonnen, der mit einem länderübergreifenden Fonds freiberufliche Künstler und Kunstschaffende unterstützt. Jeder gespendete Euro wird verdoppelt. Wir leiten Ihre Spende weiter. IBAN DE90 2007 0000 0469 9500 01 BIC DEUTDEHH
Einsamkeit digital vermeiden - aber richtig
Wer alleine zuhause ist, ist anders gefährdet. Studien zeigen, dass Einsamkeit die Gesundheit nachhaltig beeinträchtigen kann. Die aktuellen technischen Möglichkeiten können sehr hilfreich sein, die Einsamkeit zu bekämpfen. Eine Harvard-Studie zeigte allerdings, dass es dabei vor allem auf die richtige Art der Nutzung ankommt. Während Videotelefonate mit Freunden oder Familie für eine langfristige Befriedigung des Bedürfnisses nach sozialer Interaktion sorgen, helfen die Likes in den sozialen Medien nur sehr kurzfristig.
Die gemeinsamen Erfahrungen mit Freunden lassen sich heute oft auch Digital umsetzen. Mit Browser-Erweiterungen kann man synchronisiert Filme bei Netflix schauen, Videospiele oder digitale Brettspiele verbinden über den Bildschirm hinweg. Und mit den Nachbarn kann man ja auch über den Balkon sprechen.
Gute Ernährung und Sport nicht vergessen
Zwei Dinge sollte man beim ewigen Herumsitzen zuhause auf keinen Fall vergessen: Der Körper braucht Bewegung und Vitamine. Eine ausgeglichene Ernährung, frische Luft und die Muskeln in Schwung zu bringen, ist für die gute Laune unerlässlich. Noch darf man ja Spazierengehen, Deutschlands bekanntester Virologe Christian Drosten empfahl das in seinem Podcast sogar explizit. Aber auch Gymnastik-Übungen zuhause können helfen.
Quellen: Wired, The Lancet, MSN, Harvard-Studie, Axios, Springer-Verlag, Universität Washington