Ein Elternpaar aus dem Sauerland hat seinem Sohn Lungenteile gespendet und ihm damit das Leben gerettet. Für den an Mukoviszidose erkrankten Marius war die Transplantation an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) der letzte Ausweg, zähe Körperflüssigkeiten verklebten die Lunge des heute Zwölfjährigen. Die Operation wurde in Deutschland zum ersten Mal durchgeführt.
Eine passende Spenderlunge von Verstorbenen gab es nicht - also operierten 15 Chirurgen im April mehr als sechs Stunden lang und in drei OP-Sälen gleichzeitig, um Marius' Eltern jeweils einen von fünf Lungenlappen zu entnehmen und sie dem Jungen einzusetzen. Die erste Lungentransplantation von zwei lebenden Spendern in Deutschland gelang: Schon zwei Tage später atmete Marius wieder selbstständig. "Er ist ein absoluter Kämpfer", sagt Lungenspezialist Nicolaus Schwerk, der den Jungen vor und nach der Operation betreut hat.
Dass der fröhliche blonde Junge, der sich am Mittwoch im Schalke-Trikot an der MHH zeigte, über Wochen mit dem Tod gerungen hat, ist ihm nicht mehr anzusehen. "Wir haben dringlich auf ein Organ gewartet, haben jeden Tag mit dem Anruf gerechnet", erinnert sich Marius' Vater an die schlimme Zeit im Frühjahr. Erst als sein Sohn mit einer Herz-Lungen-Maschine am Leben gehalten wurde, gaben die Ärzte grünes Licht für die Transplantation. "Die Entscheidung war für uns sofort klar", berichtet die Mutter des Jungen.
OP an gesundem Menschen nur in Ausnahmesituation
Auch die Ärzte in Hannover befanden sich in einer Ausnahmesituation: "Wenn die absolute Alternativlosigkeit nicht gegeben ist, kann ich als Arzt nicht zwei Operationen an gesunden Menschen machen", erklärt Axel Haverich, der an der MHH die Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie leitet.
"Einem gesunden Menschen werde nur einer von fünf Lungenlappen entnommen, um ihn nicht zu sehr zu beeinträchtigen", sagt der hannoversche Transplantationsexperte Gregor Warnecke. Bei Mukoviszidose müsse aber immer beidseitig transplantiert werden. Daher müssten für einen Empfänger stets zwei Menschen mit passenden Blutgruppen spenden - und größer als der Empfänger müssten sie auch sein. Das mache es schwierig, geeignete Organe zu finden.
Die Krankheit bleibt
Im Ausland, vor allem in Japan und Südkorea, gibt es solche Fälle wie jetzt in Hannover häufiger: "Dort gibt es wegen der religiösen Kultur so gut wie keine postmortalen Spenden", erklärt Uwe Heemann, der Vorsitzende der Stiftung Lebendspende. In Deutschland kommen rund 29 Prozent der transplantierten Nieren von lebenden Spendern.
Nach 155 Tagen im Krankenhaus kann Marius heute wieder ein halbwegs normales Leben führen. "Ich fahre Fahrrad", berichtet er begeistert, "und spiele Fußball." Trotzdem bleibt die Krankheit, Marius' Immunsystem ist schwach. Zur Schule darf er noch nicht gehen, mit dem Herbst beginnt auch die Schnupfensaison. In geschlossenen Räumen muss er Mundschutz tragen.
"So um die 30 Tabletten" nimmt der Zwölfjährige nach eigener Schätzung täglich. Doch er ist zuversichtlich: "Das wird weniger." Auch bei seinen Eltern ist alles gut gegangen. "Wir merken das überhaupt nicht", versichert sein Vater. Bergtouren mit dem Mountainbike seien nur anfangs anstrengender gewesen.