Eva Luise Köhler "Wir sind auf einem guten Weg ..."

"... aber es muss sich noch viel tun", sagt die Frau des Bundespräsidenten, Eva Luise Köhler. Sie ist Schirmherrin der Allianz chronischer seltener Erkrankungen (Achse). Ihre Tochter Ulrike verlor durch eine seltene Erkrankung das Augenlicht.

Frau Köhler, auf welche Probleme stoßen Sie bei den Gesprächen mit den Betroffenen immer wieder?

Fast alle haben einen sehr langen Weg zur Diagnose hinter sich - wenn überhaupt eine gestellt werden kann. Der Zufall entscheidet viel zu oft: Es kann sein, dass ein Arzt gerade einen Vortrag über eine bestimmte Krankheit gehört hat, und eine Woche später sitzt dann ein betroffener Patient in seiner Praxis. Wenn es dann eine Diagnose gibt, fehlen den Patienten oft genauere Informationen zu ihrer Krankheit. Überhaupt spielt Unsicherheit eine große Rolle. Mit so einer Diagnose steht ja plötzlich der ganze Lebensentwurf infrage; zum Beispiel wenn Eltern erfahren, dass die Erkrankung ihres Kindes zu einer Behinderung führt.

Haben auch Sie das so erlebt, als Ihre Tochter erkrankte?

Auch wir haben lange auf die richtige Diagnose warten müssen. Danach hieß es nur, es gebe noch keine Therapie und auch keine Heilung, man müsse sich auf dem Laufenden halten. Dieses Nichtwissen, das "Was kommt jetzt auf mich zu?", "Was bedeutet das für die Schulausbildung?", "Auf was muss ich mich einstellen?" - das erleben fast alle. Es gibt viele gute Mediziner, die einfühlsam sind. Dennoch: Eine weitere geteilte Erfahrung ist, dass Ärzte leider nicht immer bereit sind, einen Fall abzugeben oder andere um Rat zu fragen, wenn sie mit ihrem Wissen am Ende sind. Das habe ich nie verstanden. Doch solche Erfahrungen helfen, wenn ich für Achse andere Patienten treffe: Ich kann diese Menschen wirklich verstehen.

Was muss sich tun, damit diese Probleme der Vergangenheit angehören?

Wir sind schon auf einem guten Weg. Die Bundesregierung hat ein Programm für Forschungsnetzwerke für seltene Erkrankungen aufgelegt. So etwas gibt es auch auf europäischer Ebene. Leider scheitern manch gute Ansätze hierzulande aber noch an Abstimmungslücken zwischen Bund und Ländern. Wünschenswert wäre ein nationaler Plan für seltene Erkrankungen, wie es ihn in Frankreich bereits gibt. Aber daran wird gearbeitet. Das passiert aber nicht von allein. Es verlangt ständiges Nachhaken, Werben und Ideen.

Wie können die Betroffenen selbst daran mitwirken?

Die Selbsthilfegruppen sind Motoren. Einerseits haben sie viel Wissen und Informationen über die Krankheiten gesammelt. Sie kennen die wichtigsten Spezialisten und leisten schlicht und einfach Lebenshilfe im Alltag. Andererseits können Patienteninitiativen auch an die Öffentlichkeit gehen, Spenden sammeln - etwa um dann selbst Forschungsprojekte anzuschieben, die ihnen wichtig erscheinen.

Deshalb haben auch Sie selbst Initiative ergriffen und den Eva Luise Köhler Forschungspreis ausgelobt.

Ja, die "Eva Luise und Horst Köhler Stiftung" hat in Zusammenarbeit mit der Achse den Preis ausgelobt. Anfang März wird dieser in Berlin verliehen. Der Preis soll auf die Erforschung seltener Erkrankungen aufmerksam machen, damit Forschung fördern und vielleicht auch Vorbild für weitere mögliche Sponsoren sein. Ich hoffe, damit einen Beitrag leisten zu können. Denn das Engagement, das so viele Betroffene überall in Deutschland an den Tag legen, beeindruckt mich. Wie sie sich über das eigene Leid hinaus für die Sache einsetzen und wie viel Liebe sie anderen spenden, das macht Mut, mich für sie einzusetzen. Diese Menschen verdienen Anerkennung und Unterstützung.

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Interview: Katharina Kluin

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