Es muss ein großartiges Gefühl sein. Horst Köhler muss nur noch "Ja" sagen. Dann ist seine Wiederwahl so gut wie sicher. Da sich der Bundespräsident in seiner Rolle pudelwohl fühlt, wird er vermutlich für eine zweite Amtszeit antreten. In den kommenden Wochen will er seine Entscheidung bekannt geben, die Wiederwahl wäre im Mai 2009. Sollte er "Nein" sagen, gäbe es dafür nur einen Grund: Köhlers Gattin Eva Luise.
Angeblich freut sich Eva Luise Köhler, 61, auf die entspannten Jahre nach dem Berufsleben ihres Mannes. Angeblich hat sie darauf gedrängt, er solle nur eine Amtszeit absolvieren. "Fünf Jahre sind genug", lautet der Satz, der ihr zugeschrieben wird. In einem Interview mit der "Bunten" hat sie diesen Satz kürzlich dementiert. "Nein, es stimmt nicht", sagte sie. Offenbar hat auch sie Geschmack am Amt gefunden. Dann stünden alle Zeichen auf Grün. Zumindest bei den Köhlers.
Kein einfacher Fall
Für die Berliner Parteien, die das Amt des Bundespräsidenten in ihrem Sinne besetzen wollen, ist Köhler kein einfacher Fall. Er hat seine Ankündigung wahr gemacht, notfalls ein unbequemer Präsident sein zu wollen. Zweimal verweigerte er die Unterschrift unter Gesetze, die er für nicht verfassungsgemäß hielt: Im Oktober 2006 blockierte er das Gesetz zur Privatisierung der Flugsicherung, kaum acht Wochen später das Verbraucherinformationsgesetz. Da holten die Politiker der großen Koalition tief Luft und atmeten sie grummelnd wieder aus. Doch Köhler lässt sich davon nicht beirren. Er gibt auch tagespolitische Empfehlungen heraus. Zum Beispiel, das Arbeitslosengeld nicht wieder zu verlängern.
Köhler repräsentiert nicht nur, er mischt sich ein. Kanzlerin Angela Merkel, die ihn mit Hilfe von FDP-Chef Guido Westerwelle ins Amt gebracht hat, ist darüber not amused. Die SPD schon gar nicht. Renate Künast, Fraktionschefin der Grünen, stellt auf stern.de-Anfrage trocken fest: "Er war nicht unser Kandidat." Dietmar Bartsch, Bundesgeschäftsführer der Linkspartei sagt: "Sie werden ahnen, dass wir nicht in allen Fragen mit Herrn Köhler übereinstimmen." Gemeint sind vor allem für Fragen der Wirtschaftspolitik. Köhler, seit 1981 in der CDU, mahnt Reformen an, die Agenda 2010 geht ihm noch nicht weit genug. Der Ton, den Künast und Bartsch anschlagen, verrät aber noch etwas anderes: Sie können und wollen Horst Köhler nicht offen kritisieren. Das wiederum hat etwas mit seiner Popularität zu tun.
Nach Ypsilanti-Art zerlegt
In Umfragen erreicht der Bundespräsident Spitzenwerte. 80 Prozent der Deutschen sind mit ihm zufrieden, sie wollen keinen anderen im Schloss Bellevue sehen. Deswegen ist es für jeden Politiker, gleich welcher Partei, unklug, sich lautstark mit Köhler anzulegen. Vor allem nicht in Wahlkampfzeiten. Und wie es der Kalender so will, liegt die Wahl des Bundespräsidenten nur einige Monate vor der Bundestagswahl. Die Lust, mit einem beliebten Präsidenten zu raufen, wird dann noch begrenzter sein als heute.
Einen ernsthaften Gegenkandidaten wird es vermutlich nicht geben. Dafür hat Guido Westerwelle gesorgt. Listig bejubelte er eine öffentlich eine mögliche Wiederwahl Köhlers. In der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt, werden CDU und FDP bis Mai 2009 zwar voraussichtlich die Mehrheit verlieren. Aber eine rot-grüne Mehrheit wird auch nicht zustande kommen. Mit wem also sollte die SPD einen eigenen Kandidaten durchbringen? Mit der Linkspartei? Selbst wenn es rein rechnerisch möglich wäre: Ein Wahlbündnis mit den Linken wäre der sichere politische Selbstmord des SPD-Parteichefs Kurt Beck. Zudem könnte niemand garantieren, dass sich ein SPD-Kandidat nicht nach Ypsilanti-Art zerlegt.
Struck und nochmals Struck
Deswegen lobt neuerdings auch die SPD Horst Köhler. Fraktionschef Peter Struck sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Ich habe an der Arbeit von Horst Köhler nichts auszusetzen. Er hat hohes Ansehen in der Bevölkerung." Und, noch viel wichtiger: "Ich werde ganz sicher nicht die Stimmen der SPD, der Grünen, der Linken, der Republikaner, der DVU und der NPD in der Bundesversammlung zusammenrechnen, um auf eine Mehrheit zu kommen." Damit hat Struck, wohl im Namen der gesamten Führungsspitze, eine mögliche Wiederwahl Köhlers abgesegnet.
Den Grünen und der Linksparte bleibt nur die verquere Hoffnung, dass sich die Dinge doch noch anders entwickeln könnten. "Man darf Herrn Struck nicht so wichtig nehmen", sagt Bartsch zu stern.de. "Es hat sich noch kein Beck geäußert und auch kein anderer der SPD-Granden." Bartsch würde es gerne sehen, wenn die die SPD eine Kandidatin ins Spiel bringen würden. Renate Künast von den Grünen spekuliert auf die kommenden Landtagswahlen, die über die Zusammensetzung der Bundesversammlung entscheiden. "Wir arbeiten daran, dass es neue Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung gibt - und da stehen ja noch Landtagswahlen an, etwa in Bayern", sagt sie. Doch Erdrutschsiege für rot-grün sind nirgendswo zu erwarten. Schon gar nicht in Bayern.

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Die Kanzlerin wartet
Unionspolitiker haben sich bereits zuhauf für Köhler ausgesprochen. Nur die Kanzlerin hält sich vornehm zurück. Sie wolle zunächst abwarten, wie sich Horst Köhler entscheide. Angesichts der Lage, dürfte ihm die Entscheidung nicht schwer fallen.