Forschung Erstmals Gene in Stammzellen ausgeschaltet

Deutschem Forscher gelang es, ein einzelnes Gen auszuschalten. Damit lassen sich zukünftig genetisch bedingte Krankheiten direkt an menschlichen embryonalen Stammzellen untersuchen.

Ein junger deutscher Forscher hat weltweit erstmals embryonale Stammzellen vom Menschen gezielt genetisch verändert. Thomas Zwaka schaltete darin ein spezielles Krankheitsgen aus. Mit dem Verfahren sei es möglich, auf jedes einzelne Gen Einfluss zu nehmen, sagte Zwaka am Montagabend der dpa. Die Technik mache möglicherweise auch einmal die bisher wenig erfolgreichen Methoden der Gentherapien überflüssig, glaubt der 30-Jährige, der derzeit an der Universität von Wisconsin in Madison arbeitet. "Das ist schon ein Durchbruch für die Forschung", bestätigt Stammzell-Experte Wolfgang-Michael Franz vom Universitätsklinikum Großhadern in München auf Anfrage. "Die Technik ermöglicht, im Reagenzglas an einzelnen Zellen gezielt Gene auszuschalten." Nun könnten Forscher eine genetisch bedingte Krankheit direkt an menschlichen embryonalen Stammzellen studieren. Bislang seien solche Arbeiten vor allem mit so genannten Knockout-Mäusen gemacht worden, bei denen ebenfalls spezielle Gene ausgeschaltet sind. Wichtig ist das neue Verfahren Franz zufolge unter anderem bei Herzkrankheiten, weil viele Störungen dabei nicht an Mäusen erforscht werden können.

Forschung an Mäusen hinfällig

Zwaka kam in Polen zur Welt, wuchs aber in Düsseldorf auf und hat dort sowie in Ulm studiert. Der Forscher mit deutscher Staatsbürgerschaft arbeitet seit gut einem Jahr im Labor von James Thomson, einem der Begründer der Stammzellforschung, und veröffentlichte auch seine bahnbrechende Arbeit in der jüngsten Online-Ausgabe des Journals "Nature Biotechnology" mit Thomson zusammen. Thomson hatte vor fünf Jahren als erster Forscher weltweit embryonale Stammzellen vom Menschen gewonnen und ist heute mit seinen vier Zelllinien einer der wichtigsten Stammzelllieferanten für Forschungslabore in den USA, Europa und Australien.

Bislang waren Knockout-Mäuse das wichtigste Werkzeug für Mediziner und Verhaltensforscher, um gezielt die Wirkung einzelner Krankheits- und Verhaltensgene zu beleuchten, die auch beim Menschen vorkommen. Doch einige Leiden des Menschen sind im Erbgut von Mäusen nicht verankert, neben Herzrhythmusstörungen zum Beispiel auch das seltene Lesch-Nehan-Syndrom, das bei Jungen eine Verminderung der geistigen Entwicklung hervorrufen kann.

Zwaka gelang es, das Gen für dieses Syndrom in menschlichen embryonalen Stammzellen auszuschalten. Auf ähnliche Weise wolle er einmal die genetischen Wurzeln der Insulin- oder Cholesterinproduktion ändern und andere Krankheitsgene ein- oder ausschalten, sagt er.

Endlich Sieg der Medizin über Krankheiten?

Embryonale Stammzellen teilen und vermehren sich unbegrenzt. Sie sind der Grundstock, aus denen sich alle rund 220 verschieden Zellarten im Körper entwickeln. Manche Mediziner hoffen, sie einmal zur Gewinnung von Ersatzorganen und -geweben nutzen zu können. Mit Zwakas Technik könnte es in Zukunft möglicherweise einmal gelingen, Patienten genetisch "bereinigte Ersatzteile" zu liefern. Demnach würden Genetiker einem Kranken Gewebe entnehmen, aus ihm Stammzellen gewinnen und diese nach Zwakas Verfahren von Krankheitsgenen befreien. Diese veränderten Stammzellen könnten dann mit Hilfe wachstumsfördernder Mittel das benötigte Ersatzgewebe liefern und dem Patienten anschließend eingepflanzt werden, erläutert Zwaka. So würden Mediziner Parkinson-Kranken Dopamin produzierende Stammzellen ins Gehirn transplantieren können, ohne Gefahr zu gehen, dass diese Zellen den gleichen Defekt enthalten und über kurz oder lang einen neuen Krankheitsschub erzeugen.

Noch einfacher wäre es, wenn es Zwaka oder anderen Forschern tatsächlich gelingen sollte, jene Gene auszuschalten, die das Abwehrsystem gegen Spenderorgane oder -gewebe mobilisieren. Dann könnten Biotechnologen eines Tages Stammzelllinien zur Behandlung bestimmter genetisch bedingter Krankheiten entwickeln und sie gefahrlos jedem beliebigen Patienten einpflanzen.

Gisela Ostwald

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