Tatsächlich beugen sie damit aber nur bestimmten Tumoren wie den meist gut heilbaren Basalzell- und Plattenepithelkarzinomen vor. Das besonders bösartige maligne Melanom können sie auf diese Weise nicht verhindern, wie eine Studie jetzt ergab: In Folge intensiver Sonneneinstrahlung bilden sich selbst bei hohen Lichtschutzfaktoren Leberflecken. Und diese erhöhen deutlich das Risiko für schwarzen Hautkrebs.
"Das ist eine extrem Besorgnis erregende Erkenntnis", sagt der Dermatologe Jürgen Bauer, der an der Studie der Universität Tübingen beteiligt war. Viele Menschen glaubten, mit der Vorbeugung von Sonnenbränden generell auf der sicheren Seite zu sein. "Diese Sicherheit ist aber ausgesprochen trügerisch und verführt dazu, länger in der Sonne zu bleiben, als die Haut es verträgt", warnt der Mediziner.
Sonnencremes haben keinerlei Schutzwirkung
Die Hautärzte hatten 1.232 Jungen und Mädchen in Stuttgarter und Bochumer Kindergärten untersucht und zugleich Daten zu Urlaubs- und Freizeitaktivitäten, Sonnenbränden und Sonnenschutzmaßnahmen gesammelt. Nach drei Jahren wurde die Untersuchung wiederholt. Ergebnis: Kinder mit heller Haut und Sommersprossen hatten besonders viele Leberflecken gebildet. Starke Sonnenstrahlung über kurze Zeit - etwa beim Urlaub in Südeuropa - verstärkte die Fleckenbildung ebenso wie eine niedrige Einstrahlung über längere Zeit - etwa beim häufigen Spielen im Freien.
Vor allem aber stellten die Ärzte fest, dass Sonnencreme in dieser Hinsicht keinerlei Schutzwirkung hatte, im Gegenteil: Kinder, die besonders häufig und stark mit den Lotionen eingerieben worden waren, hatten sogar etwas mehr Leberflecken als andere Jungen und Mädchen. "Dieses Ergebnis muss beunruhigen, weil der Zusammenhang zwischen Leberflecken und Hautkrebs eindeutig belegt ist", betont Bauer.
Seit den 70er Jahren haben sich die Erkrankungszahlen fast versechsfacht
Mehr als 100 kleine regelmäßige Leberflecken erhöhen nach Angaben des Arztes das Melanom-Risiko um fast das Achtfache. Noch gefährlicher sind große Ansammlungen der gutartigen Pigmentzellen mit über fünf Millimetern Durchmesser sowie unregelmäßiger Farbe und Form: Menschen mit mehr als fünf dieser so genannten dysplastischen Nävi leben mit einer um das Sechs- bis Zwölffache erhöhten Hautkrebsgefahr.
Den "großen Sonnencreme-Irrtum" macht Bauer mitverantwortlich für die dramatische Ausbreitung des malignen Melanoms in Deutschland: Seit den 70er Jahren haben sich die Erkrankungszahlen nach Angaben der Deutschen Krebshilfe fast versechsfacht. Derzeit wird jährlich bei rund 11.500 Menschen das bösartige Leiden diagnostiziert - Tendenz unvermindert steigend.
"Gesunde Bräune gibt es nicht"
Die Ursache für den mangelhaften Schutz vor Leberflecken vermutet Bauer in der Zusammensetzung der Sonnencremes: Generell gut sei deren UVB-Filter, wesentlich schwächer sei dagegen der Schutz vor UVA-Strahlen, bei denen zunehmend ein Zusammenhang mit Hautkrebs diskutiert werde. Immer mehr Hersteller versuchten daher, die Zusammensetzung ihrer Cremes zu ändern.
Dies sei aber alles andere als einfach, weil sich UVA nur sehr schwer filtern lasse, sagt der Experte. Dennoch könnten die Hersteller nach seiner Überzeugung einen wichtigen Beitrag leisten, die tödliche Entwicklung zu stoppen: "Sie sollen endlich aufhören, mit 'gesunder Bräune' zu werben. Gesunde Bräune gibt es nicht."
Froben Homburger, AP