Kassensystem Bayerns Hausärzte entscheiden über Ausstieg

Von den Drohungen aus der Politik wollen sich Bayerns Hausärzte nicht einschüchtern lassen: Mehrere Tausend haben sich am Mittwoch in der Nürnberger Arena zu versammelt. Ihr Votum könnte das gesamte deutsche Gesundheitswesen erschüttern.

Im Streit zwischen Krankenkassen und Hausärzten in Bayern bleiben die Fronten verhärtet. Unmittelbar vor einer für Mittwochnachmittag geplanten Abstimmung der Ärzte über einen Ausstieg aus dem Kassensystem warfen sich beide Parteien in Erklärungen gegenseitig Interessenspolitik auf dem Rücken der Patienten vor. Zugleich machten sie sich für drohende Engpässe bei der Versorgung der Patienten verantwortlich. Mit dem Ergebnis der Abstimmung rechnete der Bayerische Hausärzteverband für den Abend. Zu der Veranstaltung in der Nürnberger Arena wurden mehrere tausend Ärzte erwartet.

Unbeeindruckt zeigten sich die Hausärzte von Drohungen und Warnungen mehrerer Politiker. So hatte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) die Hausärzte davor gewarnt, mit einer Rückgabe ihrer Klassenzulassung eine "rote Linie" zu überschreiten. "Das kann kein Ministerpräsident und keine Regierung akzeptieren", hatte Seehofer noch am Dienstag betont. In Berlin hatte Gesundheitsstaatssekretär Stefan Kapferer (FDP) die Ärzte vor den finanziellen Folgen gewarnt: "Wer aus dem Kassensystem aussteigt, darf die nächsten sechs Jahre nicht mehr als Kassenarzt arbeiten".

Die Folge eines Ausstiegs wäre nach Einschätzung von Gesundheitsexperten ein Beben, das das gesamte deutsche Gesundheitswesen erschüttern würde - und keineswegs nur die Kassenärztlichen Vereinigungen.

Die Bundesregierung gab sich in einer offiziellen Stellungnahme am Mittwoch dennoch zurückhaltend. Zunächst müsse abgewartet werden, wie die bayerischen Ärzte sich verhielten, sagte eine Sprecherin des Gesundheitsressorts. Die Androhung, aus dem Kassensystem auszusteigen, habe es bereits mehrfach gegeben.

Welche Folgen ein Ausstieg für die Patienten hätte, ist weiter strittig. Der Hausärzteverband bekräftigte am Mittwoch erneut seine Absicht, nach einem erfolgreichen Ausstieg mit den Krankenkassen sofort über neue, besser dotierte Verträge zu verhandeln. Dagegen hatten sechs bayerische Kassen erklärt, sie schlössen kategorisch Neu-Verträge mit den Hausärzten aus. Ausgestiegene Hausärzte könnten ab sofort keine Kassenpatienten mehr auf Chipkarte behandeln. AOK und andere Krankenkassen hatten als Reaktion auf den geplanten Ausstieg der Hausärzte ihre Hausarztverträge gekündigt.

Der Vorsitzende der Bayerischen Hausärzte, Wolfgang Hoppenthaller, strebt bei der am Nachmittag beginnenden Versammlung in Nürnberg eine 60-Prozent-Mehrheit für einen Ausstieg aus dem Kassensystem an. Dazu müssten 3813 Hausärzte einen solchen Schritt unterstützen. Der Verbandschef zeigte sich optimistisch, dieses Quorum zu erreichen.

DPA
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