Wenn Sie sich für Wellness interessieren, kennen Sie den Stirnguss: Öl läuft über Ihr Gesicht, Sie entspannen sich, der Stress geht, die Durchblutung der Haut nimmt zu. Doch Ayurveda ist mehr als Relaxen im Spa: Wörtlich übersetzt bedeutet es „Wissenschaft vom Leben". Zu der komplexen, uralten Gesundheitslehre aus Indien gehört auch ein ausgeklügeltes Arzneimittelsystem und eine Ernährungs- und Bewegungslehre.
Hat Ihr Kind gelegentlich Magen-Darm-Probleme, leidet es unter Migräne, schläft es schlecht oder ist es depressiv, kann ayurvedische Heilkunde möglicherweise gut tun. Fragen Sie aber in jedem Fall vorher Ihren Kinderarzt, ob er Bedenken hat.
Das steckt dahinter:
Ayurveda wird in Indien seit etwa 5000 Jahren praktiziert. Nach den Vorstellungen dieser Lehre hängt die Gesundheit des Menschen von den drei so genannten Doshas ab, den zentralen Regulationssystemen des Körpers: Vata, Pitta und Kapha. Kapha ist für alles Feste im Körper zuständig, also für Knochen, Zähne und Nägel. Pitta reguliert das Zusammenspiel der biochemischen Substanzen: Stoffwechsel und Hormonhaushalt. Vata entscheidet über Bewegungsabläufe und Aktivität. Das Zusammenspiel der Doshas bestimmt den Körperbau und das Temperament eines Menschen. Ob Sie zum Beispiel bei Stress zu- oder abnehmen, ob Sie tief oder unruhig schlafen, ob Sie trockene oder ölige Haut haben, hängt nach dieser Lehre davon ab, wie sich Ihre drei Lebensenergien mischen.
Vorbeugende Behandlungen sollen die Doshas im Gleichgewicht halten, bei einer akuten Krankheit geht es darum, die Doshas wieder auszubalancieren. Deshalb wird jede Therapie auf die jeweilige Person abgestimmt. Zur Verfügung stehen Kräuter, Diäten, Einläufe, Ölmassagen und Meditations-Übungen. Einige traditionelle ayurvedische Schulen gehen davon aus, dass bei Kindern besondere Bedingungen für das Zusammenspiel der Doshas gelten. Deshalb ordnen sie Kinder erst ab dem achten Lebensjahr einem bestimmten Typ zu.
So wirkt's:
Es gibt einige wissenschaftliche Studien, die den Erfolg von Ayurveda belegen. Allerdings haben sich die Untersuchungen bislang nicht jedem einzelnen Element dieser indischen Heilkunde gewidmet. Nachweislich wirksam ist die Ölmassage bei Stress und Durchblutungsstörungen. Bestimmte ayurvedische Arzneimittel sind gut geeignet bei Akne, Diabetes, Verstopfung und Übergewicht.
Dennoch raten Fachleute zur Vorsicht: Manche ayurvedischen Heilmittel bestehen aus einem Gemisch von mehr als 100 verschiedenen Substanzen. Einige enthalten problematische Mengen giftiger Schwermetalle wie Quecksilber. In den Kräutermixturen können Rückstände von Pflanzenschutzmitteln enthalten sein.
Das sagt der Experte:
Edzard Ernst leitet die Abteilung für Komplementärmedizin an der britischen Universität Exeter. Er beschäftigt sich seit langem mit der Wirksamkeit alternativer Heilmethoden und hat viele Verfahren getestet.
Sein Urteil: Die ayurvedische Gesundheitslehre ist ein komplexes System, das schwierig zu überprüfen ist. Die bislang durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass einige wenige Elemente nachweislich wirken, während die meisten entweder nicht ausreichend überprüft wurden oder, wie einige Kräuterarzneien, sogar gesundheitsschädlich sein können.
Rüdiger Braun