Krankenhaus-Keime Wo Antibiotika machtlos sind

In ein Krankenhaus geht man, um gesund zu werden. Doch besonders hier lauern hochresistente Keime, gegen die fast alle gängigen Antibiotika wirkungslos sind. Die Folge: lebensgefährliche Infektionen.

Als Penicillin ab 1944 in großen Mengen produziert wurde, war der Jubel groß: Erstmals hatten Ärzte ein wirksames Medikament gegen Krankheiten, die durch Bakterien verursacht wurden. Inzwischen allerdings gibt es immer mehr Erreger, die durch Veränderung ihres Erbguts unempfindlich gegen Antibiotika geworden sind.

Vor allem Stämme des Bakteriums "Staphylococcus aureus", die gegen eine ganze Reihe von Antibiotika resistent sind, machen den Medizinern zu schaffen: Sie können in Krankenhäusern lebensgefährliche, schwer behandelbare Infektionen auslösen. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) haben sich diese Bakterien in Deutschland in den vergangenen Jahren stark vermehrt.

Erst bei einer Hautverletzung kann es gefährlich werden

Der Wundkeim "Staphylococcus aureus" ist weit verbreitet. Dem RKI zufolge ist etwa jeder Fünfte ständig Träger des Erregers, bei mindestens jedem Zweiten ist der Keim zeitweise zu finden. Die Bakterien siedeln vor allem auf der Haut und den Schleimhäuten, besonders häufig ist die Nase betroffen.

Wie der Mikrobiologe Alexander Friedrich vom Universitätsklinikum Münster erklärt, merken die meisten Menschen nichts davon, dass sie zu den Keimträgern gehören: Erst dann, wenn die Bakterien etwa über eine Hautverletzung in den Körper eindringen, verursachen sie eine Infektion. Gefährlich wird dies aber nur, wenn die Patienten eine große Wunde haben oder ihr Immunsystem geschwächt ist, wie bei Schwerverletzten oder frisch Operierten.

Daher ist der Erreger ein gefürchteter Krankenhaus-Keim. Insbesondere auf Intensivstationen kann er schwere Komplikationen auslösen: Bei künstlich beatmeten Patienten können die Keime über den Schlauch tief in die Lunge eindringen und dort eine Lungenentzündung verursachen. Gefährlich ist eine solche Infektion vor allem dann, wenn es sich um Stämme des so genannten Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) handelt. Diese haben gegen einige gängige Antibiotika Resistenzen entwickelt, wie Friedrich berichtet. Das liege daran, dass Antibiotika oft ohne ausreichenden Grund und eher willkürlich verschrieben würden, kritisiert der Experte. Um eine MRSA-Infektion in den Griff zu bekommen, müssen Ärzte auf selten verschriebene Reserve-Antibiotika zurückgreifen, die oft sehr teuer sind und zum Teil erhebliche Nebenwirkungen haben.

Etwa 1.500 Tote pro Jahr

Experten wie Friedrich schlagen Alarm, weil sich die Zahl Antibiotika-resistenter Staphylokokken in Deutschland, Frankreich und Belgien in den vergangenen zehn Jahren verzehnfacht habe. Hochrechnungen zufolge infizieren sich hier zu Lande pro Jahr etwa 30.000 Menschen mit MRSA, rund 1.500 sterben, wie der Mikrobiologe sagt. Genaue Zahlen gebe es nicht, da diese Infektionen nicht meldepflichtig seien. Dabei ist die Verbreitung der Keime auch innerhalb Deutschlands regional unterschiedlich. Die Situation ist von Krankenhaus zu Krankenhaus extrem verschieden, wie Friedrich erklärt.

Ob das Problem sichtbar werde, hänge allerdings vor allem auch davon ab, ob ein Krankenhaus gezielt nach MRSA-Trägern suche. "Wer keine Abstriche macht, findet auch erstmal keine MRSA und glaubt sich und seine Patienten sicher", sagt Friedrich. "Dieser Trugschluss rächt sich, weil sich dann die Erreger im Krankenhaus unbemerkt von Mensch zu Mensch ausbreiten können." Außerhalb von Krankenhäusern würden MRSA eher selten übertragen, weil dort vollkommen andere Bedingungen herrschten. Noch wesentlich dramatischer ist die Lage nach Angaben des Experten in den USA, Japan, Großbritannien und im Mittelmeerraum: Dort sei bereits jeder zweite Erreger vom Typ "Staphylococcus aureus" Methicillin-resistent.

Im Gegensatz dazu kämen diese Stämme in Skandinavien und den Niederlanden so gut wie nicht vor. Nordeuropa schneidet Friedrich zufolge deshalb so gut ab, weil seltener Antibiotika verschrieben würden und man an den Krankenhäusern strikter gegen resistente Bakterien vorgehe. Nach dem Motto "Suchen und Zerstören" ("Search and destroy") würden in niederländischen Kliniken alle Risikopatienten, wie Menschen mit schwachem Immunsystem, auf MRSA untersucht und in einem Einzelzimmer isoliert. Dabei wird ein Abstrich aus Nase und Rachen genommen. Entdeckt das Labor Antibiotika-resistente Staphylokokken, wird der Patient so lange behandelt, bis die Erreger nicht mehr nachweisbar sind. Je nachdem, wo die Keime gefunden wurden, bekommt er eine spezielle Nasensalbe oder etwa antiseptische Lutschtabletten, wie Friedrich erklärt.

Vorbild Niederlande

Die niederländische MRSA-Bekämpfung gilt unter deutschen Experten als vorbildlich. Daher orientiert sich auch das deutsch-niederländische Projekt "MRSA-net Twente/Münsterland", das Friedrich im Auftrag der Uniklinik Münster koordiniert, an den Maßstäben des Nachbarlandes. Ziel ist es, das Vorkommen der Keime in der Region um Münster auf niederländisches Niveau zu senken. Dabei arbeiten auf deutscher Seite Forscher der Uniklinik Münster und des Landesinstituts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst in Münster, auf niederländischer Seite Experten des Laboratoriums für Mikrobiologie Twente-Achterhoek und der Universität Twente in Enschede zusammen.

Um MRSA einzudämmen, wurde im Rahmen des Projekts ein grenzüberschreitender "Runder Tisch" geschaffen, an dem Mitarbeiter der Gesundheitsämter, Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeheime Erfahrungen austauschen und über Maßnahmen beraten. Außerdem setzt das Projekt auf Weiterbildung des Krankenhauspersonals sowie auf Aufklärung der Öffentlichkeit. "MRSA lässt sich nur lokal bekämpfen", sagt Friedrich. Es wäre daher schön, wenn unser Projekt Beispiel für weitere lokale Projekte dieser Art wäre."

Angela Stoll/AP

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