In Europa könnte Spanien zum Vorreiter in Sachen Menstruationsurlaub werden. Ein Gesetzesvorhaben, über das am Dienstag (17.5.22) im Ministerrat entschieden wird, sieht vor, dass Frauen mit heftigen Regelschmerzen drei Tage bezahlten Extraurlaub pro Monat in Anspruch nehmen können. Allerdings nur mit einem ärztlichen Attest. Neu ist die Idee des Periodenurlaubs nicht, aber umstritten.
Als Allererstes ist der Begriff Menstruationsurlaub irreführend. Wer schon einmal vor Schmerzen zusammengekauert mit der Wärmflasche während der Periode den Tag auf dem Sofa zugebracht hat, weiß, dass Menstruationsbeschwerden nichts mit dem, was die meisten unter Urlaubstagen verstehen, zu tun haben. Der Begriff Urlaub vermittelt all jenen, die nicht monatlich menstruieren, einen völlig falschen Eindruck. Treffender umschreibt "Menstrual leave" den rechtlichen Anspruch des Sonderurlaubs wegen Regelschmerzen. Starke Blutungen, Krämpfe, Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall – unter diesen Beschwerden leiden bis zu 91 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter, wie eine Analyse von Studien zeigt. Rund 30 Prozent haben starke Schmerzen. In einer Umfrage schildern Frauen auch Stimmungsschwankungen oder Rückenschmerzen als Symptome einer Dysmenorrhö, wie schmerzhafte Regelblutungen genannt werden. Starke Beschwerden – bei denen sich viele Arbeitnehmer:innen krankschreiben lassen würden.
Bei einer Studie in den Niederlanden wurden über 30.000 Frauen im Alter von 15 bis 45 Jahren befragt. Ein Drittel gab an, schon mal wegen starker Regelbeschwerden bei einem Arzt oder einer Ärztin gewesen zu sein. Bei einigen Frauen können die Menstruationskrämpfe sogar so heftig sein wie die Schmerzen bei einem Herzinfarkt, sagt Professor John Guillebaud vom Institut für Frauengesundheit des University Colleges London. 14 Prozent der befragten Niederländerinnen hat sich schon mal wegen Menstruationsschmerzen krankgemeldet – lediglich ein Fünftel von ihnen gab den wahren Grund an.
Ein Periodenurlaub könnte Vorteile mitbringen
Ein Punkt, in dem Periodenurlaub einen Vorteil für Betroffene bringen könnte: Sie könnten offen über ihre Beschwerden reden und müssen sich für ihr Fehlen keine Ausrede einfallen lassen. Die Periode ist noch immer ein Tabu-Thema. Die monatliche Blutung ist oft mit Scham und Ekel besetzt. Es ist oft schwer, darüber in der Arbeitswelt zu sprechen – und nicht nur dort. Erst seit 2021 wird in der Werbung für Menstruationsprodukte rote Flüssigkeit verwendet. Ein Menstruationsurlaub könnte weiter dabei helfen, dass die Periode enttabuisiert wird.
Für viele Betroffene könnte eine solche gesetzliche Regelung es leichter machen, nicht zu arbeiten, wenn es ihnen durch ihre Menstruationsbeschwerden so schlecht geht. Sich wegen der Periode krankzumelden, fällt vielen Menstruierenden schwer, schließlich ist die Periode keine Krankheit, keine Infektion. Wahrscheinlich schleppen sich die meisten Frauen lieber zur Arbeit – vollgepumpt mit Schmerzmitteln oder sie sitzen mit einer Wärmflasche vor dem Rechner. Doch den Luxus einfach in Jogginghose und mit Wärme auf dem Bauch im Homeoffice zu sitzen, haben natürlich nicht alle Berufsgruppen. Würde es einen Menstruationsurlaub geben, würde die ein oder andere Frau vielleicht statt einer Dosis Ibuprofen den freien Tag beanspruchen und die Unterleibskrämpfe mit Wärme und einer Auszeit auf dem Sofa lindern. Und es könnte das Bewusstsein schärfen, dass starke Menstruationsbeschwerden nicht ausgehalten werden müssen. Denn: Besonders starke Schmerzen oder Schmerzen, die jeden Monat das Alltagsleben beeinträchtigen, sollten beim Arzt oder der Ärztin abgeklärt werden. Sehr starke Schmerzen können zum Beispiel auf die Krankheit Endometriose hinweisen.
Auch der britische Gynäkologe Dr. Gedis Grudzinskas forderte schon 2015 Menstruationsurlaub. "Manche Frauen fühlen sich wirklich schlecht während der Menstruation. Ein bis drei bezahlte freie Tage pro Monat würden den Frauen die Motivation zurückgeben und die Produktivität steigern, wenn sie am Arbeitsplatz sind." Die Studie aus den Niederlanden unterstützt die Aussagen des Gynäkologen: 80 Prozent der Befragten fühlen sich während ihrer Periode weniger produktiv und sind unkonzentriert. Ein freier Tag könnte dafür sorgen, dass Arbeitnehmer:innen am nächsten Tag wieder ihr ganzes Leistungspotenzial abrufen können.
Nur wenige Frauen nutzen die freien Tage in Japan
Doch ein solcher Periodenurlaub könnte für Frauen auch negative Konsequenzen haben. Aktivistin Franka Frei befürchtet, dass Frauen auf dem Arbeitsmarkt noch weiter benachteiligt würden, wenn Unternehmen ihnen einen Menstruationsurlaub einräumen müssten. Auch in der Vergangenheit sei es bei der Einführung von Periodenurlaub nicht darum gegangen, dass Frauen nicht unter Schmerzen arbeiten müssen. Russland etwa habe mit einer solchen Regelung im 20. Jahrhundert vor allem die Geburtenrate sichern wollen. Der Grund: Durch die harten Arbeitsbedingungen sei bei vielen Frauen die Regel ausgeblieben.
In einigen asiatischen Ländern gibt es schon sehr lange Periodenurlaub, zum Beispiel in Japan seit 1947. Doch viele Frauen sehen den Periodenurlaub als mögliche Gefahr für ihre Karriere, so Alice J. Dan vom Center for Research on Women and Gender in Chicago. In einem Beitrag in der Fachzeitschrift "Health Care for Women International" zeigt sie, dass in Japan die Zahl der Frauen, die den Menstruationsurlaub in Anspruch nehmen, stetig zurückging, obwohl er schon so lange existiere. Auch eine Nikkei-Umfrage zeigt, dass gerade mal zehn Prozent der Frauen die Periodenurlaubstage, die ihnen zustehen, auch tatsächlich nehmen. Fast die Hälfte der Befragten wollte nicht bei ihrem männlichen Vorgesetzten dieses Anliegen vorbringen. Viele Frauen haben auch Angst, dass es ihnen als Schwäche ausgelegt wird, wenn sie wegen ihrer Menstruation nicht arbeiten gehen, berichtete der britische "Guardian".

Krankschreibungen wegen der Periode
In Deutschland dürfte ein solcher Menstruationsurlaub ohnehin schwierig umzusetzen sein. Zum einen gibt es in der Arbeitswelt das Gleichbehandlungsgesetz. Arbeitnehmer:innen, die keinen Anspruch auf Menstruationsurlaub haben, weil sie zum Beispiel Männer sind, könnten sich benachteiligt fühlen und dagegen klagen. Dazu kommt, dass Gesundheitsdaten von Arbeitnehmer:innen besonders geschützt sind.
Auch Arbeitsrechtlerin Ilka Schmalenberg sieht den Periodenurlaub kritisch, weil er zu Diskriminierungen von Menstruierenden führen könnte. Aus ihrer Sicht ist ein solcher Sonderurlaub in Deutschland auch gar nicht nötig: Frauen, die wegen Menstruationsbeschwerden nicht arbeitsfähig sind, können sich krankschreiben lassen. Das habe auch den Vorteil, dass Arbeitnehmer:innen nicht den genauen Krankheitsgrund nennen müssen.