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Nichtraucher-Tagebuch Die Stunde Null

Schätzungsweise 120.000 Zigaretten habe ich in den letzten zwölf Jahren geraucht und dafür rund 18.000 Euro ausgegeben. Am 1. Mai gegen 17 Uhr habe ich die hoffentlich letzte Zigarette meines Lebens geraucht. Ein Nichtraucher-Tagebuch.
Von Björn Erichsen

Die erste Zigarette vergisst man nicht. Bei mir war es im Spätsommer 1994, ich absolvierte gerade die Grundausbildung an der Marinefernmeldeschule im schleswig-holsteinischen Eckernförde. Nach einem Nachtmarsch mit vollem Gepäck rund um das idyllische Windebyer Noor steckte mir ein Kamerad die erste Zigarette zu. Die Kulisse war malerisch: Vor mir der See, der im Sonnenaufgang silbern glänzte, um mich herum die Kameraden in ihren olivgrünen Uniformen, erschöpft von den Strapazen der Nacht, das Gewehr bei Fuß. Der erste Zug, der erste Husten. Die Kameraden lachten. Trotzdem: Nie wieder sollte ich Mr. Marlboro so nahe sein.

Rauchfreie Zone

Björn Erichsen, Jahrgang 74, lebt und arbeitet als Journalist in Hamburg. Schwerpunkte sind Politik, Kultur, Medien und Sport. Seit neuestem treibt ihn die Frage um, ob man sich nach 120.000 Zigaretten noch einmal Nichtraucher nennen darf.

Der Rest der Geschichte ist weniger schön. Bei der einen Zigarette ist es natürlich nicht geblieben, nach kurzer Zeit war ich bei einer Schachtel täglich angekommen. Wenn es Stress gab, beruflich oder privat, waren es auch gern 30 Zigaretten oder mehr. Mit Genuss hatte das nur wenig zu tun, klarer Fall von Suchtraucher. Also exakt jener Kundentyp, wie ihn die Damen und Herren der Zigarettenindustrie lieben: konstantes Kaufverhalten, enorme Markenbindung.

Ständig Kleingeld suchen für den nimmersatten Automaten

Damit ist Schluss. Nach fast zwölf Jahren und schätzungsweise 120.000 gerauchten Zigaretten habe ich es satt: die Kurzatmigkeit, die ständige Bronchitis, den Mief in meiner Wohnung. Die ständige Kleingeldsuche für den nimmersatten Automaten vor dem Haus. Am 1. Mai 2006 gegen 17 Uhr habe ich die hoffentlich letzte Zigarette meines Lebens geraucht.

Wie so viele Raucher will ich schon lange aufhören. Grundsätzlich, meine ich. Doch irgendeinen guten Grund habe ich immer gefunden, warum das gerade jetzt nicht passte. Wenn ich es doch halbherzig probierte, ließ der Rückfall nicht lange auf sich warten. Beliebt auch faule Kompromisse: Mal wollte ich meinen Konsum rationieren, zehn Zigaretten täglich sollten es sein. Ein anderes Mal war das Ziel, Genussraucher zu werden, nur auf Partys und in Gesellschaft. Doch Kontrolle ist ein Mythos, wo die Sucht regiert. Gebracht hat das alles nichts, außer großer Frustration.

Die Wurzel des Übels heißt Angst

Damit es diesmal anders läuft, habe ich mich auf meine persönliche Stunde Null vorbereitet. Seit etwa sechs Wochen kreisen meine Gedanken um das Nichtrauchen. Doch mit rationalen Erwägungen hat die Entscheidung in letzter Konsequenz nur wenig zu tun. Dass Rauchen tötet, stinkt und Geld kostet, weiß ich schon lange. Die Wurzel des Übels sitzt tiefer und heißt Angst. Angst vor der Leere, die entsteht, Angst davor, mich bei Stress und Problemen nicht mehr an der Zigarette festhalten zu können.

Je klarer mir dies wurde, desto fester mein Entschluss. Zwischenzeitlich war ich sogar euphorisch, berauscht am eigenen Mut. Erstmals seit vielen Jahren fühlte ich mich der Sucht nicht mehr hilflos ausgeliefert.

Der Entzug in der nächsten Zeit wird hart, da mache ich mir nichts vor. Bereits jetzt, wenige Stunden nach meiner letzten Zigarette, spüre ich Unruhe und Beklemmung. In den ersten Wochen der Rauchentwöhnung setze ich auf Nikotinpflaster, die die größten Entzugserscheinungen lindern sollen. Außerdem habe ich mir ein Sportprogramm verordnet, Laufen, Schwimmen und Fahrradfahren.

Ob ich es endgültig schaffen werde, vermag ich nicht zu sagen. Zu tückisch ist die Sucht. Ich wünsche es mir sehr. Ich werde in der nächsten Zeit regelmäßig über den Stand der Dinge berichten.

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