Ratgeber Alternativmedizin Wurzelbehandlung

Von Edzard Ernst
Pflanzliche Mittel gelten als harmlos, weil sie "natürlichen" Ursprungs sind - dabei können sie drastische Wechselwirkungen mit verordneten Medikamenten haben.

Pflanzliche Heilmittel oder Phytotherapeutika, wie sie in der Fachsprache heißen, sind äußerst beliebt. Mehr als jeder Zweite in Deutschland verwendet sie. Viele nehmen an, "natürlich" sei gleichbedeutend mit "nebenwirkungsfrei". Leider ist das ein Trugschluss. Immer wenn pharmakologisch wirksame Substanzen im Spiel sind, gibt es auch Nebenwirkungen. Im Bereich der selbst verordneten Therapie mit pflanzlichen Mitteln - die meisten von ihnen sind ohne ärztliches Rezept zu erhalten - ist die Palette der unerwünschten Wirkungen besonders breit.

Kürzlich wurden die Ergebnisse einer amerikanischen Umfrage zu diesem Thema veröffentlicht. Von den mehr als 5700 Phyto-Nutzern setzte nur ein Drittel diese für Krankheiten ein, bei denen sie auch wirksam sind. Johanniskraut ist bei Depression aussichtsreich, Weißdorn bei Herzinsuffizienz und Ginkgo biloba bei Demenz. Werden sie aber bei Schnupfen oder Kopfschmerzen eingenommen, können sie natürlich nicht helfen.

Überdosierungen kommen vor

Auch für ihre Bestimmung eingesetzte pflanzliche Arzneien sind nicht immer problemlos. Bei Überdosierung kann es zu Vergiftungserscheinungen kommen. Die Marge ist für die meisten Phytos glücklicherweise erheblich höher als für synthetische Medikamente. Überdosierungen sind also selten - aber sie kommen vor.

Selbst bei richtiger Dosierung können Nebenwirkungen auftreten. Zum Beispiel wurde vor mehreren Jahren beobachtet, dass einige Patienten, die den pflanzlichen Angstlöser "Kava-Kava" einnahmen, danach an einem Leberschaden erkrankten. Inzwischen ist das Mittel in Deutschland wegen vermuteter Leber-Toxizität vom Markt genommen worden. Die Liste leberschädlicher pflanzlicher Arzneimittel ist länger, als die meisten von uns sich träumen lassen.

Ein weiteres, derzeit unter Wissenschaftlern heiß diskutiertes Thema sind Wechselwirkungen. Viele Personen, die Phytos einsetzen, nehmen auch verschriebene Arzneimittel ein. Meist weiß der Arzt nichts von den verschreibungsfreien Naturheilmitteln, die ein Patient nimmt. So kann es zu Wechselwirkungen kommen, die lange unerkannt bleiben. Ein Beispiel ist Johanniskraut. Es interagiert mit etwa 50 Prozent aller verordneten Medikamente: Die Konzentration des verschriebenen Wirkstoffs im Blut sinkt deutlich ab. Das kann böse Folgen haben, zum Beispiel bei blutgerinnungshemmenden Mitteln, die eine Throm-bose verhindern sollen. Ein zusätzlich eingenommenes Johanniskraut-Präparat kann zu einem Blutgerinnsel führen, was bekanntlich tödlich sein kann.

Asiatische Kräutermittel mit schädlichen Stoffen verunreinigt

Speziell asiatische Kräutermittel sind häufig mit schädlichen Stoffen verunreinigt oder enthalten sogar illegal beigemischte verschreibungspflichtige Wirkstoffe. In chinesischen "pflanzlichen" Salben zur Ekzemtherapie wurden zum Beispiel wiederholt Steroide nachgewiesen, die erhebliche Nebenwirkungen haben. Verunreinigungen mit Schwermetallen sind ebenfalls wiederholt in chinesischen oder indischen Kräutermixturen nachgewiesen worden. Schwermetalle sind hoch toxisch und können zu Vergiftungen führen.

Bei einem derart komplexen und vielfältigen Problempotenzial ist es nicht einfach, einen Rat zu geben, der alle Eventualitäten umfasst. Ich meine, dass Konsumenten pflanzliche Präparate als Arzneimittel sehen sollten, deren Einsatz immer den Rat eines Experten erfordert: Sprechen Sie über alle Heilmittel, die Sie einnehmen - auch die pflanzlichen - mit Ihrem Arzt.

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