Ausladung des Publizisten Wirbel um Friedman-Auftritt – Bürgermeister tritt zurück

Bürgermeister Jürgen Mevius sprach von einem missverständlichen Signal. (Archivbild) Foto: Iris Leithold/dpa
Bürgermeister Jürgen Mevius sprach von einem missverständlichen Signal. (Archivbild) Foto
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Michel Friedman sollte 2026 in einem Literaturhaus in Klütz lesen. Doch der Auftritt wurde abgesagt - aus Angst vor Störern, was heftige Kritik auslöste. Ein Kommunalpolitiker zieht nun Konsequenzen.

Nach bundesweiter Kritik an der Absage einer Lesung des jüdischen Publizisten Michel Friedman in Klütz hat der Bürgermeister des kleinen Ostsee-Ortes, Jürgen Mevius, seinen Rücktritt erklärt. "Ich bin heute Morgen zurückgetreten", sagte der Kommunalpolitiker (Unabhängige Wählergemeinschaft UWG) am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte die "Ostsee-Zeitung" darüber berichtet. Zu den Gründen wollte Mevius der dpa zunächst nichts sagen – er verwies auf das Statement, das er an die Zeitung geschickt habe.

Demzufolge fühlt Mevius sich unfair behandelt. "Was mit der schlichten Absage eines Termins, für den es noch keinen Vertrag und keine gesicherte Finanzierung gab, begann, wurde zu einer Verleumdungskampagne gegen mich und die Stadtvertretung, ja sogar gegen die ganze Region", sagte der Politiker in dem Statement.

Friedman sollte im Oktober 2026 im Rahmen einer Hannah-Arendt-Woche im Klützer Literaturhaus in der 3.000-Einwohner-Stadt an der Ostsee auftreten. Doch die Veranstaltung wurde abgesagt. Der Leiter des Literaturhauses, Oliver Hintz, begründete gegenüber dpa die Absage mit einem Telefonanruf von Bürgermeister Mevius.

Sorge vor rechten Störern und Hamas-Sympathisanten

Demnach habe sich die Mehrheit eines städtischen Gremiums gegen eine Lesung von Friedman ausgesprochen. Man habe Sorge, dass rechte Störer oder Hamas-Sympathisanten nach Klütz kommen und demonstrieren könnten.

Friedman wiederum hatte Mevius in einem Interview mit dem NDR kritisiert: Kunst-, Kultur und Meinungsfreiheit dürften nicht gefährdet sein, weil eine Einschüchterung durch Rechtsextreme angenommen werde.

Mevius widersprach dieser Darstellung von Hintz und Friedmann und nannte finanzielle Gründe. Friedmans Honorar sei deutlich höher als bei Lesungen von Schriftstellern dort üblich. Eine Vertreterin des Fördervereins des Literaturhauses entgegnete, die Kosten würden nicht von der Stadt, sondern von anderen Trägern übernommen.

Mevius: Toleranz, Vielfalt und Meinungsfreiheit stets klare Leitbilder

Mevius sprach in dieser Woche in einer Erklärung im Namen aller Stadtvertreter zudem davon, "dass die Kontroverse um Michel Friedmans Teilnahme an der Hannah-Arendt-Woche ein missverständliches Signal gesendet hat". Weiter schrieb er: "Umso mehr möchten wir bekräftigen, dass Toleranz, Vielfalt und Meinungsfreiheit stets klare Leitbilder unserer politischen Arbeit waren und sind."

Die AfD-Landtagsfraktion will das Thema indes auf die Tagesordnung des nächsten Innenausschusses des Landtages setzen. "Wir wollen wissen, ob es tatsächlich eine ernsthafte Gefährdungslage gibt, wie von interessierten Kreisen behauptet", sagte der Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer dazu laut Mitteilung.

Ausladung löst deutschlandweit Kritik aus

Die Ausladung des Publizisten hatte deutschlandweit Kritik ausgelöst. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte, ein vorauseilendes Zurückweichen staatlicher Stellen vor Demokratiefeinden richte sich gegen die grundlegenden Werte unserer Gesellschaft. Dabei sei es unerheblich, dass der betroffene Redner Michel Friedman jüdischen Glaubens ist. Friedman selbst kritisierte in einem Interview mit dem NDR Mevius scharf und sprach von einer "peinlichen Heuchelei".

Kundgebung durch Klütz weiter geplant

Die Autorenvereinigung Pen Berlin hat zu einer Kundgebung am kommenden Montag, um 17.00 Uhr, am Klützer Markt, aufgerufen. Dort sollen neben dem Leiter des Literaturhauses Klütz, Oliver Hintz, auch die Schriftstellerin und Pen-Berlin-Sprecherin Thea Dorn sprechen sowie Michel Friedman, um dessen Ausladung die Kontroverse entbrannt ist.

Die Sorge vor Störungen, gleich von welcher Seite, könne niemals ein Argument sein, eine Veranstaltung abzusagen. "Das vorauseilende Einknicken vor Leuten, die nicht Kritik im Sinn haben, sondern Verhinderung, ist inakzeptabel", schrieb Pen Berlin.

Die Autorenvereinigung hält auch nach dem Rücktritt von Mevius an der Kundgebung fest. "Pen Berlin hat deutlich gemacht, wogegen sich diese Kundgebung richtet und wofür sie plädiert: allem voran für die Autonomie der Kultur und gegen die Unsitte von Canceln und Gegen-Canceln. Eine Rücktrittsforderung haben wir nie erhoben, im Gegenteil: Wir haben selbstverständlich auch Herrn Mevius zu der Kundgebung eingeladen", erklärte Dorn auf dpa-Anfrage. "An der Ausladung Michel Friedmans durch die Stadt Klütz, die uns zu der Kundgebung am Montag bewogen hat, hat sich durch den angekündigten Rücktritt von Bürgermeister Jürgen Mevius nichts geändert."

dpa

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