Hamburg - Der Suhrkamp-Verlag kommt nicht zur Ruhe. Nachdem sich gerade Martin Walser vom Verlag verabschiedet hat, erklärt Joachim Unseld, Sohn des legendären Suhrkamp-Verlegers Siegfried Unseld, in einem Interview mit dem stern, dass er Walsers "radikalen Schnitt nachvollziehen kann". Joachim Unseld: "Ich bedauere es unendlich, dass sich keine Personenkonstellation ergab, die Walser im Verlag hätte halten können." Sein Weggang, so Unseld im stern "trifft den Verlag in seiner Substanz." Man müsse sich fragen, "welche Rolle spielt das Haus noch? Welche Bedeutung hat es noch für die deutschsprachige Gegenwartsliteratur?" Der 51-jährige Unseld, Chef der Frankfurter Verlagsanstalt, der noch 20 Prozent Anteile am Suhrkamp-Verlag hält, war bis zur zweiten Heirat seines Vaters mit der Autorin und Schauspielerin Ulla Berkéwicz als Verlagserbe vorgesehen. Im stern-Interview kritisiert er Ulla Unseld-Berkéwicz, die seit 2003 den Verlag in alleiniger Verantwortung führt. "Diese Frau", so Unseld, "hat sich meinen Posten angeeignet". Unter ihrer Führung sei "die Suhrkamp-Kultur usurpiert" worden von "einer Verlegerdarstellerin". Verständnis äußert Unseld für den Rücktritt des Suhrkamp-Stiftungsrates um Habermas und Enzensberger: "Auf eine wirklich plumpe Art sind die Leute, die die Geschichte der Bundesrepublik intellektuell geprägt haben, vor den Kopf gestoßen worden." Auch Joachim Unselds verstorbener Vater wird im stern-Interview nicht von Kritik verschont. Er habe den Suhrkamp Verlag "einer nicht so begnadeten Autorin überlassen, die zudem keine Erfahrung im Geschäft hat." In dem stern-Interview geht Joachim Unseld auch auf die Trauerfeierlichkeiten nach dem Tod seines Vaters ein: "Das war keine Beerdigung, es war eine Inszenierung, schlechtes Theater. Frau Berkéwicz ließ alle warten, den Kanzler, die Autoren, alle, vielleicht zehn Minuten lang. Und dann, den Schleier zurückgeworfen, beendet sie die Stille mit ihren Absätzen, und im langsamen Stechschritt zog sie an der Spitze ihrer Familie ein. Ich hatte nicht das Gefühl, mein Vater liegt dort im Sarg. Es war eine Beerdigung ohne Tränen, nein, es wurde Beerdigung gespielt. So wie nun Suhrkamp gespielt wird und das System Suhrkamp gebrochen ist."
Joachim Unseld-Interview "Das System Suhrkamp ist gebrochen"
Joachim Unseld im Interview: "Das System Suhrkamp ist gebrochen"