Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger ist tot. Er starb am Donnerstag im Alter von 93 Jahren in München, wie der Suhrkamp Verlag in Berlin am Freitag unter Berufung auf die Familie mitteilte. Enzensberger zählte zu den bedeutendsten Lyrikern und Intellektuellen in Deutschland.
Neben Günter Grass, Martin Walser, Uwe Johnson und Heinrich Böll war der am 11. November 1929 in Kaufbeuren im Allgäu geborene Enzensberger einer der prägenden Autoren der bundesdeutschen Nachkriegsliteratur. Er mischte im legendären Literaturclub "Gruppe 47" oder bei den rebellischen 1968ern mit. Über seine Zeit in der damaligen Außerparlamentarischen Opposition (APO) gibt eines seiner Erinnerungsbücher mit dem vielsagenden Titel "Tumult" Auskunft.
Enzensberger schrieb Romane, Essays, Anekdoten, Erinnerungen und Dramen
In dieser Zeit gründete er auch 1965 das Kulturmagazin "Kursbuch". Enzensberger probierte vieles aus: Er war Verlagslektor bei Suhrkamp in Frankfurt, verbrachte einige Zeit im sozialistischen Kuba, lebte in Norwegen, Italien, Mexiko, den USA und West-Berlin und kam schließlich 1979 nach München.
Enzensberger schrieb Romane, Essays, Anekdoten und Erinnerungen sowie Dramen, etwa "Untergang der Titanic", 1980 von George Tabori inszeniert. Auch Jugendlichen widmete er Bücher wie "Immer das Geld: Ein kleiner Wirtschaftsroman" oder "Lyrik nervt". Schon mit seinem ersten Lyrikband "Verteidigung der Wölfe" von 1957 hatte er Aufsehen erregt.
Dass Enzensberger auch im Alter nicht müde wurde, zeigte sein Buch "Fallobst" (2019), in dem er sich Gedanken auf der Höhe der Zeit machte, etwa zum Thema Migration.
"Das Boot" und andere Bücher, die zu Kino-Blockbustern wurden

"Von den 40.000 U-Boot-Männern im Zweiten Weltkrieg kehrten 30.000 nicht zurück", das US-Publikum klatsche bei dieser Vorspannzeile vor Begeisterung als 1981 "Das Boot" in Los Angeles erstmals in einer kleinen Vorpremiere gezeigt wurde. Tote Nazis waren schließlich etwas gutes. Beim Abspann gab es stehende Ovationen und bedrückte Gesichter. Wolfgang Petersen hatte innerhalb von zweieinhalb Stunden ihre Perspektive gedreht. Er hatte die Zuschauer mit hinunter in die Tiefe genommen, wie es kein U-Boot-Film davor und auch keiner danach geschafft hat.
Wie fängt man authentisch die bedrückende Enge einer Stahlröhre ein? Die stickige Luft? Die Todesangst der zusammengepferchten Männer 150 Meter oder tiefer im eisigen Atlantik? Die ersten Überlegungen zur filmischen Umsetzung von Buchheims "Das Boot" sahen noch eine klassische U-Boot-Kulisse vor, bei der von außen nach innen gefilmt wurde. Wolfgang Petersen wollte mittendrin sein und sein Kameramann Jost Vacano hatte die passende Idee. Er setzte die damals noch kaum bekannte Steady-Cam ein. Mit Hilfe dieser Technik konnte die Kamera ohne Verwackeln aus der Hand heraus geführt werden. Zuvor waren dafür auf dem Boden montierte Schienen notwendig. Vacano rannte mit seiner selbst entwickelten, leichten Kamera auf Augenhöhe mit den Schauspielern durch das Boot. Damit gelangen zuvor noch nie dagewesene Perspektiven. Erstmals war der Zuschauer mitten im Geschehen. Eine geniale Technik, ohne die der Film wahrscheinlich genauso geworden wäre wie das Buch: über weite Strecken realistisch öde. Wer nicht selbst lesen möchte, lässt sich "Das Boot" als Hörbuch von Dietmar Bär vortragen.
Claudia Roth würdigt Enzensberger
Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat Enzensberger als "einen der vielseitigsten und bedeutendsten deutschen Intellektuellen" gewürdigt. "Er hinterlässt uns ein überwältigendes Lebenswerk, das zahlreiche Gedichte und Essays umfasst, aber auch Kinderbücher, Dramen, Fachbeiträge über Mathematik und politische Statements", sagte die Grünen-Politikerin am Freitag in Berlin in einer Mitteilung.
"Hans Magnus Enzensberger war ein Solitär unter Deutschlands Dichtern und Denkern. Mit seinen Versen und kritischen Reflexionen begleitete er die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, deren Gründung auf den Trümmern eines zerstörten Landes er als Zwanzigjähriger miterlebte."