Nach seiner doppelten Stimmabgabe bei der Europawahl erhält "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo Rückendeckung von TV-Moderator Günther Jauch. In einem aktuellen Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung schreibt Jauch, was in der öffentlichen Debatte aus dieser "Petitesse" entstanden sei, habe ihn fassungslos gemacht. Von der Diskussion in seiner Sendung bleibe nun nur hängen, dass Di Lorenzo ein krimineller Wahlfälscher sei. "Das ist für mich so absurd, dazu noch gemein und im Namen angeblicher "political correctness" einfach nur daneben."
Di Lorenzo hatte in Jauchs Sendung am Sonntag freimütig berichtet, dass er bei der Europawahl zweimal gewählt hat - einmal als italienischer Staatsbürger im Konsulat des Landes in Hamburg, und ein zweites Mal als Bundesbürger in einer Grundschule der Hansestadt. Doppelstaatler dürfen nach dem Europawahlgesetz aber nur in einem EU-Land wählen. Di Lorenzo beteuert, das habe er nicht gewusst.
Di Lorenzo wurde prompt angezeigt
So locker wie Jauch sieht die Staatsanwaltschaft Hamburg di Lorenzos doppeltes Wählen nicht: Die Behörde ermittelt gegen den "Zeit"-Chefredakteur wegen des Verdachts der Wahlfälschung. Auslöser war eine Onlinestrafanzeige, die nach der Talkrunde gestellt wurde. In Betracht kommt nach Ansicht der Ermittler auch der Tatbestand des Fälschens von Wahlunterlagen. Die zuständige Anklagebehörde habe bereits Kontakt mit dem Landeskriminalamt aufgenommen, hatte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Montag gesagt.
Unter Umständen hätte es schon gereicht, wenn di Lorenzo den Online-Auftritt der "Zeit" gelesen hätte. Denn dort wurde vier Tage vor der Wahl das Doppelwähler-Problem ausgerechnet auch am Beispiel deutsch-italienischer Wähler durchdekliniert und klar darauf hingewiesen, dass mehrfach wählen verboten ist.
Ein Sprecher der italienischen Botschaft räumte dabei jedoch ein, dass eine Überprüfung kaum möglich ist: "Jeder Wähler trägt selbst die Verantwortung: Wenn er redlich ist, wird er seine Stimme wie alle anderen nur einmal abgeben", sagte er "Zeit-online".
Auch deshalb mahnte Bundeswahlleiter Roderich Egeler in Berlin Änderungen an. Der Fall di Lorenzo müsse sicherlich noch einmal nachgearbeitet werden. Wenn die Staaten Bürgern mit zwei Pässen auch zwei Wahlbenachrichtigungen zuschickten, könne es dazu kommen, dass diese beide nutzen. Ein Fehler sei nicht passiert, sagte Egeler. Man gehe aber davon aus, "dass der Unionsbürger seine Rechte in einer Weise in Anspruch nimmt, wie es das Gesetz vorsieht" - also nur einmal wählt.
Nach Ansicht des Düsseldorfer Strafverteidigers Udo Vetter hat sich di Lorenzo wohl strafbar gemacht. "Das EU-Wahlgesetz (EuWG) verbietet es in Paragraf 6 Absatz 4 Doppelstaatlern ausdrücklich, in Deutschland eine Stimme für das EU-Parlament abzugeben, wenn sie auch in ihrer Heimat wählen." Wer sich nicht daran halte, verstoße gegen Paragraf 107a Strafgesetzbuch und begehe eine Wahlfälschung. "Darauf steht Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren."
Di Lorenzo ist seit 2004 alleiniger Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit". 2013 erreichte das seit 1946 erscheinende Blatt erstmals eine durchschnittliche Jahresauflage von 512.000 Exemplaren. Dem breiten Publikum bekannt wurde er durch seine bereits seit 1989 laufende Moderation der Talkshow "III nach 9" von Radio Bremen oder durch seine Kurzinterviews "Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt".