»SOLINO« Geschichten um eine Pizzeria

Fatih Akin zeichnet in der Gastarbeiterkomödie das Leben der Familie Amato nach, die 1964 nach Duisburg kommen und mit Erfolg die erste Pizzeria eröffnen.

Heimat. Keine Sekunde denkt er nach. »Heimat«, sagt Fatih Akin, »ist da, wo man lebt und sich wohl fühlt, wo das Herz ist. Herkunft ist nicht wichtig.« Er wohnt noch heute gegenüber dem Krankenhaus, in dem er vor 29 Jahren als Sohn türkischer Gastarbeiter im Hamburger Bezirk Altona geboren wurde. »Ich bin Türke«, sagt Akin und dehnt die Worte hanseatisch weich, »zu allererst aber Altonaer, Hamburger.«

In seiner Heimat Altona spielte 1997 Fatih Akins erster Spielfilm »Kurz und schmerzlos«. Eine Milieustudie als Gangsterfilm, hochgelobt. Auch die Liebeskomödie »Im Juli« nahm ihren Ausgang im Multikulti-Stadtteil. Mit seinem dritten Kinofilm »Solino« wagt sich Fatih Akin zum ersten Mal auf fremdes Gebiet. Und ist irgendwie doch zu Hause geblieben: Die italienische Familie Amato verlässt 1964 ihr Heimatdorf Solino Richtung Duisburg und macht dort die erste Pizzeria im Ruhrgebiet auf. »Das ist auch mein Thema«, sagt Akin. »Meine Eltern sind Mitte der 60er nach Deutschland gekommen. Bestimmte Sachen sind bei allen gleich, egal ob sie aus Italien oder der Türkei kommen.«

Das Drehbuch zu »Solino« stammt von der Hamburger Autorin Ruth Toma, die sich inspirieren ließ von der Familie ihres Mannes Sebastiano, Leiter der Fliegenden Bauten. Dessen Eltern betrieben eine Pizzeria in Oberhausen. Die Geschichte an sich ist fiktiv. Akin, der selbst einen älteren Bruder hat, konzentriert sich auf das schwierige Verhältnis der Amato-Söhne Gigi (Barnaby Metschurat) und Giancarlo (Moritz Bleibtreu). Für Gigi, den jüngeren, wird Duisburg schnell zur neuen Heimat.

Giancarlo verweigert sich, schlingert auf halblegalen Wegen durchs Leben. Die Brüder konkurrieren: erst um die Zuneigung der Eltern, dann um die Liebe zu einem Mädchen. Am Ende ist es Gigi, der nach Italien zurückkehrt und Giancarlo, der bleibt.

Es geht in »Solino« auch um Heimat, Identität, Erwachsenwerden, Familie, Gastarbeiterprobleme, die Liebe zum Kino. Viel Holz für einen Film. Doch Akin lässt die Geschichte dahinfließen, mal in sanften Wassern, mal dramatisch aufgewühlt. Und mit literweise Gefühl. »Vielleicht hab' ich mich zu sehr rein geschmissen in den Film, vielleicht ist er zu emotionell,« grübelt er.

Quatsch - Kino muss so sein: große Gefühle, große Bilder. Fatih Akins Italien ist ein träumerisches, in karamelwarme Sonne getauchtes Land, Duisburg dagegen ein schmuddelgrüner Häuserhaufen. Authentisch von der Außentoilette bis zu Moritz Bleibtreus haarsträubender Afro-Frisur.

»Meine Ausbildung« nennt Autodidakt Akin seine drei Spielfilme, »'Solino' ist so was wie der Abschlussfilm.« Nach dickem Fünf-Millionen-Euro-Budget und fernen Drehorten will er jetzt wieder einen kleinen Film machen. »Er wird im türkischen Milieu spielen in Altona. Dann kann ich mit dem Rad zum Set fahren.« Da fühlt Fatih Akin sich wohl. Heimat eben.

Anke Kapels

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