"The Bang Bang Club"-Kinostart Zeitzeugen der menschlichen Abgründe - Kriegsfotografen

Der Mensch als Bestie - Fotografen in Kriegsgebieten erleben das häufig. Wer dort mit der Kamera unterwegs ist, schafft Bilder zwischen Voyeurismus und dem Anspruch, die restliche Welt damit aufzurütteln und zum Handeln zu bewegen.
stern Logo
stern Logo
Krieg vor der Linse

Die Bilder sind kaum auszuhalten. Ein afghanischer Vater trägt sein tödlich verletztes Kind in den Armen. Ein brennender Mann wird mit einem Stock niedergeschlagen. Der Anblick von Bildern wie diesen geht unter die Haut. Wie mag es bloß denen ergangen sein, die diese schlimmen Szenen fotografiert haben? Das versucht auch der Film "The Bang Bang Club" zu ergründen, der in dieser Woche in die Kinos kommt, und der vier Fotografen in Südafrika während der blutigen Unruhen am Ende der Apartheid zeigt.

Der berühmte us-amerikanische Kriegsfotograf James Nachtwey zu Beispiel beschrieb seine Gedanken 2001 in dem Dokumentarfilm "War Photographers": "Jede Minute an diesem Ort denke ich an Flucht, ich will das nicht mit ansehen." Hinzu kommt, dass auch das eigene Leben immer wieder bedroht ist. Allein in diesem Jahr wurden nach Angaben von Reporter ohne Grenzen bis Ende Mai mindestens 24 Journalisten bei der Arbeit getötet, viele von ihnen in Krisengebieten.

"Viele Leute sagen "Ich will nicht an die Gefahr denken" - das ist der größte Fehler, den man machen kann. Man muss sich der Gefahr immer bewusst sein und auch sich darauf vorbereiten", sagt der deutsche Fotograf Oliver Weiken. Seit 16 Monaten ist der 27-jährige für die European Pressphoto Agency (EPA) in Israel. Eine schusssichere Weste, ein Helm, eine Gasmaske gehören oft zu seiner Standardausrüstung.

Ein Schutz für den Körper, aber nicht für die Gedanken, in denen sich die Bilder festsetzen. Auch Schreie, Weinen oder unheimliche Stille brennen sich ein, ebenso wie ein Geruch, etwa nach Rauch, Blut oder Verwesung. Warum sollte man sich das antun? Für manche ist es der Adrenalinkick. Eine Erfahrung, die auch der Südafrikaner Greg Marinovich machte, als er in den 1990er Jahren die blutigen Unruhen ablichtete, die das Ende der Apartheid in seiner Heimat begleiteten. "Ich wurde abhängig vom Adrenalin und von dem Gedanken, dass ich den letzten Vorstoß Richtung Befreiung fotografierte und mittendrin im Geschehen war", notierte er in dem Buch "The Bang Bang Club", das nun mit Hollywoodstar Ryan Phillippe verfilmt wurde.

Doch Adrenalin und schlimme Erinnerungen sind nicht alles. "Mein größtes Problem als Fotograf des Krieges ist, dass ich vom Elend anderer profitieren könnte", schrieb Nachtwey 1985, bevor er mit damals 36 Jahren zur Fotoagentur Magnum ging. Seine Rechtfertigung sei der Respekt. Und die Möglichkeit, anderen von den schrecklichen Dingen zu berichten. "Ich sehe die große Chance der Fotografie darin, dass sie ein Gefühl für Humanität zu wecken vermag", versuchte er eine Erklärung. "Wenn einer wie ich in den Krieg zieht, um alle Welt wissen zu lassen, was da wirklich passiert, dann versucht er auf seine Weise, den Frieden auszuhandeln."

Manchmal reicht Beobachten allerdings nicht aus und es stellt sich die Frage, ob man nicht eingreifen sollte. Ein moralisches Dilemma, in das auch Marinovichs Freund Kevin Carter geriet, als er 1994 den Pulitzer-Preis erhielt für das Foto eines ausgehungerten Kindes im Sudan, hinter dem ein Geier wartete. "Was passierte mit dem Mädchen? Was hat der Fotograf getan, um ihr zu helfen", fragten Kritiker. Die Fragen wühlten Carter und seine Freunde auf, auch wenn das Kind kaum verhungern konnte, weil die Hilfsstation kaum hundert Meter weg war.

Bisweilen habe er schon geholfen, meinte Marinovich. Doch die Balance zwischen Einmischung und Objektivität ist schwierig. "Mit jedem dieser Bilder wird uns ein Preis abverlangt: ein Stück unserer Gefühle, der Verletzlichkeit, des Mitgefühls, das uns menschlich macht, geht jedes Mal verloren, wenn wir auf den Auslöser drücken", sinniert er in seinem Buch.

Ein Preis, der für manche Krisenreporter zu hoch ist. Einige brechen sogar zusammen unter der Last der verstörenden Bilder. So wie Kevin Carter. Rund drei Monate nachdem sein Freund Ken Oosterbroek als Fotograf in einem Feuergefecht gestorben war, brachte er sich um. Zum Abschied schrieb er: "Ich werde verfolgt von den Erinnerungen an Morde und Leichen und Wut und Schmerz ... an verhungernde oder verletzte Kinder, an schießwütige Irre...."

DPA
Cordula Dieckmann, DPA

PRODUKTE & TIPPS