Sie hat einen Oscar gewonnen, als sie in "Aviator" ihre legendäre Kollegin Katharine Hepburn darstellte, und verwandelte sich für "I’m Not There" in Bob Dylan. Britische Königinnen ("Elizabeth") kann sie genauso spielen wie weise Elbinnen ("Der Herr der Ringe"). Und nebenbei leitet sie mal ebenso ein ganzes Theater und zieht drei Jungs groß. Gibt es irgendetwas, das Cate Blanchett nicht kann?
In der Hoffnung, hinter das Geheimnis der Australierin zu kommen, die nicht wenigen als eine der größten Schauspielerinnen unserer Zeit gilt, wird ein Treffen in Paris vereinbart. Und siehe da: im noblen Hotel Le Bristol, wo Blanchett die Werbetrommel für ihren neuen Film "Blue Jasmine" von Woody Allen rührt, beantwortet sich zumindest die Frage nach dem Alleskönnen ziemlich schnell. "Ich bin nicht sicher, ob mein Handy wirklich ausgeschaltet ist. Mit Technik habe ich es nicht so", lacht sie zur Begrüßung – und drückt das Telefon zur Sicherheit lieber ihrer Assistentin in die Hand.
Personifizierte Eleganz
Man selbst muss derweil aufpassen, ihr nicht mit offenem Mund gegenüber zu sitzen, so erstaunlich ist die Wirkung, die Blanchett hat. Ihr Auftreten hat nichts von dem aufgekratzt-lauten "Hallo, hier bin ich", mit dem vor allem amerikanische Hollywood-Stars oft die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Doch ihre Ausstrahlung, für die das leider angestaubte Wörtchen 'fein' angebracht scheint, ist umso bemerkenswerter. Elegant sieht sie aus in ihrem Designerkleid und den ziemlich hohen Pumps - aber nicht aufgetakelt. Im Gespräch wirkt sie reserviert und zurückhaltend - ohne abweisend-kühl zu sein. Und, wirklich, diese Schönheit! Man versucht besser gar nicht erst zu beschreiben, wie atemberaubend die 44-jährige auch jenseits der Leinwand aussieht, um nicht in peinliche Klischeebeschreibung von Porzellanhaut oder elfengleicher Figur zu verfallen.
Auch "Blue Jasmine" lebt von Blanchetts Eleganz, schließlich spielt sie in Allens Drama die Gattin eines reichen Investment-Bankers (Alec Baldwin), ein typisches Wall Street-Luxusweibchen, das stets mit teurem Schmuck um den Hals und einem Drink in der Hand anzutreffen ist. Der bitterböse Film setzt allerdings ein, als von all dem sorglosen Reichtum nichts mehr übrig ist. Der Gatte hat sich im Knast erhängt und Jasmine bleibt kaum mehr als ihre Handtasche und ein Platz auf der Schlafcouch ihrer so ganz anderen Adoptivschwester (Sally Hawkins) in San Francisco. Eine Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs, der der Film ganz ohne Gnade beim Absturz zuschaut.
Hauptsache Woody! Und der smarte Clooney!
Für Blanchett ist es die erste Zusammenarbeit mit dem legendären Woody Allen. "Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, dass er mir mal eine Rolle gibt", sagt sie. "Offen gestanden hätte ich bei ihm auch zugesagt, einfach mal durchs Bild zu laufen. Hauptsache Woody! Dass es nun wirklich so eine Wahnsinns-Rolle wurde, ist aber natürlich das Sahnehäubchen." Und sie schiebt auch gleich hinterher, worin in ihren Augen der besondere Reiz der Geschichte von "Blue Jasmine" mit ihren Anklängen an den realen Bernie Madoff-Fall oder auch Tennessee Williams’ "Endstation Sehnsucht" ist: "In meinen Augen ist Jasmine eigentlich eine Metapher für Amerika. Sie hat sich selbst ganz neu erfunden, in vollen Zügen den Reichtum genossen und versucht nun krampfhaft, die Fassade aufrecht zu halten, obwohl sie sich eigentlich in einem Stadium völliger Panik befindet. Das trifft ja irgendwie auch auf die US-Gesellschaft zu."
Man könnte Blanchett stundenlang beim Erzählen zuhören, nicht nur wegen ihrer wunderbar warmen Stimme mit dem leichten australischen Einschlag. Tatsächlich hat sie, anders als so manche Kollegin, auch wirklich etwas zu erzählen. Nicht nur über ihre aktuelle Rolle. Sondern zum Beispiel auch über ihre Arbeit mit George Clooney, für dessen neuen Film "Monuments Men - Ungewöhnliche Helden" sie in Berlin vor der Kamera stand ("So ein unprätentiöser Regisseur! Und ein unglaublich smarter Mann!"). Über die Sydney Theatre Company, die sie seit 2009 gemeinsam mit ihrem Ehemann Andrew Upton als künstlerische Leiterin führte, bevor sie ihm vor einigen Monaten das Ruder allein überließ: "Dass ich mich jetzt wieder mehr aufs Kino konzentriere, heißt nicht, dass ich dem Theater überdrüssig bin. Weder dem Organisatorischen noch dem Wirken auf der Bühne. Aber ich liebe nun einmal die Abwechslung!" Oder über ihren deutschen Kollegen Lars Eidinger, für den sie schwärmt, seit sie ihn an der Berliner Schaubühne als "Hamlet" sah.
Das Mysterium bleibt unangetastet
Sogar ihre drei Söhne, die sie nicht nur zum "Hobbit", sondern wann immer möglich zu Dreharbeiten mitnimmt, erwähnt Blanchett im Gespräch immer wieder. Doch erst wenn man sich später den Mitschnitt des Gesprächs noch einmal anhört, fällt auf, wie wenig sie sich tatsächlich in die Karten gucken lässt. Die Oscar-Gewinnerin ist zwar unglaublich sympathisch und hat enorm viel Sinn für Humor, der nicht nur dann zutage kommt, als sie herzlich über sich selbst lassen muss, nachdem sie die Formulierung "Männer wie Woody Allen" in Anführungszeichen setzen will und dabei mit ihren Fingern eben solche in die Luft zeichnet. Doch der Austausch findet auf intellektueller Ebene statt, tatsächlich persönlich wird sie nicht. Und ist es, wenn man es sich genau überlegt, eigentlich nie.
Cate Blanchett lädt nicht zum Pferdestehlen ein wie etwa Sandra Bullock, und sie verkneift es sich auch, die Öffentlichkeit mit makrobiotischen Diäten zu nerven so wie Gwyneth Paltrow, die ihr 1999 bei der ersten Nominierung noch den Oscar wegschnappte. Stattdessen wahrt sie stets die Distanz – und vermutlich liegt genau darin ihr Erfolgsgeheimnis. Der Versuch, das Rätsel ihrer vielseitigen Wandelbarkeit aufzulösen, ist zum Scheitern verurteilt, doch das ist als Schauspielerin (neben dem enormen Talent) ihr größter Trumpf. Denn nur, wo die Privatperson Blanchett ein Geheimnis bleibt und das Publikum ihren Namen und Gesicht nicht von vornherein mit Klatschgeschichten oder einem bestimmten Image verbindet, kann sie Film für Film aufs Neue komplett hinter ihren Rollen verschwinden.
Viel lohnenswerter, als das Mysterium dieses darstellerischen Chamäleons zu entschlüsseln, ist es deswegen, sich ein ums andere Mal von seinem Können überwältigen zu lassen. In "Blue Jasmine" funktioniert das so gut, dass ihr eine (mittlerweile sechste) Oscar-Nominierung schon so gut wie sicher sein dürfte. Für Abwechslung ist aber auch in den kommenden Monaten gesorgt: außer in "Der Hobbit: Smaugs Einöde" und "Monuments Men – Ungewöhnliche Helden" wird sie im neuen Film von Terrence Malick und später dann als böse Stiefmutter in "Cinderella" zu sehen sein. Und aktuell bereitet sie sogar ihr Regiedebüt vor. Denn es scheint eben wirklich so zu sein: Cate Blanchett kann praktisch alles - außer Handys ausschalten.