In Deutschland haben sich bereits mehr als 4,5 Millionen Zuschauer den von Bernd Eichinger produzierten Film "Der Untergang" angesehen. Jetzt startet das Kinoereignis auch in Frankreich. Pünktlich zum Start haben sich eine Reihe von französischen Filmkritikern zu dem Film über die letzten Tage des "Dritten Reiches" geäußert, der dort unter dem Titel "La Chute" (Der Sturz) in die Kinos kommt. "Ein kläglicher und dem Schein nach objektiver Film", meinte die linksliberale "Libération", von einem "Unbehagen" sprach "France-Soir". Der konservative "Le Figaro" dagegen sieht im "Untergang" einen Hauch von Shakespeare, und auch das linke Magazin "Le Nouvel Observateur" bewertete ihn eher positiv.
Sehr viel Platz wird dem Streit über den Film in Deutschland und damit dem "deutschen Befinden" 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg eingeräumt. Beispielhaft stellt "France-Soir" einen Befürworter und einen Kritiker von "Der Untergang" aus Frankreich gegenüber. So lobt der Historiker und Deutschland-Kenner Alfred Grosser den Film als "bemerkenswert und sehr pädagogisch", während der Regisseur des "Shoah"-Films, Claude Lanzmann, ihn "pervers und gefährlich" nennt.
"Le Monde": Neuer Patriotismus in Deutschland
Die Pariser Zeitung "Le Monde" hat sich Gedanken über den Umgang der Deutschen mit ihrer Vergangenheit beschäftigt: "60 Jahre nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes ist es immer noch unmöglich, an diese Vergangenheit unbefangen heranzugehen, auch wenn Politiker, Schriftsteller und Regisseure das versuchen. Hirschbiegels Film kommt zu einer Zeit heraus, in der das Thema Patriotismus in die deutsche Politik zurückkehrt. Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Oppositionschefin Angela Merkel können im Konzert im Bundestag erklären: 'Wir lieben unser Land.' In den 70er Jahren hatte Bundespräsident Gustav Heinemann auf die Frage, ob er Deutschland liebe, geantwortet: 'Ich liebe meine Frau.' Diese Rückkehr des Patriotismus, die an sich nichts Ungewöhnliches hat, ist die Kehrseite des Unbehagens, das die deutsche Gesellschaft erfasst hat. Nach 40 Jahren Bonner Republik, einer Oase der Demokratie in der turbulenten deutschen Geschichte, und 15 Jahre nach der Wiedervereinigung stellen die Deutschen die Frage nach ihrem Platz in der Welt, ihrer wirtschaftlichen Leistung und ihrem Sozialsystem. Beunruhigt über ihre Zukunft schauen sie auf die Vergangenheit, um dort entweder Trost oder Gegenbeispiele zu finden."
"L'Union": Überflüssige Kontroverse
Die französische Regionalzeitung "L'Union" (Reims) nennt die Kontroverse um den Film dagegen überflüssig: "Was bietet der Film? Ein Stück Fiktion, das nichts mit einer pädagogischen Dokumentation zu tun hat und auch nicht vorgibt, sich die Gewissheiten der Geschichte zu Eigen zu machen oder eine kluge, bebilderte Synthese der Arbeit der Historiker zu sein. Man sieht einen in jeder Hinsicht verachtenswerten Mann und seine letzten Augenblicke vor dem Selbstmord in seinem Berliner Bunker. Auch wenn das Sujet schwer wiegt: Das ist ein Blick, eine Interpretation, ein Kino-Streiflicht. Durch den Film erfährt man nicht die Geschichte des Zweiten Weltkriegs und auch nicht die zentrale Rolle, die Hitler in einem der Dramen des 20. Jahrhunderts gespielt hat. Wenn der Film aber die Zuschauer dazu bringt, ein Geschichtsbuch zu öffnen, um das grausame Nazi-Wesen der Intoleranz und des Todes zu verstehen, dann wird er nützlich gewesen sein."
Carsten Heidböhmer mit Material von DPA