Indiana Jones und die Archäologie Der Schwindel mit dem echten Kristallschädel

Von Astrid Mayer, Paris
Im neuen "Indiana Jones" dreht sich alles um einen geheimnisvollen Kristallschädel, der angeblich aus der Aztekenzeit stammt und übernatürliche Kräfte besitzt. Diesen Schädel gibt es wirklich - aber wie im Film ist auch im echten Leben nicht alles so wie es scheint...

Wie immer hat sich Steven Spielberg auch bei seinem neuesten Film einem Stoff zugewandt, der die Ängste, Hoffnungen und Träume der Menschen in sich trägt: Um die Kristallschädel der Azteken ranken sich unzählige Legenden. Esoterische Kreise sind überzeugt, dass in die Objekte wesentliche Informationen eingeschrieben sind, die Zukunft der Menschheit betreffend.

Mayas oder Azteken sollen sie geschliffen haben, damit sie dereinst die Welt retten: 13 Schädel aus Bergkristall, von denen zwölf bereits ausgegraben seien. Weil der Legende nach der dreizehnte spätestens bis Dezember 2012 gefunden sein muss, um die Welt vor dem Untergang zu retten, macht sich Indiana Jones, sehr zur Freude der Kinogänger, auf die Suche nach diesem. Zumindest zwölf Kristallschädel gibt es wirklich, drei von ihnen sind im Besitz von öffentlichen Museen, neun gehören Privatpersonen.

Die "antiken" Schädel sind gar nicht so alt

Erst in den letzten 15 Jahren ist klargeworden, dass die drei großen Kristallschädel, die sich in öffentlichen Sammlungen befinden (einer im British Museum und zwei weitere in Washington und Paris), gar nicht aus Mexiko stammen und auch nicht von Azteken hergestellt wurden. Besonders gerne haben die Museen das nicht eingeräumt, denn es entwertet ihre Stücke und kommt in gewisser Weise einer Blamage gleich. Aber die Untersuchungen in London und Washington wie in Paris haben dasselbe ergeben: Die Schädel wurden mit modernen Steinschleifinstrumenten hergestellt. Und zwar, man höre und staune, vor nicht einmal 150 Jahren in Idar-Oberstein.

Außerirdische sollen im Spiel gewesen sein

Esoterische Kreise haben sich von diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen bisher nicht weiter beeindrucken lassen. Die Maya hätten mit ihren Mitteln hunderte von Jahren polieren müssen, um einen solchen Schädel aus dem harten Material zu holen? Na und. Das macht es nur umso wahrscheinlicher, dass Außerirdische im Spiel waren. Und erklärt auch, wieso einer der Kristallschädel in Colorado gefunden wurde: Angeblich eine beliebte Einflugschneise für Ufos.

Pariser Ausstellung zu den Schädel-Artefakten

"Paradoxerweise gewinnen diese Objekte an Faszination, je deutlicher die Beweise dafür sind, dass es Fälschungen sind", hat der Kurator Yves Le Fur vom Pariser Musée du Quai de Branly festgestellt. Rechtzeitig zum Kinostart, hat das Museum für außereuropäische Kulturen das Corpus delicti aus dem Magazin geholt (in das es nach Bekanntwerden der Fälschungsvorwürfe verbannt worden war). Ab Oktober wird das Museum die Forschungen der vergangenen Jahre über die Schädel in einer Ausstellung präsentieren. Die New-Ager wird das nicht beirren. Das British Museum muss sich regelmäßig mit Petitionen befassen, die eine "Befreiung" seines Schädels fordern, weil das Objekt Gefühle habe und im Museum gehindert werde, seine Bestimmung zu erfüllen.

Der Antiquitätenhändler des Kaisers

Dabei ist die wirkliche Geschichte der Schädel mindestens so spannend wie die Sagen um Weltuntergang und -Rettung. Der Londoner wie der Pariser Kristallschädel sind durch die Hände des dubiosen Sammlers Eugène Boban gegangen, der sich auch "Antiquitätenhändler des Kaisers Maximilian" nannte. Wobei der angebliche Kaiser auch nur der österreichische Erzherzog war, der sich den mexikanischen Thron erobern wollte und dessen abenteuerlicher Ausflug nach Übersee tragisch endete: Er wurde 1867 in Mexiko hingerichtet.

Die Schädel sind tatsächlich aus südamerikanischem Bergkristall...

Eugène Bobans Sammlung wurde 1878 vom französischen Staat aufgekauft und enthielt so bedeutende Stücke wie die Statue des Quetzalcoatls und die Maske von Xipe Totec. Der Kristallschädel galt als Darstellung der Totengottheit Mictecacihuatl und als ein Meisterwerk. Nun liegt der Verdacht nahe, dass Boban seinen guten Ruf und seine Verbindungen nutzte, um auch Fälschungen in Umlauf zu bringen. Die Schädel sind tatsächlich aus südamerikanischem Bergkristall gefertigt, allerdings nicht aus mexikanischem sondern aus brasilianischem.

...wurden aber in Idar-Oberstein hergestellt

Wer auch immer die Idee hatte, Kristallschädel aus brasilianischen Bergkristall-Klumpen in Idar-Oberstein fertigen zu lassen: Er traf einen Nerv der Zeit. Die mystisch schimmernden Totensymbole regen seit über hundert Jahren die Fantasie der Menschen an. Einer der Wissenschaftler, der den Londoner Schädel untersucht hat, drückt es so aus: "Die meisten Menschen, die ihm begegnet sind, waren beeindruckt". Nichtsdestotrotz stellt auch das British Museum klar: "Dieses Objekt hat keinerlei übernatürliche Fähigkeiten".

http://www.quaibranly.fr
http://www.britishmuseum.org

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