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Medienkolumne

Medienkolumne zur "Tagesschau"-App App in die Verlängerung

Der Streit um die "Tagesschau"-App soll außergerichtlich gelöst werden - das wünscht sich das Kölner Landgericht. Aber weder ARD noch Verleger wollen klein beigeben. Und dennoch gibt es jetzt schon einen Gewinner.
Von Bernd Gäbler

Das ist schon etwas seltsam: Es gibt einen Rechtsstreit, aber das zuständige Kölner Landgericht will am liebsten gar kein Urteil sprechen. Der Vorsitzende Richter Dieter Kehl hat die um die "Tagesschau"-App streitenden Parteien, ARD und acht klagende Verleger, in die Verlängerung geschickt. Bis zum 30. August mögen sie doch bitte mitteilen, ob sie nicht doch eine außergerichtliche Einigung absehen können. Falls sie das nicht schaffen, gibt es - nein, kein Elfmeterschießen - sondern tatsächlich zum 27. September ein Urteil.

Allerdings erklärt das Gericht schon jetzt, dass dieses Urteil dann auch nicht viel bringen wird. "Wir werden die 'Tagesschau'-App nicht verbieten oder nicht nicht verbieten", spricht Herr Kehl salomonisch und ergänzt resigniert: "Wen interessiert schon, was das Landgericht Köln zur 'Tagesschau'-App vom 15. Juni 2011 sagt?" Diese Ausgabe mit sehr viel Text und verhältnismäßig wenig bewegten Bildern ist nämlich der konkrete Streitgegenstand. Durch diese Ausgabe sehen die Verleger die gesetzliche Bestimmung verletzt, nach der gebührenfinanzierte Sender im Internet keine "presseähnlichen Erzeugnisse" anbieten dürfen.

Jetzt wird nachgekartet

Obwohl der Richter die Streitenden zugleich ermahnte, dass "Nachkarten" jetzt auch nichts bringe, setzte genau dies natürlich sofort ein. Zunächst erklärte der Verleger-Anwalt, nur ein Urteil könne auch die Verhandlungen wieder befördern, dann bekundete die WDR-Intendantin Monika Piel für die ARD großes Einigungsinteresse, natürlich ohne ein Jota von bisherigen Standpunkte abzurücken. Sofort zur Propaganda in eigener Sache mutierte auch der Online-Auftritt der "Tagesschau". Dort ist ein Kommentar nachzuhören, in dem den Verlegern vorgehalten wird, sie hätten selber schuld, da sie ja kein ordentliches Geschäftsmodell für die Online-Welt entwickelt hätten. Sie sollten sich doch ein Beispiel an Rupert Murdoch nehmen, der erfolgreich Bezahlschranken eingeführt hätte. Eine tolle Idee! Da wären die bereits durch Gebühren finanzierten Sender am Ende auch noch die einzigen, die Online-Inhalte kostenlos anböten.

Kein triviales Problem

Man sieht: Der Streit scheint im Stadium eines recht unwürdigen Klein-klein zu verharren. Neue Signale zur Vertrauensbildung gibt es aktuell nicht, obwohl beide Seiten sich selbst in Sonntagsreden gerne attestieren, die letzten Verteidiger des Qualitätsjournalismus gegen die übermächtigen Angreifer in Form internationale Tele-kommunikationskonzerne und Internetriesen zu sein. Für diese Auseinandersetzung aber sind sie nicht gerüstet, darum rangeln sie lieber noch ein bisschen miteinander. Die ARD ist besonders sauer auf den Springer-Konzern, der mit dem Erwerb der Rechte für eine eigene "Bundesliga-App" viele Smartphone-Besitzer von der "Sportschau" weglocken könnte. Die Verleger dagegen wären schon froh, wenn die ARD-Intendanten sich nur eindeutig zu einem Vorrang von Audio und Bewegtbild gegenüber dem Text für ihre öffentlich-rechtlichen Internetangebote bekennen würden. Angesichts der Weiten des Internets wirkt das alles natürlich kleinlich, aber der Streit zwischen ARD und Verlegern ist nicht trivial. Beide kämpfen – wenn auch im Grunde defensiv - um Terrain.

Clearingstelle – eine deutsche Lösung

Wie kann eine Lösung aussehen? Rechtlich eindeutig zu fixieren ist zum Beispiel, welche Art von Inhalten gebührenfinanzierte Sender nicht im Internet anbieten dürfen, weil dies privatwirtschaftlichen Angeboten tatsächlich die Luft zum Atmen nehmen würde. Das sind zum Beispiel: Dating-Portale, Steuertipps, Online-Shopping etc. etc. - das alles ist gesetzlich festgelegt und auch überprüfbar. Wie aber soll eine "Tagesschau-App" bewertet werden? Wie soll die Bewegtbild-Dominanz sichergestellt werden? Soll eine Text-Obergrenze oder eine täglich nicht zu überschreitende Buchstabenmenge festgelegt werden? Soll das Landgericht dafür Richtlinien beschließen? Das wäre kurios. Nein, die deutschen Verleger und die ARD werden vermutlich erneut zustande bringen, was sie schon bei der generellen Überprüfung der öffentlich-rechtlichen Internetangebote durch den so genannten "Drei-Stufen-Tests" geschafft haben: neue Bürokratie, neue Institutionen. Schon ist die Rede von einer permanent arbeitenden "Clearing-Stelle" zwischen ARD und Verlegern. Juhuu! Das wäre mal wieder was! Das hat uns noch gefehlt nach Landesmedienanstalten und Verwaltungsräten, KEF und KEK. Aber auf so etwas kann es tatsächlich hinauslaufen. Wenn man sich nicht verträgt, muss man eben Verträge schließen.

Die überraschende Klugheit des ZDF

Nicht gesondert erwähnt werden muss, dass dies selbstverständlich keine vernünftige Antwort auf die tatsächlichen Herausforderungen der Medienzukunft wäre. Ein Akteur scheint dies zu ahnen und ausnahmsweise auch einmal danach zu handeln. Fast heimlich hält sich das ZDF schön heraus aus dem Gerangel zwischen ARD und Verlegern, springt weder dem öffentlich-rechtlichen Partner solidarisch zur Seite, noch provoziert es die Verleger, sondern praktiziert einfach auch online, was ohnehin dem eigenen Können entspricht: viel Bewegtbild und keine Text-Konglomerate. Das ist die überraschende Klugheit des ZDF. Die Mainzer zeigen: Es geht doch!

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