Tragikomödie Besser als das "wahre Leben"

Von Christof Müller
Wie lebt eine perfekte Musterfamilie? Und was passiert, wenn die Idylle aus der Ruder läuft? Alain Gsponers Film "Das wahre Leben" zeigt ein selbstgemachtes Sippen-Chaos mit allen Nebenwirkungen auf eine neue Art.

Ein gewaltiger Knall erschüttert das Nobel-Wohnviertel. Die scheußliche Madonnen-Statue zerbirst in kleinste Stücke. Der schüchterne Linus grinst, und Florina, die kesse Freundin aus der Nachbarschaft, ist mit ihrer ersten Sprengung höchst zufrieden. Alain Gsponers neuer Film "Das wahre Leben" zeigt das Innenleben einer Musterfamilie ungeschminkt. Die Mutter kümmert sich um den Nachwuchs, der Vater bringt brav das Geld bei. Doch der schöne Schein nach außen beginnt bald zu bröckeln, als Linus' Papa Roland Spatz (Ulrich Noethen), ein hochbezahlter Risikomanager, seinen Job verliert und das nötige Kleingeld ausbleibt, das seine Gattin und die beiden Söhne gerne ausgeben.

Roland beschließt, sich ab sofort zuhause auszutoben. Als er Treppen, Türen und Wände einreißt und sich nach zwölf Jahren Abstinenz plötzlich um seine Familie kümmern will, geht das allen auf die Nerven. Mama flüchtet sich in Kunst und muskulöse Männerarme, der ältere Filius Charles outet sich in der Bundeswehr als schwul und Nesthäkchen Linus baut Bomben. Um ihren materiellen Status quo nicht zu gefährden, zwingt Frau Sybille (Katja Riemann) ihren Mann dazu, beim stinkreichen Nachbarn um einen Job zu betteln.

Schnell erkennt der Risikomanager in der Nachbars-Familie Parallelen zu seiner eigenen Sippe: die Krügers sind mindestens so kaputt wie die Spatzens. Vater Happy (Alexander Held) hängt nur noch am Whiskey-Glas, während sich seine Frau Kätzchen (Juliane Köhler) mit Tabletten vollpumpt und Tochter Florina (Hannah Herzsprung) seit dem Tod ihres Bruders als hochgradig selbstmordgefährdet gilt.

Florina verführt minderjährigen Sohn

Florina wird es am Ende sein, die beide Familien noch einmal kräftig durcheinanderwirbelt. Denn Sybille entdeckt Florinas künstlerisches Talent und will sie als Nachwuchskünstlerin in der Szene bekannt machen - gegen deren Willen. Florina hat derweil Sybilles minderjährigen Sohn verführt und zieht mit ihm durchs Viertel.

Wie ist "Das wahre Leben"? Auf jeden Fall unglaublich tragisch, aber auch komisch und höchst explosiv. Nachwuchsfilmer Alain Gsponer erzählt in messerscharfen Dialogen und mit einer Prise tiefschwarzem Humor eine Geschichte, die spannender als das wahre Leben ist!

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